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Kampf gegen das süße Gift

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Wer in Deutschland seine Stimme gegen das Vergessen des kommunistischen Unrechts erhebt, wird meist mitleidig belächelt. Wer vor dem Verklären und Beschönigen der SED-Diktatur warnt oder auf die Gefahren hinweist, die von der Nachfolgeorganisation der einstigen Staatspartei und ihren Epigonen ausgehen, erntet kaum Beifall, sondern vielmehr regen Widerspruch. Oft wird solchen Mahnern unterstellt, unverbesserliche „Kalte Krieger“ zu sein, kommunistische und nationalsozialistische Verbrechen „gleichsetzen“ zu wollen oder gar rechtsextremen Kreisen Schützenhilfe zu leisten. Um diesen Trend im Umgang mit den kommunistischen Diktaturen nicht länger schweigend hinzunehmen, hat sich der Förderverein der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen im vergangenen Jahr entschlossen, fortan jährlich einen Preis zu vergeben. Diese mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung soll eine Ermunterung für all jene darstellen, die sich in besonderer Weise um die Aufarbeitung der SED-Diktatur verdient machen und dabei auch den Blick auf die Gegenwart nicht ausklammern. Zum diesjährigen Preisträger wurde der Schriftsteller Joachim Walther gekürt. Walther, 1943 in Chemnitz geboren, wurde in der DDR seit 1969 durch den Staatssicherheitsdienst (MfS) überwacht. 1978 mußte er seine Arbeit als Redakteur der DDR-Literaturzeitschrift Temperamente aufgeben und zog sich daraufhin nach Mecklenburg zurück, wo er Romane und Erzählungen schrieb. Nach dem Ende der DDR erforschte Walther in jahrelangen Recherchen die Durchdringung des DDR-Literaturbetriebs durch das MfS und legte dazu das grundlegende Werk „Sicherungsbereich Literatur“ vor. Anschließend initiierte er zusammen mit Ines Geipel das Archiv unterdrückter Literatur in der DDR. Seit 2005 gibt Walther „Die verschwiegene Bibliothek“ heraus, eine Edition mit in der DDR unterdrückten Texten. Auch mit mehreren audiovisuellen Dokumentationen hat der Autor einen herausragenden Beitrag zur Aufarbeitung der SED-Diktatur geleistet. Die Ehrung Joachim Walthers fand am vergangenen Mittwoch in der Saarländischen Landesvertretung in Berlin statt. In seiner Laudatio auf den Preisträger hob der ehemalige Bundesminister und frühere Erste Bürgermeister Hamburgs, Klaus von Dohnanyi (SPD), hervor, daß Walthers Werk vor allem durch die Gegenüberstellung der vermeintlich „guten Absichten“ und „bösen Folgen“ geprägt ist. An der Betonung dieser „guten Absichten“ hält bis heute die Mehrzahl der kommunistischen Täter und Mitläufer fest. Sie dienten bis heute als Rechtfertigung schwerster Menschenrechtsverletzungen in Diktaturen, sagte Dohnanyi. Immer noch setze die ehemalige SED auf das Argument, daß der Sozialismus in der DDR grundsätzlich „eine gute Idee“ gewesen sei, die „nur schlecht ausgeführt“ wurde. Tatsächlich seien jedoch „Mauer, Stacheldraht und Stasi unausweichliche Folgen des utopischen Sozialismus“ gewesen. Selbst wenn der Sozialismus als Utopie einen realistischen Kern haben sollte, sei er doch an eine Wirtschaftsordnung gebunden, die auf Abgrenzung und Abschottung beruhe. Eine solche Ordnung entspreche aber nicht der realen Natur des Menschen. Bereits auf erste Ansätze von Gegenwehr könne eine kommunistische Ordnung zwangsläufig nur mit Repressionen reagieren. Was zunächst noch als nur „vorübergehendes Unrecht“ oder als „Übergangserscheinung“ dargestellt wird, werde tatsächlich zum Dauerzustand und weite sich immer mehr aus. Dohnanyi warnte ausdrücklich vor der Illusion einer Wiederbelebung sozialistischer Wirtschaftsformen. Heute versuche die Linkspartei bereits, ein eigenes System für ökonomische Entscheidungen nicht nur theoretisch zu konzipieren, sondern auch umzusetzen. Um so höher sei es anzurechnen, daß sich trotz aller Widerstände vier Abgeordnete der SPD in Hessen dazu entschlossen hätten, den Wegbereitern eines solchen Experiments in ihrem Bundesland eine Absage zu erteilen. Der Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, unterstrich, wie wichtig es sei, durch die Vergabe des neuen Preises „klare Maßstäbe gegen Unrecht und Gewaltherrschaft“ zu setzen. Für die Gesellschaft sei es zur Bewältigung einer Diktatur wichtig, Empathie mit deren Opfern zu empfinden. Dazu müßten Diktaturen stets aus der Sicht der Opfer betrachtet werden; nicht aus jener der Mitläufer oder gar der Täter. Für die Wahl von Walther habe eine sehr wichtige Rolle gespielt, daß er sein Engagement nicht aus einer Institution heraus, sondern „ohne Schutz“ betreibe. Mit seiner Aufklärungsarbeit habe sich Walther nicht nur Freunde, sondern auch zahlreiche Feinde geschaffen, insbesondere aus den Reihen des DDR-Schriftstellerverbandes. So wurde nach 1989 versucht, ihn mit Klagen dazu zu bewegen, die Veröffentlichung seines ersten Werkes zu unterbinden. In seinen Dankesworten bekundete der Preisträger, nach 1989 im Hinblick auf die Bewältigung des Erbes der SED-Diktatur „zu optimistisch gewesen“ zu sein. Denn bereits seit den neunziger Jahren gehöre das Relativieren des kommunistischen Unrechts und der Schrecken der Diktatur zum Alltag, sagte Walther. Immer dreister pochten die Nachfolger der einstigen Kaderpartei auf ihr vermeintliches Recht, die Geschichte zwischen 1945 und 1989 allein nach ihren Maßstäben bewerten zu dürfen. Schon deswegen dürften die Bemühungen nicht nachlassen, dieses tragische Kapitel der Vergangenheit aufzuarbeiten und den nachwachsenden Generationen wahrheitsgetreu zu vermitteln. Denn auf die heutigen Schüler und Studenten richte sich am stärksten die Aufmerksamkeit der Linkspartei, um sie erneut „mit Schlagworten wie soziale Gerechtigkeit zu verführen“. Eine Wiederholung des Unrechts sei jedoch nur dann unwahrscheinlich, wenn die Jungen tatsächlich immun gegen das „süße Gift“ gemacht würden, sagte Walther. Foto: Joachim Walther (r.) mit seiner Ehefrau und Klaus von Dohnanyi: Relativierung gehört zum Alltag

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