Die braven Europäer hörten mit Grausen, wie US-Regisseur Oliver Stone unlängst in Interviews über seinen Film „Alexander“ (JF 52-53/04) das Hohelied des starken Mannes sang: „Ein König, eine Welt, ein starker Mann. So war Alexander. An dieses Konzept der Stärke haben die geglaubt, und das finde ich toll. Das war eine Alternative zur Demokratie, diesem Bullshit, wo alle herumreden und nichts passiert!“ – Demokratie „scheiße“, Führerprinzip sexy? Und das ausgerechnet von Oliver Stone? Dem Mann, der 1986 – mitten in der Ära Reagan, zur Zeit neuer amerikanischer Stärke – mit seinem Antikriegsfilm „Platoon“ das Trauma Vietnam noch einmal wachrief, 1989 mit dem Veteranen-Drama „Geboren am 4. Juli“ alle Werte nationaler Stärke zur Lüge erklärte, 1991 mit „JFK – Tatort Dallas“ vor dem „Vormarsch“ eines unsichtbaren Faschismus in den USA warnte und 1994 mit „Natural Born Killers“ die angeblich latente Gewalt der US-Gesellschaft demaskierte. Ein Vermarktungstrick? Allüren eines Regisseurs? Mitnichten, die Erklärung liegt in der conditio humana: Der Mensch strebt – wie die Demokratie – nach Erlösung. Erlöserfiguren wie Alexander finden sich immer wieder bei Stone: Kennedy, das Killerpärchen Mickey und Mallory oder Platoon-Feldwebel Elias. Der Sinn und Zweck? „Bedenke, daß Du sterblich bist!“ haben sich die römischen Cäsaren bekanntlich ins Ohr flüstern lassen, um nicht der Hybris zu erliegen. In Zeiten, da sich die Demokratie als Sinn der Geschichte geriert, entspricht Stones weltanschauliche Backpfeife diesem warnenden Geraune. Doch nun läuft Stones neuer Film „Comandante“ in den Kinos, eine Dokumentation über Diktator Fidel Castro. Menschenrechtsverletzungen? Fehlanzeige! Statt dessen Elogen. „Der Mann ist einer der Weisen des Planeten, den wir befragen sollten“, so Stone. – Was, wärst Du nicht der Hofberichterstatter, sondern selbst Untertan in Fidels Reich? Bedenke, daß auch Du sterblich bist, Oliver!