Die Evakuierung der deutschen Botschaft in Kabul war offenbar knapper als bisher bekannt. Wie der ARD-Journalist Kai Küstner berichtet, habe das Botschaftspersonal bereits am Freitag auf grünes Licht zur Evakuierung gewartet, allerdings vergeblich.
Weil es wirklich haarscharf war, hier nochmal ein Thread zur fast gescheiteren Evakuierung der deutschen Botschaft in #Kabul – und der Rolle des Auswärtigen Amts und von @HeikoMaas
— Kai Kuestner (@KuestnerK) August 17, 2021
In der benachbarten britischen Botschaft sei die Räumung dagegen schon im vollen Gange gewesen. Auch am Samstag gab es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin keine Anweisung und keine Erlaubnis zur Evakuierung. Und das, obwohl man vor Ort einen Transport mit Fahrzeugen zum Flughafen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr für möglich hielt. Am Sonntag morgen sei das Botschaftspersonal dann mit einem von der Bundespolizei abgesicherten Konvoi zur amerikanischen Botschaft gebracht worden.
Die Hilfe des US-Militärs erwähnte Maas nicht
Ob dies mit Zustimmung des Auswärtigen Amts geschah, ist nach Angaben Küstners offen. Den Transport der Deutschen von der US-Botschaft zum Flughafen übernahm dann das amerikanische Militär per Hubschrauber.
Am Sonntag teilte Außenminister Heiko Maas (SPD) auf Twitter mit: „Ich habe heute Morgen entschieden, das Personal der Botschaft Kabul zum militärischen Teil des Flughafens zu verlegen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dort inzwischen eingetroffen und stellen ihre Arbeitsfähigkeit her.“
Ich habe heute Morgen entschieden, das Personal der Botschaft #Kabul zum militärischen Teil des Flughafens zu verlegen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dort inzwischen eingetroffen und stellen ihre Arbeitsfähigkeit her. (1/2)
— Heiko Maas 🇪🇺 (@HeikoMaas) August 15, 2021
Was er an dieser Stelle nicht erwähnte, war, daß man dafür auf die Hilfe des US-Militärs angewiesen war, weil die Evakuierung so spät erfolgte.
Bleibt die Frage, was Heiko Maas am Freitag machte, als man in der deutschen Botschaft in Kabul mit Sorge die sich zuspitzende Situation beobachtet. Die Antwort liefert die Regionalpresse und der Bilder-Dienst picture alliance. Letzter zeigt Maas auf einigen Fotos bei einer SPD-Wahlveranstaltung im baden-württembergischen Denzlingen bei Freiburg.
Die Badische Zeitung schreibt über den nachmittäglichen Auftritt des Außenministers, er sei von den Vorgängen in Afghanistan, zu denen Maas sich auch äußerte, überschattet gewesen. Dennoch sei den gut hundert Gästen „ein in der SPD lange nicht mehr erlebtes Hochgefühl“ präsentiert worden.
„Wir sind mit unserem Olaf sehr froh“, habe der 54jährige zum neuen Lebensgefühl der Sozialdemokraten gesagt. Weiter berichtet das Blatt von der Veranstaltung, Maas habe „höhnisch“ die neuesten Umfrageergebnisse, nach denen die SPD gleichauf mit den Grünen liege, mit den Worten kommentiert: Jene, die sich des Sieges schon sicher glaubten, seien bereits mit dem Zollstock durch die Ministerien gewandert.
Maas dürfte damit sicher den Nerv des Denzlinger Wahlpublikums getroffen haben, doch zur gleichen Zeit, als der deutsche Außenminister um die Lacher der eigenen Anhängerschaft buhlte, warteten die Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Kabul laut ARD-Journalist Küstner immer noch vergeblich auf grünes Licht zur Evakuierung.