Angela Merkel kam am vergangenen Donnerstag nach Potsdam, und kaum einer bemerkte es. Keine Hinweise auf den CDU-Plakaten, keine Reklame. Selbst in den Potsdamer Neuesten Nachrichten gab es nur eine Randnotiz mit dem Hinweis, daß die Kanzlerkandidatin ihre Wahlkampfrede halten würde – um 18 Uhr. Doch bereits um 17.05 Uhr marschierte die im brandenburgischen Templin aufgewachsene Politikerin unter Techno-Rhythmen und starkem Personenschutz vor dem Brandenburger Tor in der Hauptstadt Brandenburgs ein. Dort hatten sich aller Nichtinformation zum Trotz rund 1.000 Zuhörer eingefunden. Ein Erfolg: Noch vor drei Jahren kamen knapp 300 Personen zu dem Auftritt des damaligen Unionskanzlerkandidaten Edmund Stoibers. Damals war es linken Randalierern fast gelungen, die Veranstaltung zu sprengen. Doch die märkische Union hat dazugelernt, und so behielt das stark vertretene CDU-Parteivolk mit seinen blauen „Wechsel wählen!“ und orangen „Angie“-Schildern die Oberhand. Merkel sprach souverän von ihren Vorstellungen, konterte die „Hau ab“-Sprechchöre der 100 „AntifaschistInnen“ („Vor 15 Jahren hätten Sie das nicht gedurft“) und hatte doch ihre Probleme. Denn Brandenburg, das seit 1999 von der CDU mitregiert wird, hinkt nicht nur wirtschaftlich, sondern auch bei der Bildung hinter erfolgreicheren „Neu“-Bundesländern hinterher. Merkel schwärmte von den Erfolgen Sachsens und erklärte pflichtschuldig: „Ich bin der Meinung, daß die Brandenburger – mit Ausnahme der paar da hinten – genauso schlau sind wie die Sachsen.“ Doch anders als im Freistaat Sachsen, wo die CDU bei den letzten Landtagswahl vor knapp einem Jahr trotz aller Verluste noch 41,1 Prozent der Stimmen errang, kommt die Union im „roten“ Brandenburg selten über 25 Prozentpunkte hinaus. Nach der jüngsten Umfrage steht sie bei 21 Prozent (SPD 39 Prozent, Links-partei. PDS 28, FDP fünf und Grüne vier Prozent. Brandenburg ist das Sorgenkind der Union. Es ist offensichtlich: Ähnlich wie die Liberalen und die Bündnisgrünen ist die CDU auch 15 Jahre nach der Einheit in Brandenburg noch nicht richtig angekommen. Ihr „fehlt vielerorts das soziale Milieu für eine stabile Anhängerschaft. Und wenn es denn beispielsweise für die Union vorhanden“ ist, deckt „es oft die SPD mit ab“, erklärte der Potsdamer Parteienforscher Jürgen Dittberner gegenüber der Welt. Dabei hatte es noch vor Wochen noch so ausgesehen, als hätte Brandenburgs Union im Fahrwasser der Bundespartei und unter der erfolgreichen Führung des Innenministers Jörg Schönbohm (CDU) die 30-Prozent-Marke übersprungen. Doch gerade dessen These von der Proletarisierung durch die SED als Ursache brutaler Gewalt in Brandenburg kam bei vielen Brandenburgern – trotz mehrmaliger Entschuldigung – nicht gut an. Die Zustimmung für die Union sank erdrutschartig. Der Innenminister steht seitdem im Fokus der Medien. Dieselben mokierten sich schnell über die plötzliche Vorsicht im märkischen CDU-Lager und konstatierten: „So wird Schönbohms Fehltritt wohl dazu führen, daß Brandenburgs Politiker glatter und langweiliger werden.“ Weit gefehlt. Minuten vor Merkels Auftritt ritt Schönbohm eine scharfe Attacke gegen die „Linkspartei, die Linke, PDS – oder wie sie heißt“ nach der anderen. Sprach von „falschen Fuffzigern“ und bezichtigte PDS-Führungspolitiker der Stasi-Mitarbeit – darunter auch die PDS-Spitzenkandidatin für den Bundestag, Dagmar Enkelmann. Die nach eigenen Angaben mehrmals negativ überprüfte Enkelmann stellte Strafanzeige und sah eine „gezielte Provokation“. Schönbohm sprach von Verwechslung und lehnte eine weitere öffentliche Entschuldigung ab. Im Anschluß daran berichtete die „Abendschau“ im RBB-Fernsehen von Schönbohms Fauxpas – der Auftritt der Kanzlerkandidatin der Union im „roten Potsdam“ fand keine Erwähnung. Die CDU hat es schwer in Brandenburg.