„Das ist uns durchgerutscht“, bedauert Martin Schumacher, der Anzeigenleiter der rtv, einer Programmzeitschrift, die wöchentlich als Beilage in über 200 Tageszeitungen und in einer Auflage von über neun Millionen Exemplaren erscheint. „Wir werden darauf achten, daß die beanstandeten Bücher nicht mehr in unserer Zeitschrift beworben werden“, versichert er gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.
Stein des Anstoßes ist eine Beilage der Firma „Buchredaktion“, die Ende Juni in der rtv an rund 1,9 Millionen Haushalte in Mitteldeutschland ausgeliefert wurde. Allerdings handelte es sich bei den darin beworbenen Büchern keineswegs um gewöhnliche Publikationen:
Auf 15 Seiten wird unter dem Titel „Die besten Bücher für Sie“ nahezu ausnahmslos DDR-verherrlichende und verharmlosende Literatur angeboten. Da gibt es zum Beispiel die „Gefängnis-Notizen“ des früheren SED-Generalsekretärs und Staatsratsvorsitzenden der DDR, Egon Krenz, „mit original Autogrammkarte“, ebenso wie „Verlorene Prozesse“, verfaßt vom langjährigen Vorsitzenden der Berliner Anwaltskammer der DDR, Friedrich Wolff, ebenfalls mit „original Autogrammkarte“.
Daneben finden sich weitere Titel wie Ralph Hartmanns „DDR-Legenden. Der Unrechtsstaat, der Schießbefehl und die marode Wirtschaft“ oder „Dämonisierung durch Vergleich“, eine „Streitschrift“ des linksradikalen Historikers Wolfgang Wippermann, die zeigen will, wie die „Konstruktion und Erfindung“ der Totalitarismusdoktrin ihre Anwendung auf die DDR gefunden habe.
Überwältigendes Zusammengehörigkeitsgefühl der FDJ
Quasi geschenkt bekommt man für nur 2,95 Euro „Lotte und Walter. Die Ulbrichts in Selbstzeugnissen, Briefen und Dokumenten“. Gerade mal einen Euro mehr kostet Lotte Ulbrichts „Mein Leben“, das laut Prospekt einen „Blick auf die DDR zeigt, wie es ihn noch nie“ gegeben habe.
Auch Bildbände über Aktfotografie und FKK in der DDR sowie diverse Musik-CDs wie „Vorwärts, freie deutsche Jugend. Lieder der FDJ“ sind im Angebot. Eben alles, was das „ostalge“ Herz begehrt. Über die FDJ heißt es in der Beilage: „Jeder, der in der DDR aufwuchs, trat ihr bei und lernte das überwältigende Zusammengehörigkeitsgefühl kennen, das sie auszeichnete.“ Daß diejenigen, die nicht der FDJ beitraten, teilweise erheblichen Schikanen und staatlicher Repression ausgesetzt waren, wird dagegen verschwiegen.
Die meisten der angebotenen Publikationen sind in den Verlagen der „Eulenspiegel Verlagsgruppe“ erschienen. Dabei handelt es sich um den Zusammenschluß der ehemaligen DDR-Verlage „Eulenspiegel“, „Das Neue Berlin“, „Neues Leben“ sowie der 1991 gegründeten „Edition Ost“.
Zusammenarbeit mit ehemaligen DDR-Verlagen
Letztere konnte 1994 mit den „Moabiter Notizen“, dem „letzten schriftlichen Zeugnis“ Erich Honeckers, einen Verkaufsschlager für sich verbuchen. Seit 2007 gehört zudem der linke Berliner „Rotbuch Verlag“ zur Eulenspiegelgruppe.
Auf ihr Angebot angesprochen gibt sich die für die Beilage verantwortliche Firma „Buchredaktion“ zugeknöpft. Einen Ansprechpartner für die Presse gebe es nicht, und auch die Geschäftsleitung sei nicht zu sprechen. Man sei ein seit etwa 2003 existierendes Unternehmen und rein auf DDR-Literatur ausgelegt.
Die Berliner Adresse der „Buchredaktion“ ist jedoch identisch mit der der Eulenspiegel Verlagsgruppe, und der Geschäftsführer der „Buchredaktion“, Marko Wünsch, ist auch Geschäftsführer des zu Eulenspiegel gehörenden Rotbuch Verlags.
Bei Eulenspiegel bestätigt man die Zusammenarbeit mit der „Buchredaktion“. „Wir arbeiten eng zusammen, sind aber zwei getrennte Unternehmen“, sagte eine Sprecherin der Verlagsgruppe auf Anfrage der JF.
Schlag ins Gesicht der DDR-Opfer
Das Angebot von Eulenspiegel beschrieb sie als Bücher, die von Menschen geschrieben seien, die die DDR erlebt hätten. „Eben aus einer anderen Position heraus, als wenn nur West-Deutsche über die DDR berichten“. Ein Geschäft, das sich zu lohnen scheint, denn billig dürfte die mehrseitige Werbebeilage in 1,9-millionenfacher Auflage nicht gerade gewesen sein.
Der Vorsitzende des DDR-Opfer-Verbands „Vereinigung 17. Juni 1953“, Carl-Wolfgang Holzapfel, bezeichnete die Buchbeilage gegenüber der JF als „Schlag ins Gesicht“ für alle, die unter dem DDR-System gelitten hätten. „Das kommt einer Verhöhnung der Opfer gleich. Man stelle sich vor, in einer Werbebeilage würde so über die Hitlerjugend geschrieben, wie hier über die FDJ. Es gäbe helle Empörungsschreie“.
Der rtv riet Holzapfel, sich in einer der kommenden Ausgaben bei den Lesern für das Versehen angemessen zu entschuldigen. „Einfach Stillschweigen und Schwamm drüber ist in dieser Situation zu wenig“. (krk)