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Die Wiedergeburt der Entente cordiale

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Die Scham- und Bedenkenträger sind wieder unter uns: Diesmal ist es die Scham darüber, daß Deutschland in Libyen nicht für die Rechte der „Menschen in Libyen“ mitbombt. An der Spitze dieser medial hofierten Klageweiber steht mit Klaus Naumann, dem Ex-Chef des NATO-Militärausschusses, bezeichnenderweise ein ehemaliger Bundeswehrgeneral, der derzeit jedem, der ein Mikrophon vor ihm aufbaut, erklärt, er schäme sich für Haltung seines Landes, das seine „Freiheit und seinen Wohlstand auch der Bereitschaft seiner Verbündeten verdankt, für die Deutschen einzutreten“.

Womöglich bedauert es Naumann, nicht mehr Vorsitzender des NATO-Miltärausschusses zu sein; in seine Amtszeit fiel nämlich der sogenannte Kosovokrieg, in dem die „westliche Wertegemeinschaft“ unsterblichen Ruhm auf ihre Fahnen heftete, als sie das Balkan-Monster Slobodan Miloševi? mittels Hightech-Kampfjets wie weiland Siegfried den Drachen in die Knie zwang. Naumann indes steht beileibe nicht allein. Die FAZ sieht sogar, horribile dictu, einen neuen „deutschen Sonderweg“, von dem wir alle nur zu genau wissen, wo er endet.

Die Menschlichkeit will es

Alle diese Kritiker müssen sich fragen lassen, wie es um ihr Urteilsvermögen bestellt ist. Mehr und mehr zeichnet sich nämlich ab, daß die neue Entente cordiale, bestehend aus Frankreich sowie Großbritannien und vor allem den USA, Ziele verfolgt, die ausschließlich in der Rationalität ihrer geostrategischen Interessen liegen. An der Spitze der Kreuzzügler im Namen von Freiheit und Menschenrechte (Die Menschlichkeit will es!) steht diesmal allerdings kein US-Präsident, sondern der französische Staatspräsident Sarkozy, der mit Blick auf die Luftschläge in Libyen erklärte: „Jeder Herrscher muß verstehen, und vor allem jeder arabische Herrscher muß verstehen, daß die Reaktion der internationalen Gemeinschaft und Europas von nun an jedes Mal die gleiche sein wird.“

Das ist die Ankündigung einer beliebigen „Ausweitung der Kampfzone“, so wie es die neue Entente cordiale, die hier selbstverständlich stellvertretend für den Rest der „Gemeinschaft“ meint sprechen zu können, gerade für richtig erachtet. Diese Erklärung kommt einer Selbstermächtigung gleich, die auf einen Paninterventionismus im Namen der Ideen von 1789 hinausläuft. Wer bei diesem Kreuzzug nicht mittun will, läuft Gefahr als „Beschwichtigungspolitiker“ an den Pranger gestellt zu werden.

„Union für das Mittelmeer“

Im Fall Libyen wollte die neue Entente cordiale, nachdem sich von den Vorgängen in Ägypten und Tunesien offensichtlich überrascht wurde, nicht mehr zuschauen. Der „Volkswille“ könnte womöglich eine falsche, unerwünschte Richtung einschlagen. Ziel ist einmal, in Libyen eine der Entente gewogene Regierung an die Macht zu bringen, die bei einer Neuverteilung der Erdölressourcen die Kreuzzügler der „Wertegemeinschaft“ entsprechend „belohnt“. Zum anderen eröffnet sich die Möglichkeit, von Libyen aus Einfluß auf die gesamte Region zu nehmen. Wohl vor allem deshalb haben die USA, die diesmal aus „Image-Gründen“ im Hintergrund bleiben wollen, Frankreich im UN-Sicherheitsrat unterstützt.

Für Sarkozy eröffnen sich aber noch ganz andere Möglichkeiten, kann er doch seine „Union für das Mittelmeer“ wieder ins Spiel bringen, die bisher vor allem aufgrund des deutschen Widerstands Stückwerk geblieben ist. Ein einflußreicher Kritiker dieser „Union“ auf nordafrikanischer Seite war ja bisher der „wahnsinnige“ Gaddafi, der der EU vorwarf, mit dieser Union den Spaltpilz in Organisationen wie die Arabische Liga und die Afrikanische Union hineintragen zu wollen.

Die Deutschen werden zahlen

Bisher dümpelte diese Union wegen Unterfinanzierung vor sich hin. Wenn aber der Maghreb im Sinne der neuen Entente cordiale befriedet sein wird, werden hier die Karten mit Sicherheit neu gemischt. Neu gemischt heißt: Mit dem Hinweis darauf, daß die EU diesen Staaten, die nun auf einem „demokratischen Weg“ seien, „substantiell“ helfen müsse, wird Geld fließen, und zwar viel Geld, um Demokratie und Wirtschaft in diesen Staaten zu stabilisieren und an „westliche Standards“ heranzuführen.

Wer hier vor allem zur Kasse gebeten werden dürfte, ist unschwer zu erkennen, nämlich Deutschland. Und wenn sich Deutschland widerspenstig zeigt, wird ein Argument auf jeden Fall „hilfreich“ sein: Sarkozy verfolgt – neben der Sicherung und dem Ausbau des französischen Einflusses in der Maghrebzone – mit seiner „Union“, deren Aufbau er gerne nach dem Vorbild der EU vorangetrieben sehen möchte, unter anderem das Ziel, den Friedensprozeß zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn zu forcieren.

Finanzielle Erdrosselung Deutschlands

„Demokratisch bereinigte“ arabische Staaten böten ideale Möglichkeiten, diesem Prozeß die gewünschte Dynamik zu verleihen. Spätestens dann werden deutsche Politiker, die ja unentwegt davon reden, für das „Existenzrecht Israels“ einzustehen, alles unterschreiben, was die neue Entente cordiale ihnen zum Abwinken vorlegt.

Dem Ziel der schleichenden finanziellen Strangulierung des lästigen Rivalen Deutschland – in aller Freundschaft, versteht sich – wäre Sarkozy, der gerade erfolgreich die Implementierung des Euro-Schutzschirms vor allem auf deutsche Kosten betrieben hat, einen weiteren Schritt nähergekommen.

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