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Halbherziger Tritt auf die Schuldenbremse

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Bisher haben Bund und Länder beim Schuldenmachen immer nur aufs Gaspedal getreten. Doch künftig wollen sie mit ihrem Schuldenfuß endlich die Bremse bedienen. Allerdings nicht sofort. Auch ist es nur ein allmähliches Bremsen, keine Vollbremsung. Darauf hat sich die Föderalismuskommission nun doch noch verständigt. Von 2020 an soll mit der Neuverschuldung völlig Schluß sein, jedenfalls für Länder und Gemeinden. Dann dürfen sie keine neuen Kredite mehr aufnehmen. Nur der Bund darf noch, allerdings von 2016 an begrenzt auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit auf (derzeit) knapp neun Milliarden Euro im Jahr. Um die Neuverschuldung auf diese Begrenzung zurückzuführen, will er sich verpflichten, von 2011 an Jahr für Jahr neue Kreditaufnahmen zu verringern. Anders als der Bund müssen Länder und Gemeinden ihre Neuverschuldung bis 2020 schrittweise ganz auf Null zurückführen, dürfen sich dann also überhaupt kein Geld mehr borgen. Auf diesem absoluten Neuverschuldungsverbot bestanden die finanzstarken Länder wie Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Sie nämlich sind im Länderfinanzausgleich die großen Zahler und wollen nicht ständig ihr Geld in ein Faß ohne Boden schütten. Dafür haben sie sich zusammen mit dem Bund bereit erklärt, den fünf ärmsten Ländern von 2011 bis einschließlich 2019 mit jährlich 800 Millionen Euro beizustehen, damit diese ihre Neuverschuldung auf Null zu verringern imstande sind. Peter Struck, Verhandlungsführer für die SPD in der Föderalismuskommission, nannte das Ergebnis eine „ Sternstunde des kooperativen Bundesstaates“. Günther Oettinger, Verhandlungsführer für die CDU/CSU, äußerte sich realitätsnäher: „Begeisterung sieht anders aus.“ Nein, eine Sternstunde ist das Ergebnis wirklich nicht. Erstens: Die CDU/CSU hat es nicht geschafft, ein absolutes Verbot der Neuverschuldung auch für den Bund durchzusetzen. Sie ist damit am Widerstand der SPD gescheitert. Dabei sitzt der Bund auf einem Schuldenberg von rund 1 Billion (1.000 Milliarden) Euro. Zusammen mit der Verschuldung der Länder haben sich die Staatsschulden sogar auf knapp 1,6 Billionen angehäuft. Rettungs- und Konjunkturpakete gegen Finanzkrise und Wirtschaftseinbruch geben der Verschuldung einen neuen Schub nach oben. Im laufenden Jahr 2009 wird die deutsche Schuldenstandsquote auf 68,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP, derzeit rund 2,5 Billionen Euro) steigen, bis 2012 auf etwa 72,5 Prozent. Das überschreitet die im EU-Vertrag von Maastricht zum Schutz des Euro festgesetzten 60 Prozent des BIP schon bei weitem. Zweitens: Zwar wird dem Bund für die Neuverschuldung anders als bisher eine fest bezifferbare Grenze gesetzt (0,35 Prozent des BIP), und Länder wie Gemeinden müssen die Neuverschuldung verringern und schließlich ganz die Finger davon lassen. Aber sie alle können im Fall von Naturkatastrophen, anderen außergewöhnlichen Ereignissen und wirtschaftlichen Notlagen von den Regeln abweichen. Dann ist die Neuverschuldung noch nicht einmal begrenzt. Nur muß zusammen mit der Neuverschuldung zugleich ein Tilgungsplan vorgelegt werden. Man kann sich ausmalen, wie weit sich auslegen läßt, was außergewöhnlich und was Notlage ist, und was geschieht, wenn der Tilgungsplan nicht eingehalten wird – ein Einfallstor für weitere Schulden. Die Erfahrung zeigt: Gibt es so ein Tor, wird es auch mißbraucht und aufgestoßen. Drittens: Das Beschränken der Neuverschuldung soll für den Bund im Grundgesetz, für die Länder in den Länderverfassungen verankert werden. Im Grundgesetz ist das in den Artikeln 109 und 115 vorgesehen. Dies klingt nach hausväterlicher Strenge und soll den Bürger beeindrucken. Aber Artikel 115 beschränkte die Schuldenaufnahme auch bisher, nämlich auf „die veranschlagten Ausgaben für Investitionen“ – es sei denn, es gilt, eine „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ abzuwehren. Aber die unverantwortlich hohe Verschuldung wurde damit nicht verhindert. Also muß es Regierung und Parteien prima gelungen sein, eine ständige Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu gewährleisten. Auch wenn ihnen das Schuldenmachen künftig etwas erschwert wird – ihre Kreativität, Erschwernisse zu umschiffen, sollte man nicht unterschätzen. Viertens: Es geht in der Vereinbarung der Föderalismuskommission nur um die Neuverschuldung, nicht um die Altschulden. Wie will man von deren horrender Last bloß herunterkommen? Die Frage bleibt unbeantwortet. Behandeln will man sie erst, wenn 2019 der Länderfinanzausgleich und der Solidarpakt II auslaufen und die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu zu regeln sind. Aber lösbar ist dieses Problem praktisch schon gar nicht mehr, jedenfalls nicht mittels Zurückzahlung. Denn die Schulden sind derart hoch, daß sie der Staat nicht wird begleichen können. Was geschieht, wenn der Plan nicht eingehalten wird? Fünftens: Eine Sternstunde ist das Ergebnis der Kommission auch deswegen nicht, weil mit der Föderalismusreform II weitaus mehr angestrebt war, als jetzt herausgekommen ist, obwohl sie mit Oettinger und Struck im Vorsitz gut zwei Jahre verhandelt hat: keine Fortschritte bei einer Neugliederung des Bundesgebietes, keine Erleichterung von Länderfusionen, kein neues Fundament für die Finanzverfassung, keine Einigung für ein neues Abstimmungsverfahren im Bundesrat. Das jetzige Ergebnis ist gewiß besser als nichts, aber – gemessen am Notwendigen – bei weitem nicht genug. Dies wäre, wie Peter Struck sagte, dann die Aufgabe für eine Föderalismusreform III. Mitte März soll der Bundestag über die Vereinbarung in erster Lesung beraten, spätestens im Juli der Bundesrat über die Änderungen im Grundgesetz beschließen. Sollte es dann wirklich gelingen, die Neuverschuldung der Länder auf Null zu bringen und die des Bundes auf 0,35 Prozent zu beschränken, muß sich der Bürger auf zweierlei gefaßt machen: auf staatliche Ausgabenkürzungen oder noch höhere Steuern – oder auf beides zusammen.

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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