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Zittaus Bürger zittern vor Kriminellen

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Zittaus Bürger zittern vor Kriminellen

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Arnd Voigt könnte eigentlich zufrieden sein. Wenn der 58 Jahre alte Oberbürgermeister der Stadt Zittau aus dem Fenster seines Rathausbüros blickt, sieht er auf ein Bild der Idylle. Ein historischer Marktplatz. Häuser mit komplett sanierten Fassaden. Kleine, verschlafene, mit Kopfsteinpflaster versehene Gassen, die dem Stadtzentrum ein italienisches Flair verleihen.

Es ist Mittag. Die Sonne scheint. Zittau zeigt sich von seiner besten Seite.
Seit am 21. Dezember vergangenen Jahres aufgrund des Schengen-Abkommens die Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien wegfielen, müßte Voigt noch zufriedener sein. „Zittau ist durch die offenen Grenzen reich geworden“, sagt er. Schließlich habe sich die knapp 30.000 Einwohner zählende Stadt seit 1945 in einer Randlage befunden.

Im Osten abgeschnitten von der Neiße, hinter der Polen liegt. Und im Süden naht schon nach wenigen Kilometern die tschechische Grenze. Eingeklemmt zwischen zwei Staaten fristete Zittau ein Dasein mit eingeschränkten wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten. „Jetzt liegen wir wieder im Herzen Europas“, freut sich der Rathaus-Chef.

Die Freude über die Grenzöffnung ist getrübt

Doch die Freude ist getrübt. Denn nicht alles glänzt im Dreiländereck so  wie das imposante Zittauer Rathaus in der Mittagssonne. Wohnungseinbrüche und Autodiebstähle haben seit der Grenz­öffnung stark zugenommen.
Die Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien zählte in den ersten vier Monaten nach Wegfall der Kontrollen 303 Fälle von schwerem Diebstahl.

Im Jahr zuvor waren es im gleichen Zeitraum lediglich 188. Eine noch deutlichere Sprache sprechen die Zahlen in der  Nachbargemeinde Olbersdorf. Die Wohnungseinbrüche haben sich hier verfünffacht. Auch in der deutsch-polnischen Grenzstadt Görlitz weist die Statistik besorgniserregende Werte auf. Die Stadt hat mehr als  zehnmal so viele Autodiebstähle zu verzeichnen wie noch im Jahr zuvor.

„Hinzu kommt eine gefühlte Kriminalität, die die Bürger stark belastet“, betont Arnd Voigt. Dabei seien die Straftaten in ihrer Gesamtheit betrachtet weniger das Problem. „Da sind die Zahlen relativ konstant. Die Einbruchskriminalität ist es, die uns Sorgen bereitet“, sagt das Stadtoberhaupt.

Beim Kuchenbacken beklaut

Und genau davon wissen die Einwohner Zittaus einiges zu berichten. Auf die Frage, was sich nach dem Wegfall der Grenzkontrollen im Dreiländereck geändert habe, fallen ohne Zögern die Worte Einbruch und Diebstahl. „Meine Oma beklauten sie in ihrem Haus, als sie gerade am Kuchenbacken war“, erinnert sich die 16 Jahre alte Auszubildende Nicole Schirmer an einen Vorfall, der gerade erst zwei Wochen zurückliegt.

Während ihre Großmutter die Sahne schlug, schlugen die Täter am Hintereingang des Hauses zu, stibitzten  das Fahrrad der Rentnerin. „In Olbersdorf sind die Banden besonders in den Kleingärten aktiv“, ergänzt Nicole Schirmers  Freundin Marion Borstenreuter (18). Auch sie hat den Eindruck, daß die Kriminalität in Zittau stark angestiegen ist, seit die Grenzen offenstehen.

Eine Bankangestellte will sich zunächst gar nicht äußern. Und ist damit nicht die einzige. Besonders ältere Menschen halten sich bei diesem Thema zurück. Nach ein wenig Smalltalk über die Stadt und zwei Cappuccino später bricht die Frau gegenüber der JUNGEN FREIHEIT ihr Schweigen.

Viele Zittauer lassen das Licht brennen

„Ja, es ist schlimmer geworden“, beginnt sie sehr leise zu erzählen. „Besonders die Autodiebstähle haben massiv zugenommen. Organisierte Banden sind da am Werk.“ Viele Zittauer ließen inzwischen aus Furcht vor Einbruch das Licht in ihren Häusern brennen, wenn sie nicht da sind.

Im Dreiländereck gebe es den Spruch „Kaum gestohlen, schon in Polen“. Weil das Diebesgut meist sofort über die Grenze gebracht werde. „Wenn Sie bei Kaufland zum Einkaufen fahren, kann es sein, daß im nächsten Moment Ihr Autoradio weg ist“, sagt die Frau frustriert. Eine mangelnde Präsenz der Polizei sieht sie aber nicht. „Die ist schon da. Wenn ich abends nach Hause fahre, kommt es durchaus vor, daß ich von der Bundespolizei angehalten werde.“

Jedoch könnten die Beamten ja nicht überall zugleich sein. Vor einigen Wochen habe sie Gäste zu sich nach Haus geladen. „Als der Besuch am Abend wieder die Heimreise antreten wollte, war deren Auto plötzlich weg“, erzählt die Bankangestellte. Die Täter spähten ihr Zielobjekt bereits vor der Tat sorgfältig aus, ist sie sicher. Viele in ihrer Nachbarschaft haben sich aus Angst vor Einbruch inzwischen Alarmanlagen und Bewegungsmelder zugelegt.

„Schneller als die Bundespolizei“

Oberbürgermeister Voigt kennt die Probleme. „Schon kurz vor der Grenzöffnung kam es zu einem schlagartigen Anstieg der Einbruchskriminalität“, schildert er der JF. Die Diskussion über die bevorstehende Grenzöffnung habe mit dazu beigetragen, daß „organisierte Tätergruppen“ das Dreiländereck als vorteilhaft für ihre Machenschaften erkannten.

„Sie arbeiten international, und zwar schneller als die Bundespolizei“, betont der Verwaltungschef. Durch die geographische Situation begünstigt, können sich die Täter schnell in ein anderes Land zurückziehen und so die Ermittlungen der Behörden erschweren.

Arnd Voigt ist dennoch zuversichtlich, die Einbruchskriminalität in den Griff zu bekommen. „Schon in den letzten Tagen und Wochen ist es zu einer Beruhigung gekommen“, sagt er. Den Grund dafür sieht er in einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den deutschen, polnischen und tschechischen Polizeibehörden.

Illegale Einwanderung hat nicht zugenommen

Eine Zunahme illegaler Einwanderung hat sich dagegen nach seiner Auffassung nicht bestätigt. „Offensichtlich haben die Polen ihre Ostgrenze im Griff“, vermutet Voigt. Daß die Zittauer dennoch verunsichert sind, kann er nachvollziehen.

Einer von ihnen ist Kai Exner. Auf die Frage, was sich nach der Grenzöffnung in Zittau verändert hat, nennt auch er sofort die Kriminalität. „Im ersten Monat nach der Öffnung wurden so viele Autos geklaut wie im ganzen letzten Jahr“, meint der 20 Jahre alte Dreher.

Auch in der Nachbarschaft seiner Freundin Lisa Tamme habe es zwei Einbrüche gegeben. Die Auszubildende wohnt in der benachbarten Ortschaft  Olbersdorf, einer 5.000-Seelen-Gemeinde direkt an der deutsch-tschechischen Grenze. „Unsere Nachbarn waren zuvor immer wieder angerufen worden“, schildert die 18jährige. Doch wenn der Hörer abgenommen wurde, klickte es nur noch in der Leitung.

„Die wollten sie wegholen“

„Als sie dann im Urlaub waren, kamen die Einbrecher“, führt die Auszubildende aus. Bei einer weiteren Familie aus ihrer Straße wurde erst vor kurzem wieder ein Fahrrad gestohlen. Ob die Täter aus Tschechien kommen? Lisa Tamme weiß es nicht. „Das ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall sind es Jugendgangs und unglaublich gut organisiert.“ Dann spricht sie etwas noch Schlimmeres an: Kinder sollen vor der Schule in ein Auto gezerrt worden sein.

Auch Lisa Wegebauer spricht davon. „Die Kinder meiner Nachbarn sind angequatscht worden“, sagt die 17jährige aus dem Zittauer Stadtteil Pethau. Ein schwarzer VW-Bus sei immer wieder durch die Straße gefahren. Die beiden Nachbarskinder, 13 und acht Jahre alt, hätten sich bedroht gefühlt. Lisa Wegebauer ist sich sicher: „Die wollten sie wegholen.“

Pressesprecher Uwe Horbaschk von der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien bestätigt: „Es hat einen solchen Fall gegeben“. Der aber sei in der Presse sehr aufgebauscht worden. Die Gerüchteküche sei nach dem Vorfall am Brodeln, es habe auch viele Falschmeldungen gegeben. „Trotzdem schrillen bei uns schon ziemlich die Alarmglocken“, gibt der Beamte zu.

Allmählich bricht der Abend über Zittau herein. Die Geschäfte schließen. Eine Stunde später ist von quirligem Leben und italienischem Flair nur noch wenig zu spüren. Wie ausgestorben sind die Straßen, auf denen die Schatten mit der sinkenden Sonne immer länger werden. Lediglich die Tauben umfliegen noch die St.-Johannis-Kirche, auf nahrhafte Beute lauernd, die die Menschen auf dem Kopfsteinpflaster zurückließen. Sie dürften nicht die einzigen sein, die auf Beute hoffen.

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