Stellen wir uns vor: In einem Einkommensparadies beläuft sich das Pro-Kopf-Einkommen auf 100.000 Euro. Gleichwohl verdienen 30 Prozent der Bürger etwas weniger als 50.000 Euro. Schon wäre unsere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zur Stelle und würde trompeten: Wir haben eine Armutsquote von 30 Prozent. Denn Armut läge dann vor – so ihre eigenwillige Definition -, wenn jemand über nicht mehr als 50 Prozent des durchschnittlichen Einkommens verfüge. Mit dem gleichen Maßstab operiert das Uno-Kinderhilfswerk. Auch Unicef spricht von Armut – und meint eigentlich die Einkommensverteilung. Es drängt sich die Frage auf, ob es wirklich der Wahrheitsfindung dient, wenn die Begriffe so vermischt werden. Auch die Einschränkung „relative“ Armut hilft nicht weiter. Genausogut könnte man vom relativen Überfluß der untersten Einkommensklasse sprechen. Verharmlost der Begriff „relative Armut“ nicht die existentielle, wirkliche Armut? Eine substantielle Diskussion von Kinderarmut sucht man in der Unicef-Studie vergeblich. Was hat es zum Beispiel mit der Zunahme übergewichtiger Kinder auf sich? Gibt es nicht viel zu viele Mobiltelefone, Fernseher und Computerspiele, die vom Schulunterricht und von den Hausaufgaben ablenken? Einige Ergebnisse der Unicef-Studie überraschen indes nicht: Gastarbeiterfamilien und Alleinerziehende sind in der unteren Einkommensklasse stark vertreten. Vom Modell „Mutter, Kind und Vater Staat“ ist vielleicht nicht nur aus finanziellen Gründen abzuraten.