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Es wird doch nicht alles gut

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Es wird doch nicht alles gut

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Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

Nun kam es aus verschiedenen Gründen dazu, daß ich montagmorgens am Heidelberger Hauptbahnhof aus dem Nachtzug ausgestiegen bin. Ich hatte mir das Abteil mit einem asiatischen Pärchen geteilt, das außerordentlich höflich war. Darum reagierte ich mit dem Maximum an mir möglicher Liebenswürdigkeit, was sie – meine ich – noch freundlicher machte. Wir verbeugten uns sehr häufig und bekundeten mehrfach, daß uns dieses oder jenes Verhalten des anderen keineswegs stören würde, also Licht ausschalten, Fenster öffnen, Türe schließen oder Vorhang zuziehen. Das hat fünf Minuten gedauert, dann haben sie sich leise in ihrer Sprache unterhalten, ich bin eingeschlafen und nach Heidelberg gefahren.

Dort habe ich mir dann ein Bett im billigsten Rucksackhotel der Stadt gemietet und mein Frühstück eingenommen. Die niedrigen Preise sind deshalb möglich, weil die Pension mit sehr wenig Personal geführt wird. Darum haben die Betreiber Schilder im Speiseraum aufgehängt, auf denen sie ihre Gäste auffordern, ihr Geschirr selbst abzuspülen. Ich folgte also meinem inneren Zwang, Anweisungen auf Schildern zu befolgen und ging mit Tasse, Teller und Messer zur Spüle, wo sich gerade eine Gruppe von südamerikanischen Studenten anschickte, ihre Unmengen an Geschirr zu säubern.

Als ein besonders keckes Mädchen dieser Gruppe mich kommen sah, deutete sie auf die Spüle und sagte „you first, you first“, damit ich nicht warten muß. Erneut kamen die gegenseitigen Verbeugungen, Dankesbekundungen und dieses deutliche Wohlbefinden, was sich im Umfeld höflicher und hilfsbereiter Menschen einstellt. Ich beeilte mich beim Spülen und verließ das Hotel, um meinem Tagesgeschäft nachzugehen.

Als Sozialromantiker eingeschlummert, in der Realität aufgewacht

Bevor ich am Abend in die Pension zurückkehrte, ging ich in einen nahegelegenen Supermarkt, um mich mit schlichten Speisen einzudecken. Dort stand ich nun mit drei Teilen hinter drei Nordafrikanern mit drei voll beladenen Einkaufswagen in der Schlange an der Kasse und verdrehte innerlich die Augen, weil ich jetzt bestimmt zehn Minuten würde warten müssen. Als einer von ihnen meiner gewahr wurde, machte er seine Kollegen auf mich aufmerksam und forderte mich höflich auf, doch bitteschön vorzugehen, ich hätte ja nur drei Teile. Danke, keine Ursache, alles Gute, auf Wiedersehen, wir waren dann wieder sehr liebenswürdig.

Erschöpft von der nächtlichen Fahrt und dem langen Tag bin ich dann als Sozialromantiker eingeschlafen. Als ich am nächsten Morgen nach dem Frühstück gesehen habe, daß jemand seinen ungespülten Teller stehen gelassen hatte, ging’s schon wieder. Wird doch nicht alles gut.

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