Vorige Woche erzählt mir mein elfjähriger Sohn: In der Schule nehmen sie jetzt die Bundestagswahl durch. Die Schüler sollten Parteien gründen. Heraus kamen fünf Gruppierungen. Ihre Ziele? Unisono Umwelt-, Tierschutz und Kinderrechte in unterschiedlichen Variationen. Niedlich. Ich fragte meinen Sohn, ob nicht auch andere Themen behandelt worden seien. „Was denn?“ „Zum Beispiel die Staatsverschuldung.“ „Was ist Staatsverschuldung?“
Ich zeigte meinem Sohn die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler im Internet. „Das sind die Schulden, die Deutschland in den letzten Jahrzehnten aufgehäuft hat.“ Er las mit stockender Stimme: „Zwei Billionen, fünfundsiebzig Milliarden, siebenhundertfünfundsiebzig Millionen … Papa, die Zahl steigt ja dauernd! Achthundertsiebzig Euro pro Sekunde! Warum hält das keiner an?“
Das ist die Schlüsselfrage: Warum hält das keiner an? Warum leben wir seit Ende der sechziger Jahre über unsere Verhältnisse und geben in Bund, Ländern und Gemeinden mehr Geld aus, als wir einnehmen? Es werden Wahlen gewonnen, indem Wählern immer neue Wohltaten versprochen werden. Die jeweils Regierenden machten so weiter, weil sie wußten, daß die finanzielle Quittung für dieses Leben auf Pump andere begleichen müssen.
Wahlversprechen lösten sich 2009 in Luft auf
Die 2009 angetretene schwarz-gelbe Koalition hatte einen Kurs der Haushaltskonsolidierung und einer Entlastung der arbeitenden, steuerzahlenden Bürger angekündigt. Die großspurigen Versprechungen der FDP für ein „einfacheres, niedrigeres, gerechteres Steuersystem“ lösten sich gleich nach der Regierungsbildung in Luft auf. Die auf Dauer gestellte Euro-Krise mit ihren wiederkehrenden Wellen von Nachforderungen aus den südeuropäischen Pleitestaaten, die von Schäuble und Merkel heillos übereinandergestapelten „Rettungsschirme“ mit Haftungssummen in Billionenhöhe erstickten jede Reformbemühung im Inland.
Weitgehend vergessen ist, daß Merkel 2009 nur eine Mehrheit bekam, weil die FDP mit 14,6 Prozent ein historisches Höchstergebnis eingefahren hatte. Viele von der CDU enttäuschte Bürger hatten mangels Alternative aus nackter Verzweiflung die Westerwelle-Truppe angekreuzt, weil sie hofften, daß diese wenigstens im Bereich der Haushalts- und Steuerpolitik auf die Bremse treten würde. Die anschließende Enttäuschung ließ die FDP ins Bodenlose fallen.
Unionsparteien räumten grundlegende Positionen
Schwarz-Gelb hat das enge Zeitfenster nach der letzten Wahl, als die Regierungsparteien auch noch über eine Mehrheit im Bundesrat verfügten, nicht dazu genutzt, Fehlentwicklungen zu korrigieren, die unter der rot-grünen und der Großen Koalition beschlossen wurden. Im Gegenteil schwenkte die CDU mit ihrer „Berliner Erklärung“ vom Januar 2010 noch einmal nach links und öffnete sich programmatisch für schwarz-grüne Bündnisse. Im Folgenden wurden von Merkel Positionen geräumt, die zum Markenkern der Unionsparteien gehörten:
– Der später unrühmlich abgestürzte Verteidigungsminister zu Guttenberg kippte die Wehrpflicht. Ein Fehler, der die Bundeswehr schwer traf und der die prinzipielle Wehrbereitschaft der ganzen Nation in Frage stellt.
– Kapitulation vor dem linken Zeitgeist durch Relativierung des traditionellen Ehe- und Familienmodells.
– Im Schatten des Fukushima-Reaktorzwischenfalls exekutierte die Bundesregierung einen Hauruck-Ausstieg aus der Kernkraft und eine Milliarden verschlingende Energiewende, deren explodierende Kosten auf private Stromkunden abgewälzt werden.
– Schwarz-Gelb hatte nicht den Mut, aus absurden „Kampf gegen Rechts“-Projekten auszusteigen, in die der Bund jährlich viele Millionen Euro pumpt. Eine eingeführte „Extremismusklausel“ bezieht die Bekämpfung des Linksextremismus lediglich halbherzig ein.
– Schwarz-Gelb verdrängte die Herausforderung durch den demographischen Niedergang, die Mega-Krise unseres Volkes. Das Elterngeld führte nicht zu einem Anstieg der Geburtenrate. FDP und CDU/CSU führen stattdessen einen Überbietungswettbewerb mit der linken Opposition, wer Kleinkinder früher staatlich flächendeckend wegdelegiert.
– Die Einwanderung in die Sozialsysteme nimmt aktuell besorgniserregend zu, Schwarz-Gelb kaschiert die massiven Probleme durch Überfremdung und Islamisierung mit rot-grünen Multikulti-Phrasen einer „bunten Republik“. Der 1,5 Millionen Mal verkaufte Alarmruf „Deutschland schafft sich ab“ des SPD-Politikers Thilo Sarrazin setzte dieses Thema im August 2010 auf die politische Agenda – Merkel wischte es als „nicht hilfreich“ vom Tisch und unterstützte die Vertreibung Sarrazins aus dem Bundesbank-Präsidium.
Euro-Rettungspolitik kehrt in den Wahlkampf zurück
Dank eines Versprechers von Wolfgang Schäuble über erneute Hilfsmilliarden für Griechenland rückt zuletzt in der heißen Wahlkampfphase nun doch die abenteuerliche Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung in den Fokus. Bis jetzt gelang es Merkel, aufwallenden bürgerlichen Protest gegen die Politik des „Weiter so“ ins Leere laufen zu lassen oder mit Hilfe linksgestrickter Medien als indiskutabel aus dem Diskurs auszugrenzen. So, wenn Kritiker der Euro-Rettungspolitik pauschal als Nationalisten gebrandmarkt werden.
Doch nun wirbelt eine mächtige Unbekannte mit Macht den Bundestagswahlkampf durcheinander: Die erst im Frühjahr gestartete bürgerliche Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland (AfD) ist der Senkrechtstarter der politischen Szene. Noch nie haben sich in so kurzer Zeit so viele Bürger einer erst vor wenigen Monaten gegründeten Partei angeschlossen. Hinter der AfD sammeln sich keine gesellschaftlichen Außenseiter, sondern Teile der Elite des deutschen Mittelstandes und der Intelligenz. Die ersten Meinungsforscher schlagen Alarm. Es ist Wendezeit.
JF 36/13