Die von Philipp Mißfelder ins Sommerloch hinausposaunte Polemik gegen das Anspruchsdenken der alten Generation zeugt von einem Mangel an Sensibilität. Sie ignoriert, daß man einen Einstellungswandel am allerwenigsten jenen zumuten kann und soll, die ihr Leben lang daran gewöhnt waren zu nehmen. Junge Leute hingegen finden sich in der Regel damit ab, mehr und mehr belastet zu werden, weil sie nicht von der Hoffnung lassen können, daß sie doch noch eine Perspektive haben. Eine Politik, die diese Asymmetrie in den Mentalitäten nicht zur Finanzierung der Generationengerechtigkeit nutzen möchte, handelt verantwortungslos. Mißfelder ist aus diesem Grund als JU-Chef eine Fehlbesetzung. Er untergräbt die Leistungsbereitschaft der Jungen für die Alten, anstatt sie zu mobilisieren. Er übersieht die ökonomischen Chancen, die in der demographischen Entwicklung stecken. Es ist einseitig, immer nur auf die Kosten zu verweisen, die alte Leute den Sozialversicherungen aufbürden. Man muß sie endlich auch einmal als einen dynamischen Faktor für mehr Wachstum und Beschäftigung zur Kenntnis nehmen. Es gibt nur sehr wenige Branchen, denen wir in Deutschland noch einen Boom zutrauen dürfen. Viele Unternehmen verlagern ihre Produktion ins Ausland. Sie gehen uns als Arbeitgeber und als Steuerzahler verloren. Das deutsche Bildungssystem läßt nicht erwarten, daß unsere Wirtschaft klassische Führungspositionen auf den Weltmärkten behaupten oder gar neue erobern kann. Wer innovative Ideen hat, verwirklicht diese nicht bei uns, sondern dort, wo es sich lohnt. Was uns bleibt, sind die Alten. Sie haben ein Vermögen auszugeben. Ihren Bedarf gilt es daher zu erkennen, zu wecken und zu befriedigen. Wir sind hier auf einem gutem Weg. Eine blühende Landschaft von Einrichtungen, in denen Alten Wohnraum, Service und Unterhaltung geboten wird, in denen sie Pflegeleistungen und medizinische Versorgung in Anspruch nehmen können, ist im Entstehen. Investoren und Arbeitnehmer dürfen diesen Trend, der sich in den kommenden Jahren rapide beschleunigen wird, nicht verschlafen. Schon heute fehlen in deutschen Altenheimen 20.000 Pflegekräfte. Die in dieser Branche Beschäftigten schieben neun Millionen Überstunden vor sich her. Die Überalterung wird auf Dauer einen Schlußstrich unter das Phänomen der Massenarbeitslosigkeit ermöglichen. Immer weniger Menschen werden im erwerbsfähigen Alter sein, immer mehr werden im Pflegesektor eine Beschäftigung finden. Die Früchte dieser Entwicklung vermögen wir jedoch nur zu ernten, wenn wir die Alten nicht als Belastung für den Sozialstaat diskreditieren, sondern als Kunden erkennen – und umwerben. Auch Menschen über 65 können auswandern. Der Altersstandort Deutschland muß attraktiv bleiben. Dazu gehören Sozialleistungen, die sich auf den ersten Blick nicht rechnen mögen. Unter dem Strich zahlen sie sich dann doch aus.