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Buchmesse: Am eigenen Ehrgeiz gescheitert

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Buchmesse: Am eigenen Ehrgeiz gescheitert

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Buchmesse
 

Am eigenen Ehrgeiz gescheitert

Die Weigerung von FDP-Chef Guido Westerwelle, einem Journalisten der BBC während einer Pressekonferenz in Berlin auf englisch zu antworten, hat hohe Wellen geschlagen. Grund genug für die JUNGE FREIHEIT, auf der Frankfurter Buchmesse der Frage nachzugehen, welche Zukunft die Deutsche Sprache hat.
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Die Vorwahlschlacht um die demokratische US-Präsidentschaftskandidatur wird Historiker noch lange beschäftigen: Wie konnte die sichere Favoritin Hillary Rodham Clinton gegen einen politischen Neuling wie Barack Hussein Obama verlieren?

Im Rückblick wird klar, daß Clinton nicht zuletzt an übermäßigem Selbstvertrauen scheiterte – und sie hatte keinen „Plan B“. Am 3. Januar wurde Clinton in Iowa hinter Obama und John Edwards nur Dritte. Die nächsten Vorwahlen am 9. Januar in New Hampshire und am 19. Januar in Nevada konnte sie zwar für sich entscheiden, jedoch jeweils mit geringerem Vorsprung als erwartet.

In Michigan (15. Januar) und Florida (29. Januar) gewann sie ebenfalls, allerdings stand Obama in Michigan nicht einmal auf dem Stimmzettel und verzichtete in Florida auf Wahlkampfauftritte. Beide Staaten waren vom Parteivorstand für ihre vorgezogenen Vorwahltermine bestraft worden, indem man ihnen die Delegiertenstimmen entzog. Später, als Clintons Niederlage sich abzuzeichnen begann, nahm sie ihr Versprechen zurück, die vom Parteivorstand festgelegten Spielregeln zu akzeptieren, und behauptete, diese Bundesstaaten „gewonnen“ zu haben.

Pechsträhne im Mai

Zwischen Februar und April konnte Obama wichtige Siege in South Carolina, Alabama, Colorado, Connecticut, Georgia, Minnesota, Louisiana, Maryland, Virginia und Hawaii einfahren. Clinton gewann in den Flächenstaaten Pennsylvania, New York und Texas jeweils nur knapp.

Da die Delegiertenstimmen in bestimmten Bundesstaaten proportional gemäß dem Wahlergebnis auf die einzelnen Bewerber verteilt werden, ging Obama dennoch nicht leer aus. Trotz seiner Pechsträhne im Mai konnte er mit 54 Prozent der Delegiertenstimmen als Erster über die Ziellinie humpeln. Am Ende entschieden die 823 „Superdelegierten“ das Rennen.

Den Wählern stand der Sinn nach change, nach Aufbruch, politischem Wechsel, Clinton aber begann ihren Wahlkampf unter dem Motto „Ready on Day One“ („Von Anfang an bereit“), stellte also ihre Erfahrung als First Lady und Senatorin für New York in den Vordergrund. Als ihr aufging, daß dies allzu sehr nach „Alles bleibt beim alten“ klang, vollzog sie eine Kehrtwende und bot eine Wundertüte voller Vorschläge feil, die sich aber nicht recht zu einem Wahlkampfprogramm zusammenfügen wollten.

Obama als „elitär“ verunglimpft

Nachdem sich gezeigt hatte, daß sie vor allem bei älteren Frauen und Arbeitern gut ankam, versuchte Clinton sich als Populistin, die Obama als „elitär“ verunglimpfen wollte, ganz so, als habe sie nicht selber Elite-Universitäten besucht und seit Jahrzehnten der Washingtoner Politschickeria angehört. Schließlich unterstützte sie sogar die Forderung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain, die Benzinsteuer von 17 Cent pro Gallone abzuschaffen.

Nach Meinung der Experten hätte dies keine Preissenkung gebracht, sondern zu noch höheren Gewinnen für die Ölkonzerne geführt und die Menschen gar noch ermutigt, mehr Auto zu fahren. Clinton tat dies mit der herablassenden Bemerkung ab, sich nicht auf die Einschätzung von Ökonomen verlassen zu wollen.

Als ihre Niederlage sich abzeichnete, begann das Ehepaar Clinton die Superdelegierten zu bedrängen: Obama könne die Präsidentschaftswahl nie und nimmer gewinnen, sie sollten also besser die „sichere“ Siegerin nominieren. Doch nicht nur die Wähler, auch die Partei wollte einen Neuanfang, und Bill und Hillary verkörperten die Vergangenheit.

Auch Bill Clinton wurde zunehmend zur Belastung

Daß die Senatorin Clinton am 10. Oktober 2002 für die Resolution 45 gestimmt hatte, die die Vollmacht zur Anwendung von Waffengewalt gegen den Irak erteilte, erwies sich als Mühlstein um ihren Hals. Sie hatte darauf gesetzt, sich mit dieser Ja-Stimme als entschlossene Oberste Befehlshaberin empfehlen, doch statt dessen verlangte die kriegskritisch eingestellte Parteibasis eine Entschuldigung von ihr.

Obama konnte auf seine damaligen kriegskritischen Äußerungen als Senator für Illinois verweisen. Clinton verrannte sich in Erklärungen, die fatal an die Haarspaltereien ihres Mannes im Zuge des Skandals um Monica Lewinksy erinnerten: Es stimme zwar, sie habe für die Resolution gestimmt, aber nicht damit gerechnet, daß sie als Rechtfertigung für einen Krieg benutzt werden würde.

Natürlich gab es viele Wählerinnen, die gerne Geschichte gemacht und die erste Frau zur US-Präsidentin gekürt hätten. Doch auch deren Unterstützung verspielte Clinton, indem sie gegen Ende der Vorwahlperiode die Geschlechterkampf-Karte zog und den Medien vorwarf, Obama aus chauvinistischer Voreingenommenheit mit Glacéhandschuhen anzufassen. Das klang vielen allzu sehr nach Sexismus unter umgekehrten Vorzeichen – zumal der Umstand, daß viele Frauen Obama unterstützten, ihre Argumentation entkräftete.

„Miss Bill? Vote Hill!“

Auch Bill Clinton wurde zunehmend zur Belastung. Nach seiner Amtszeit als Präsident hatte er sich einen guten Namen als globaler Diplomat und Philanthrop gemacht. Die Attacken, die er während Hillarys Wahlkampfes gegen die Medien und die Demokratische Partei ritt, ließen ihn hingegen kleinlich und allzu parteiisch erscheinen.

Clinton hat nicht verloren, weil sie eine Frau ist, sondern vielmehr, weil sie seine Frau ist. Die Wahlkampf-Anstecker mit der Aufschrift „Miss Bill? Vote Hill!“ („Sehnsucht nach Bill? Dann wählt doch Hill!“) waren eine weitere Fehlkalkulation

Je länger der Wahlkampf andauerte, desto weniger wirkte Obama wie ein Außenseiter. Afro-Amerikaner, die anfangs glaubten, er habe sowieso keine Chance, Clinton zu schlagen, unterstützten ihn massiv, sobald ihnen dämmerte, daß er es ernst meinte. Seine Siege in den Südstaaten verdankte er einer hohen Wahlbeteiligung sowohl unter der Afro-Amerikanern wie unter Jungwählern.

Jung, redegewandt, selbstsicher

Clintons Schwächen setzte Obama nicht nur einen cleveren Wahlkampf entgegen, er zeigte sich auch als attraktiver Kandidat: jung, redegewandt, selbstsicher und nicht aus der Ruhe zu bringen. Seine so schöne wie intelligente Frau Michelle sicherte ihm ebenfalls viele Sympathien. Erinnerungen an die Jack und Jacqueline Kennedy wallten auf und damit die Hoffnung, daß das Weiße Haus einmal mehr zum magischen Märchenschloß Camelot wird.

Kann Obama aber McCain schlagen? Bei Umfragen liegt Obama derzeit gleichauf oder knapp vorn. Im Wahlkampf wird McCain sich bemühen, den Demokraten als unerfahren und unerprobt darzustellen. Obama wiederum wird eine McCain-Präsidentschaft zur dritten Amtszeit für George W. Bush stilisieren.

Vieles wird von den Unwägbarkeiten der internationalen Politik abhängen. Ein Terroranschlag in den USA oder eine größere globale Krise käme McCain zugute, dem Kriegsveteranen und erfahrenen Sicherheitspolitiker.

Schlechte Wirtschaftsdaten gut für Obamas Wahlkampf

Die schlechten Wirtschaftsdaten hingegen sind gut für Obama, da die Republikaner nur Versprechen aus der Reagan-Zeit – Steuersenkungen und ein schlankerer Staat – zu bieten haben. Obama wird in der Wirtschaftspolitik wohl die populistische Karte spielen, um in der ihm skeptisch gegenüberstehenden Arbeiterschicht Wähler zu werben.

Ansonsten dürfte er vor allem bemüht sein, sein Wählerpotential zu vergrößern, indem er gerade an Jungwähler und Afro-Amerikaner appelliert, sich ins Wählerverzeichnis einzutragen und dann am 4. November auch zur Wahl zu gehen.

Völlig unklar ist noch, inwieweit er die weiße Klientel insbesondere aus niedrigeren Bildungsschichten für sich gewinnen kann. Für die eher liberal gesinnten Jüngeren, die ohnehin mit einem Fuß in der „post-ethnischen“ Welt multipler Identitäten leben, ist er als Sohn einer Weißen und eines Kenianers der perfekte Kandidat. Wenn sich konservative Demokraten hingegen lieber für McCain entscheiden oder zu Hause bleiben, könnte dies in einigen wichtigen Bundesstaaten den Ausschlag geben.

McCain kein typischer Republikaner

Der unpopuläre Irak-Krieg, dessen Ende nicht absehbar ist, müßte die Demokraten auf den ersten Blick begünstigen. Doch ist McCain kein typischer Republikaner, und sein Außenseiterstatus sowie seine notorische Bereitschaft, aus der Parteidisziplin auszuscheren, werden es dem politischen Gegner schwer machen, ihn als „Alles bleibt beim alten“-Kandidaten abzustempeln.
Nicht zuletzt wird die Auswahl der Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten eine Rolle spielen.

Als sicher kann gelten, daß der 71jährige McCain sich einen jüngeren, dynamischen Gefährten suchen wird, während Obama einen Erfahrenen an seiner Seite braucht. Daß er sich für Hillary Clinton entscheidet, ist unwahrscheinlich, denn damit würde er auch Bill Clinton ins Weiße Haus zurückholen – eine eher sonderbare Hausgemeinschaft, um es vorsichtig auszudrücken.

Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Demokraten bei den Wahlen sowohl im Repräsentantenhaus wie im Senat zahlreiche Sitze hinzugewinnen. Die Amerikaner bevorzugen eine Gewaltenteilung zwischen republikanischer Exekutive und demokratischer Legislative – oder umgekehrt – und würden es daher womöglich gerne sehen, wenn McCain sich mit einem demokratischen Kongreß herumschlagen müßte.

Prof. Dr. Elliot Neaman lehrt Neuere europäische Geschichte an der University of San Francisco. In der JF 16/08 schrieb er über die Bedeutung der Rassenbeziehungen für Obamas Wahlkampf.

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