Die Börse mag zwar gelegentlich überreagieren, aber sie irrt nie. Der weltweite Kursrutsch der Aktien, der anhaltende Anstieg des Goldpreises und die kaum aufhaltbare Verteuerung des Schweizer Franken sind Ausdruck der Zukunftserwartungen der Menschen – soweit sie freie Entscheidungen treffen und sich einem staatlichen Diktat entziehen können. Die nur scheinbar panikartigen Reaktionen auf den Aktien-, Devisen-, Edelmetallmärkten offenbaren eine zweite Lehre: Die Menschen lassen sich nicht dauerhaft täuschen.
Daher kann beispielsweise die regierungsseitige Verwunderung über die erneute Krise der hochverschuldeten Euro-Teilnehmerstaaten, die doch gerade dauerhaft gerettet wurden, selbst wiederum nur verwundern. Zwischen Gesundreden und tatsächlich Gesunden besteht kein zwangsläufiger Zusammenhang. In der imaginären Welt der Politiker medial erzeugte Seifenblasen zerplatzen über kurz oder lang am Felsen der Realität.
Psychologie ist zweifellos ein wichtiger Faktor der Wirtschaft. Wer optimistisch in die Zukunft schaut, ist produktiver. Wer über die kommende Entwicklung nur Trübsal blasen kann, verstärkt den Abschwung. Der Niedergang der sozialistischen Planwirtschaften bietet ein überzeugendes Beispiel, das den Menschen in Erinnerung bleibt, auch wenn in den öffentlich-rechtlichen Medien kaum noch daran erinnert wird. Mit rein psychologischer Propaganda läßt sich jedoch kein Stimmungsumschwung erzeugen. Auch da bietet der Sozialismus beispielhafte Erfahrungen. Gerade im wirtschaftlichen Bereich folgt die süßliche Psyche den sauren Fakten, denn der Mensch kann nicht allein von der guten Laune leben; sei sie auch noch so heftig verordnet.
Statistische Fakten
Wie aber ist das mit dem aktuellen Wirtschaftsaufschwung in Deutschland in Einklang zu bringen? Der müßte doch die positive Einschätzung der wirtschaftlichen Zukunft verstärken. Der Kursverfall der Aktien widerspiegelt jedoch das Gegenteil. Der Aktienkurs richtet sich nach den künftigen Gewinnerwartungen, die den jeweiligen Unternehmen unterstellt werden. Offensichtlich sind diese Gewinnerwartungen weltweit eingetrübt, nicht nur in den Krisenstaaten der Eurozone oder in den gerade noch knapp vor Zahlungsunfähigkeit bewahrten USA, sondern auch in Deutschland. Dabei verzeichnet die deutsche Wirtschaft angeblich doch den größten Wirtschaftsaufschwung seit der Vereinigung mit der DDR? Hier läßt sich jedoch die psychologisch motivierte Überzeichnung mit einem nüchternen Blick auf die Wirklichkeit schnell enttarnen.
Der momentane deutsche Wirtschaftsaufschwung ist durch Sondereinflüsse gekennzeichnet, die keinen dauerhaften Bestand haben. Zum einen spielen statistische Banalitäten eine Rolle. Nach dem Absturz der Wirtschaft im Zuge der Lehmann-Pleite basierte der Neustart auf extrem niedrigen Basiswerten. So sank das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2009 gegenüber dem Vorjahr um 4,7 Prozent. Der oberflächlich beeindruckende Anstieg im letzten Jahr um 3,6 Prozent hat also nicht wieder das wirtschaftliche Niveau von 2008 erzeugt.
Selbst wenn in diesem Jahr die optimistische Wachstumsprognose von 2,6 Prozent erreicht würde, läge im Vergleich zum Jahr 2008 gerade einmal ein Gesamtwachstum von 1,3 Prozent vor. Das ergibt eine durchschnittliche Jahreswachstumsrate von 0,4 Prozent. Maximal in diesen Größenordnungen erwarten Nichtpolitiker die wirtschaftliche Entwicklung der kommenden Jahre. Sie lassen sich nicht durch aktuell hochrechnende Aufholprozesse blenden.
Absehbares Ende der Sonderumsätze
Eine zweite Sonderentwicklung zeigt sich im Bereich des Außenhandels. Die Exportaufträge der deutschen Industrie waren im Krisenjahr 2009 extrem um 26 Prozent eingebrochen, im Jahr darauf wieder um 29 Prozent angestiegen. In diesem Jahr ist ein scharfer Rückgang der Aufholjagt festzustellen. Vom Höchststand der Auslandsaufträge aus dem Jahr 2007 ist Deutschland weit entfernt. Schon jetzt aber ist ein Ende des Exportbooms absehbar. Die Verschärfung der weltweiten Wirtschaftskrise erwischt in voller Stärke den deutschen Export, der das Rückgrat der Wirtschaft bildet. Mit den positiven Zahlen dürfte damit auf absehbare Zeit Schluß sein.
Entfällt das Wirtschaftswachstum, sind aber auch alle Regierungspläne zur Beendigung der Staatsverschuldung wertlose Phantastereien. Wenn es schon im angeblich besten Wirtschaftsjahr seit 20 Jahren nicht gelingt, einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorzulegen, wann denn dann? Darauf zu vertrauen, daß in den kommenden Jahren keine Hausbelastungen mehr durch weitere Euro-Rettungsmaßnahmen entstehen, hieße die regierungsamtliche Traumwelt in einen Komastatus zu versetzen. Die Menschen wissen das. Sie sind nicht so dumm, wie es die Politiker scheinbar gerne hätten.