Erzbischof Robert Zollitsch war bislang nicht dafür bekannt, daß er mit Donnerstimme den Gläubigen vorschrieb, wie sie sich an der Wahlurne zu verhalten haben. Um so unverständlicher, genauer: skandalöser, warum der Mann an der Spitze des Episkopats ausgerechnet im Fall des Polit-Neulings Alternative für Deutschland (AfD) jegliche Zurückhaltung fahren ließ.
Mit seiner Attacke gegen die AfD ignorierte er den Passus des Kirchenrechts von 1983, wonach die Kleriker alles zu vermeiden haben, was dem klerikalen Stand fremd ist. Warnungen vor Parteien, solange diese die sittliche Ordnung nicht gefährden, gehören nicht zu den Aufgaben kirchlicher Amtsträger.
Es gibt immer eine Alternative
Zumal Katholiken in politischen Fragen zu unterschiedlichen Antworten kommen können; dem Konzils-Euphoriker Zollitsch sollte das nicht unbekannt sein. Er sieht „keine Alternative zum Euro“, denn die gemeinsame Währung „zwingt uns, weiter zusammen zu kommen“. Was für eine Torheit!
Erstens gibt es immer eine Alternative. Wer „alternativlos“ sagt, verteidigt lediglich eine Politik des sterilen „Weiter so“, er will betrügen. Zweitens hat eine Währungsunion der Ungleichen die europäischen Nationen eher auseinander dividiert als zusammengeführt; Euro-Kritiker mit Europa-Gegnern in einen Topf zu werfen, ist eine Perfidie, der eines Mannes der Kirche unwürdig ist.
Drittens offenbart Zollitschs Aussage, „daß unsere Zukunft in Europa liegt und nicht in der Rückkehr in die Nationalstaaten“, zusammen mit seiner Hoffnung, „daß wir diese Frage auf Dauer überwunden haben“ einen bemerkenswerten Realitätsverlust. Die Nationalstaaten haben bislang Demokratie (und nicht zuletzt auch Religionsfreiheit“) gesichert, zu ihrer „Überwindung“ versteigen sich, gottlob, nur wenige politische Phantasten.
Einfluß einer politisch aggressiven Homo-Lobby
Viertens läßt die Weigerung des Erzbischofs, sich wegen der unqualifizierten Attacke gegen die AfD zu entschuldigen, oder wenigstens eine differenziertere Position hinterher zu schicken, auf mangelnde Souveränität schließen – vielleicht ist das auch nur schlechter Beratung geschuldet.
Wie auch immer: Von Zollitsch hätte man gegen Ende seiner Amtszeit als Bischofskonferenz-Vorsitzender eher Warnungen vor politischen Kräften erwartet, die eine krude Politik der Gleichmacherei propagieren und das traditionelle Bild von Ehe und Familie relativeren, nicht zuletzt unter dem Einfluß einer politisch aggressiven Homo-Lobby. Dazu ist es nicht gekommen. Schade. Das sagt einiges aus über den Zustand der katholischen Kirche in Deutschland. Und über ihre (kritiklose) Verbindung mit den etablierten Parteien.