Vor einigen Jahren hat sich Professor Lothar Fritze einmal sehr viel öffentlichen Ärger eingehandelt. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung hatte 1998 in seiner Antrittsvorlesung beiläufig die Frage aufgeworfen, ob das Bombenattentat auf Hitler am 9. November 1939 wirklich als vorbildlicher Widerstandsakt gelten kann.
Schließlich nahm der Attentäter Johann Georg Elser den möglichen Tod und die Verletzung hunderter anderer Menschen in Kauf. Nur weil Hitler seine Rede abgebrochen und der Saal sich schon geleert hatte, blieb es bei wenigen Verletzten und Toten, darunter einer jüdischen Kellnerin.
Der Frage, ob es moralisch gerechtfertig ist, möglicherweise Hunderte zu töten, um dabei einen Einzelnen mit zu treffen, geht Fritze nun noch einmal ausführlich nach, in einem Buch unter dem Titel: „Legitimer Widerstand? – Der Fall Elser.”
„Von mir werdet ihr noch hören”
Er stellt die weiteren Fragen, ob Elser nicht andere Attentats-Methoden hätte versuchen können, die sich direkter gegen Hitler richteten, der schließlich damals ständig im offenen Wagen durch Deutschland fuhr. Auch ob Elser tatsächlich aus politischen Motiven oder aus persönlichem Ehrgeiz („Von mir werdet ihr noch hören”) gehandelt hat, ändert für Fritze die Bewertung seiner Tat.
Schließlich bezieht Fritze die Überlegung ein, ob ein einzelnes Attentat überhaupt das Regime gestürzt hätte und ob es nicht schon deswegen fragwürdig sei, weil das wohl kaum der Fall gewesen wäre.
Fritze läßt keinen Zweifel daran, daß er Elsers Attentat insgesamt nicht für traditionswürdig hält und die diesbezüglichen Anstrengungen etwa von Peter Steinbach für unangemessen. Er geht so weit, aktuelle Parallelen zu ziehen und ein mögliches Vorbild Elser als beliebiges Vorbild für jedermann zu skizzieren, der irgendwen in die Luft sprengen will.
Der öffentliche Aufschrei blieb diesmal aus. Es ist schon eine merkwürdige Sache mit den intellektuellen Debatten in diesem Land.