Blickt man zum Wochenende auf das Titelblatt des Nordkurier, der mittlerweile in Schwerin „outgesourct“ produzierten Zeitung für den Ex-DDR-Bezirk Neubrandenburg, so entdeckt man zwei symptomatische Meldungen: Die Universität Greifswald ist stolz darauf, als erste Hochschule in Deutschland das Tragen von „Thor-Steinar-Kleidungsstücken“ verboten zu haben.
„Wir haben dafür extra die Hausordnung verändert“, lobt sich Jan Messerschmidt, der Sprecher der Uni. Schließlich soll sogar ein Jura-Dozent mit der Kleidung gesehen worden sein!
Und weil das Verbot ein so wichtiger politischer Rekord für die ganze Bundesrepublik ist, zog die Fachhochschule Neubrandenburg gleich nach. Auch dort hat man jetzt auf Kleidungsvorschriften zu achten! Zwei Hochschulen also schon Thor-Steinar-frei! Und andere werden sicher noch folgen. Kultusminister und Ex-DDR-Lehrer Henry Tesch begrüßt „diesen ersten Schritt der Universität Greifswald, hier eine Möglichkeit geschaffen zu haben, auch über das Hausrecht diesen Erscheinungen Einhalt zu gebieten.“
Wieder ein Sieg für die Demokratie!
Diesen Erscheinungen Einhalt zu gebieten! Mecklenburg-Vorpommern gilt nämlich der eigenen Landesregierung als latent nazigefährdete Zone. Je weiter nordöstlich, um so ängstlicher fürchtet die Politik die NPD, die auf den Pausenplätzen CDs verteilt und Kinderfeste mit selbst gebackenem Kuchen und Hüpfburgen organisiert. Diese vergleichsweise friedlichen Methoden gelten gerade als besonders perfide und ausgebufft. „Geistige Kinderschänder!“, ruft lautstark das Innenministerium.
Man versucht dem vorzugsweise juristisch und ordnungspolitisch entgegenzutreten und ist heilfroh, wenn man dem Bösen mal wieder mit einer einstweiligen Verfügung oder hochgesetzten Saalmieten ein Schnippchen schlagen konnte. Wieder ein Sieg für die Demokratie!
Es wird den Redakteuren für die erste Seite des Nordkuriers nicht bewußt gewesen sein, daß eine zweite Meldung, die sie sich über dpa hineinkopierten, direkt mit der Hauptnachricht von der couragierten Greifswalder Uni korrespondiert. Dort heißt es, daß das Vertrauen der Menschen in die Politik in „MV“ auf einen neuen Tiefstwert gesunken wäre. Eine Langzeitstudie der Gesellschaft für Konsumforschung belege, 77 Prozent der Befragten sähen die Politiker als mit ihren Aufgaben überfordert an. 2009 wären es dagegen nur 58 Prozent gewesen!
Vergebliches Warten auf eine offene Diskussion
Auch deswegen gibt es in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur Mathias Brodkorb von „Endstation rechts“, der mit vielen informellen Mitarbeitern über rechte Gefahren wacht und sich schon über die Storch-Heinar-Satire als wackerer Pfiffikus auswies, sondern sogar politische Missionare, die in einem Bus zu den Leuten kommen und ihnen erklären, dass sie demokratisch alle Möglichkeiten haben, ihr Leben in diesem wunderschönen Bundesland zu verbessern, trotz und gegen die allgegenwärtige Nazigefährdung.
Wie wäre es, wenn sich die argumentationserprobten Mecklenburger Demokraten mal in einer Podiumsdiskussion mit den Rechten auseinandersetzten? Man müßte ja nicht gleich die NPD einladen. Vertreter der geschmähten Neuen Rechten reichten ja aus. So kompetent und argumentativ gerüstet die Vertreter der Leitbehörden sind, müßten sie die Demagogen doch locker vorführen können, gerade weil das Land sich auf einem echten Erfolgskurs sieht. Man wartet wohl vergebens auf eine polemische Auseinandersetzung, die jeden zu Wort kommen läßt.