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Ein Fernsehstar als Retter der SED

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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Mit dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur in Mitteldeutschland schien auch das Ende der DDR-Staatspartei SED besiegelt zu sein. Zu stark war die Belastung der Partei, in der viele das Symbol der Unterdrückung sahen. So wurde Ende 1989 der Ruf nach der Auflösung der SED keineswegs nur auf den Massendemonstrationen laut. Auch ein großer Teil der ehemaligen Funktionseliten des Regimes glaubte nicht mehr an die Zukunft ihrer Organisation. Als im Dezember 1989 der Außerordentliche Parteitag der SED in Berlin stattfand, plädierten viele dafür, die Partei aufzulösen.

Doch es kam bekanntlich anders. Bereits in den neunziger Jahren avancierte die in PDS umbenannte Partei in Mitteldeutschland zum Koalitionspartner der SPD. Wie war dies trotz der immensen historischen Belastungen möglich? Die Antwort auf diese Frage ist untrennbar mit dem Namen des langjährigen Parteivorsitzenden Gregor Gysi verbunden, der vergangene Woche in der Berliner Urania eine politische Bilanz der letzten 20 Jahre zog und den Weg „von der DDR-Staatspartei zur BRD-Oppositionspartei“ nachzeichnete.

Eine der wichtigsten Aufgaben der SED unter Führung des scheinbar unbelasteten Anwalts Gysi mußte 1989 zunächst darin bestehen, die Verantwortung der belasteten Staatspartei möglichst zu verkleinern. Dabei bot sich sowohl der Verweis auf die zentrale Rolle der sowjetischen Besatzungsmacht als auch auf die vermeintliche Hauptschuld des Westens an der Spaltung Deutschlands an. Auch Gysi sparte nicht mit Verweisen auf die Währungsreform von 1948 und die Gründung der Bundesrepublik. Erst danach seien – so Gysi – die mitteldeutschen Länder fest „in das stalinistische System“ eingebunden worden.

Auf der Grundlage dieser ideologischen Verklärung fiel es der PDS bereits 1990 vergleichsweise leicht, die Schuld der eigenen Partei durch den Verweis zu relativieren, daß alle wichtigen Entscheidungen in Moskau getroffen worden seien. Hatte die SED bis 1989 stets ihre eigenständige Rolle betont, wurden nunmehr nahezu alle Menschenrechtsverletzungen in der DDR auf Anweisungen der sowjetischen Staats- und Parteiführung zurückgeführt.

Schon daher bemühte sich die PDS bereits unmittelbar nach der Wiedervereinigung darum, die eingeleiteten Ermittlungen gegen ehemalige SED-Funktionäre als vermeintliche „Siegerjustiz des Westens“ zu brandmarken. Auch jetzt verwies Gysi darauf, daß aus seiner Sicht die Prozesse gegen die Mitglieder des SED-Politbüros wegen der Todesschüsse an der Berliner Mauer von Anfang an fragwürdig gewesen seien. Auch dafür habe letztlich die zentrale Verantwortung in Moskau gelegen. Zudem verwahrte sich Gysi dagegen, die DDR als „Unrechtsstaat“ zu bezeichnen. 

Freilich verteidigte die PDS nicht nur die alten Kader, sondern betrachtete sich auch nach 1989 weiterhin als ihr politisches Sammelbecken. Um die Integration der SED-Funktionäre in die „neue Partei“ zu rechtfertigen, setzte sie gezielt auf Ängste, die zu dieser Zeit bei westdeutschen Linken kursierten. Denn dort gab es schon Ende 1989 Befürchtungen, daß es in Mitteldeutschland zu einem „Rechtsruck“ kommen könne.

Entsprechend behauptete Gysi, daß sich bereits beim Jahreswechsel 1989/90 „die Gefahr des Abdriftens ehemaliger Funktionseliten in den Rechtsextremismus“ gezeigt habe. So seien die ersten Verbände der Republikaner in der DDR von Offizieren der Volkspartei und der Nationalen Volksarmee sowie von Professoren für Marxismus-Leninismus gegründet worden. Schon aus diesen Gründen sei es notwendig gewesen, die ehemaligen kommunistischen Eliten nicht aus der PDS auszugrenzen.

Einen erheblichen Anteil beim Überleben der PDS spielten zweifellos auch die regelmäßigen Fernsehauftritte Gysis. Während die Partei von den öffentlich-rechtlichen Kanälen zunächst noch ignoriert wurde, konnte Gysi bereits in den ersten Monaten des Jahres 1990 mehrfach an Diskussionsrunden privater Sender teilnehmen. Auf diese Weise wurde die anfänglich von den westdeutschen Parteien angestrebte Ausgrenzung der PDS unterlaufen. Schnell setzte sich die Meinung durch, daß „man die PDS nicht wie die Republikaner behandeln“ dürfe, sagte Gysi.    

Neben der vermeintlichen Bedrohung durch einen aus dem Westen importierten Rechtsextremismus setzte die PDS vor allem auf zwei Themen: die Frage des „Friedens“ sowie die Stellung der Mitteldeutschen innerhalb der gesamtdeutschen Gesellschaft. Allerdings führte dies dazu, daß die ehemalige SED zunächst nur im Osten Wahlerfolge erringen konnte. Erst die rot-grüne Koalition und die Diskussion um die Agenda 2010 gab der PDS auch im Westen Auftrieb.

Denn nun konnte sie sich als einzige linke Oppositionspartei im Bundestag etwa gegen den „völkerrechtswidrigen Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan“ sowie gegen Hartz IV präsentieren, verdeutlichte Gysi. Auch mit der Vereinigung von WASG und PDS zur Linkspartei veränderte sich der Charakter der Gesamtorganisation nicht. Weiterhin setzt sie sich zum größten Teil aus alten SED-Mitgliedern zusammen. Die Enttarnung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter unter Politikern der Linkspartei in Brandenburg ist dafür nur ein Beleg. Gysi bemerkte dazu lediglich, daß die Partei in Brandenburg „fürchterlich auf die Schnauze gefallen“ sei.

Er ahnt wohl, daß der bevorstehende Führungs- und Generationswechsel seiner Partei unruhige Zeiten bescheren könnte. An der Richtigkeit ihrer Mission und den Erfolgsaussichten hat er indes keinen Zweifel. Zwar sei der undemokratische Sozialismus 1989/90 nicht reformierbar gewesen. Doch inzwischen habe sich längst gezeigt, daß auch der „westliche Finanzkapitalismus“ am Ende sei. Und so beschwor Gysi wieder einmal eine „demokratische sozialistische Gesellschaftsordnung der Zukunft“.

Foto: Linksfraktionschef Gregor Gysi: Immer noch wird die Partei von alten SED-Mitgliedern dominiert

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