BERLIN. Die Hauptstadt Berlin soll einen zehnten Feiertag bekommen. „Die Frage ist nicht so sehr, ob wir einen solchen Feiertag bekommen, sondern eher welchen“, erklärte der Regierende Bürgermeister Michael Müller in der Tageszeitung Die Welt. „Es muß ein Tag sein, der eine politische Relevanz in unserer Geschichte hat“, betonte der SPD-Landeschef. In der Diskussion sind unter anderem der Auschwitz-Gedenktag am 27. Januar, der 8. Mai (Kriegsende in Europa), der 23. Mai als Tag des Grundgesetzes, die Wiedereinführung des 1991 abgeschafften 17. Juni (Volksaufstand in der DDR 1953) und der 9. November (Revolution 1918/NS-Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung 1938/Fall der Berliner Mauer 1989). Auch der 8. März (Frauentag), der 18. März (Märzrevolution 1848/Erste freie Wahlen in der DDR 1990), der 1. Juni (Weltkindertag) und der – von der AfD vergeblich vorgeschlagene – 31. Oktober (Reformationstag).
„Den 75. Jahrestag der Befreiung im Jahr 2020 zum Feiertag machen“
Die mitregierende Linke sperrt sich vehement gegen einen christlichen Feiertag. „Die Landesvorsitzenden von SPD, Grünen und Linker haben sich darauf verständigt, daß wir den 8. Mai zum Gedenktag und den 75. Jahrestag der Befreiung im Jahr 2020 zum Feiertag machen wollen“, sagte die in Heidelberg geborene Linken-Landeschefin Katina Schubert. Der 8. Mai war seit 1967 Feiertag in der DDR, wurde aber aus Kostengründen 1985 abgeschafft.
Wirtschaftsverbände und die oppositionelle FDP lehnen einen zehnten Feiertag für Berlin energisch ab: „Berlin mag zwar bei den Feiertagen Schlußlicht in Deutschland sein. Das ist das Land aber auch bei den wichtigen wirtschaftlichen Kennzahlen, wie etwa bei der Arbeitslosenquote“, sagte der aus Darmstadt stammende FDP-Abgeordnete Florian Swyter im RBB-Inforadio. „Solange wir da nicht aufgeholt haben, brauchen wir auch bei den Feiertagen nicht nachziehen“, so der Referent für betriebliche Altersversorgung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.
Wieviel kostet ein zusätzlicher arbeitsfreier Feiertag?
Swyter irrt aber gleich doppelt: Bremen (10,1 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (8,8 Prozent) liegen bei der Arbeitslosenquote vor Berlin (8,5 Prozent). Auch Erkenntnisse von Ökonomen der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg widersprechen der Polemik des Juristen Swyter. Die Wissenschaftler berechneten die möglichen die Wohlstandsverluste eines zusätzlichen arbeitsfreien Feiertages anläßlich der Einführung des Reformationstages in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Rein rechnerisch resultiert bei jährlich 250 Arbeitstagen ein Rückgang von 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In einer Studie auf der Grundlage von Daten der Bundesbank läßt sich ein Rückgang von nur 0,12 Prozent errechnen.
So kommt es bei unabwendbarer Bedarfsdeckung und kontinuierlicher Produktion sowie bei Aufgaben mit vorgegebenem Arbeitsanfall (Notfalldienste, Infrastruktur/Versorgung/Entsorgung, Verwaltung, Medien) zur Vor- und Nacharbeit sowie zu Schichtdiensten. Das Gast- und Hotelgewerbe lebt sogar von der Freizeit – Berlin noch mehr als anderswo. Überstunden und Mehrarbeit finden bei Selbständigen sowie bei Terminarbeiten statt. Schließlich steigen die Do-it-yourself-Umsätze in Baumärkten. Entsprechende Aufholeffekte reduzieren den rechnerischen Feiertagseffekt teils erheblich. Eine zeitliche Parallele mit den Schulferien führt zur vermehrten Inanspruchnahme von Brückentagen oder Kurzurlauben – die allerdings als Gegenposten im laufenden Jahr als Urlaubstage entfallen. Ein gesetzlicher Reformationstag wäre nach den Erkenntnissen der Hamburger Ökonomen also durchaus bezahlbar.
In Japan gibt es seit 2015 sogar 16 gesetzliche Feiertage
Die Industrie- und Universitätsstadt Augsburg ist durch das seit 1650 begangene Friedensfest am 8. August mit 14 Feiertagen einsamer Spitzenreiter in Deutschland, ohne daß die drittgrößte Kommune Bayerns dadurch zum Armenhaus verkommen ist. Auch ein Blick ins Ausland offenbart Erstaunliches: In den USA besitzen zwar nur zehn bundesweite Feiertage, aber dafür zahlreiche regionale arbeitsfreie Tage. In Japan gibt es seit 2015 sogar 16 gesetzliche Feiertage. Fällt dort ein Feiertag auf einen Sonntag, ist der darauffolgende Montag – ähnlich wie in den USA – arbeitsfrei. Zudem ist jeder Einzeltag, der zwischen zwei Feiertage fällt, im Land der aufgehenden Sonne arbeitsfrei. (fis)