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Durst und Boden

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Mecklenburg verdorrt. Seit Jahren ist die Niederschlags- und damit die Grundwasserbilanz negativ. Es gibt Monate, in denen zwischen März und September kaum mehr ein Millimeter Niederschlag fällt. Prognosen gehen von Versteppungstendenzen aus, deren Folgen schon jetzt offensichtlich sind.

Aber das kümmert die Freizeitgesellschaft nicht. Im Gegenteil: Hauptsache heiß wie in Florida, Hauptsache Sonne! Regen, früher von Landwirten außerhalb der Erntezeit immer ersehnt, gilt als Ungemach, als unwillkommene Unterbrechung touristischer Prospekt- und Werbevorstellungen. Die Hitze ist genau das Richtige für Events an Seenplatte und Ostsee. Für die Erlebnisgastronomie ist es abends ja noch kühl genug. Und die Stranddisco beginnt erst nachts.

Die Dörfer selbst leben schon seit Mitte der neunziger Jahre nicht mehr, da dank hochtechnisierter Großflächenwirtschaft der Anteil der landwirtschaftlich Beschäftigten von 1991 bis 2007 schon um fünfzig Prozent zurückging. Volksrepublik Exklusion: Die Landbevölkerung verdämmert abgehängt in Discounter- und Medien-Konsumtion. Der Zigarettenautomat funktioniert noch bei Volljährigkeitsbeweis, alles andere hat dicht. Ein-Euro-Jobber mähen mit behördlichen Motorsensen die Straßenränder ab und beschneiden die Schlehenhecken der längst unbenutzten Wege ins Nirgendwo.

Artenvielfalt von Flora und Fauna verarmt

Die Stahlsskelette der alten LPG-Hallen und Technikstützpunkte rotten vor sich hin, daneben funkeln neue Getreide- und Rapssilos agrarischer Großinvestoren wie vorübergehend gelandete UFOs, die mit Sensoren Überlebensbedingungen prüfen. PIONEER-Raps bis zum Horizont, PIONEER-Mais hinterm Horizont – amerikanischer Mittelwesten mitten in Mecklenburg. Hochleistungsrinder weiden sortenreines Gras für billige Discountermilch ab. Allein mit Menge und Masse läuft es effizient und profitabel.

Neuerdings wird, unterstützt von der grünen Lobby, auf riesigen Schlägen sogenannter Grün- statt Körnerroggen angebaut und schon im Frühsommer unreif als reine Biomasse geschnitten, die zu Bio-Sprit, Bio-Diesel, Bio-Gas verarbeitet wird.  Stoppelfelder also schon im Mai und Juni, die dann mit stinkender Schweinemast-Gülle schwarz eingeschlemmt werden, damit ordentlich Nitrat für die nächste Fuhre im Boden bereitsteht.

Gesät wird neuerdings, ohne vorher zu pflügen, Grubbern reicht. Alles „just in time“, alles „Bio-“, alles gut! Dadurch sind die Stillegungsflächen der neunziger Jahre wieder in den kapitalerträglichen Reproduktionskreislauf einbezogen. Kartoffel-, Rüben-, Gemüseanbau muß man suchen. Die Artenvielfalt von Flora und Fauna verarmt, die Bodenwertzahlen verschlechtern sich.

Lehrer mit der Sense

Dieses Jahr lieh ich mir Schafe für die dreitausend Quadratmeter ursprünglich feuchter, satter Wiese hinter der Scheune; eigentlich um mir das stumpfsinnige Rasenmähen zu sparen, bei dem Gras nur als Abfall anfällt. Ich besserte den Stall aus und streute ihn ein. Die Tiere wuchsen mir ans Herz, wie das mit lebendigen Wesen eben so ist.

Aber der Erfolg: Die paar Schafe haben die ganze Wiese abgefressen, und wegen der Dürre wächst nichts nach, so daß ich gezwungen bin, mit der Sense zu den Nachbarn zu gehe und ihnen anzubieten, die großen Grundstücke ihrer einstigen Bauernwirtschaften zu mähen, um mir Grünfutter zu besorgen.

Eine „Win-Win-Situation“: Ich mähe den Leuten in einer Kraftsportaktion das Gras ab, damit meine armen blökenden Schafe frisches Futter bekommen. Die Nachbarn sind dankbar und bieten mir schnell mal ein kaltes Pils an. Da kommt man wenigstens wieder ins Gespräch: Der Lehrer mit der Sense und die alten, arbeitslosen Bauern! So stehen wir in der Hitze, prosten einander schwitzend zu und wundern uns. „Landwirtschaft“, sagte heute morgen nach meiner Mahd einer zu mir, „die gibt’s doch gar nicht mehr. Die betreibst jetzt nur noch du.“

Und ich zitierte schnell ´mal Theodor Storms „Regentrude“: Dunst ist die Welle,/Staub ist die Quelle!/Stumm sind die Wälder,/Feuermann tanzet über die Felder!//Nimm dich in acht!/Eh du erwacht,/holt dich die Mutter/Heim in die Nacht!

Ob die Regentrude wirklich noch lebt, das hatte mich schon als Kind interessiert.

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