BERLIN. Nach dem Entzug ihres Doktortitels sieht sich Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) mit immer lauter werdenden Rücktrittsforderungen konfrontiert. Schavan sei als Wissenschaftsministerin nicht mehr glaubwürdig, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles der Welt. „Sie muß daraus ihre Konsequenzen ziehen.“
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, sprach gegenüber dem Tagesspiegel von einer „groben Mißachtung wissenschaftlicher Regeln“. Die Ministerin sei nicht mehr tragbar. „Ich gehe davon aus, daß Frau Schavan sich und der Wissenschaft die Verlängerung dieser Affäre erspart und ihren Rücktritt erklärt“, betonte Künast.
CDU nimmt Ministerin in Schutz
Auch Linkspartei und Piraten forderten Konsequenzen. „Wer für Bildung und Forschung zuständig ist, wird immer eine Vorbildrolle einnehmen“, unterstrich die bildungspolitische Sprecherin der Linkspartei, Petra Sitte. Der politische Geschäftsführer der Piraten, Johannes Ponader sagte: „Der Rücktritt von Frau Schavan ist überfällig. Die Grundlage von aufrichtiger Politik ist Glaubwürdigkeit. Diese Glaubwürdigkeit kann Frau Schavan nicht länger verkörpern.“
Die CDU nahm die Bildungsministerin dagegen in Schutz. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Kretschmer(CDU), sprach von einer politisch motivierte Kampagne. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschuß, Ruprecht Polenz (CDU), lehnte politische Konsequenzen zum derzeitigen Zeitpunkt ab und mahnte, die juristische Überprüfung der Entscheidung der Universität Düsseldorf abzuwarten. „Andernfalls hätte eine möglicherweise rechtswidrige Fakultätsentscheidung nicht mehr korrigierbare Folgen“, schrieb er auf Facebook.
Schavan schließt Rücktritt aus
Der Fakultätsrat der Universität Düsseldorf hatte Schavan am Dienstag den Doktortitel entzogen. Ihre Dissertation enthalte „in bedeutendem Umfang nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte“, begründete das Gremium seine Entscheidung. Die damalige Doktorandin habe „systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen“ vorgegeben, „die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte.“ Der Rat entschied sich mit 13 Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen für die Aberkennung der Doktorwürde.
Schavan schloß einen Rücktritt unterdessen aus. Über ihre Anwälte ließ sie mitteilen, juristisch gegen die Entscheidung der Universität vorzugehen: „Die Entscheidung ist in einem fehlerhaften Verfahren zustande gekommen und sie ist auch materiell rechtswidrig.“ Eine Täuschung habe es nicht gegeben, teilten die Juristen mit.
Scharfe Kritikerin von Karl-Theodor zu Guttenberg
Bei der Diskussion um die Doktorarbeit des ehemaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte Schavan 2011 den CSU-Politiker scharf kritisiert: „Raubkopien sind kein Kavaliersdelikt. Und der Schutz geistigen Eigentums ist ein hohes Gut“, sagte sie damals. Als Wissenschaftlerin, die vor 30 Jahren selbst promoviert habe, schäme sie sich „nicht nur heimlich“. (ho)