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Stammzellen zurück auf der Tagesordnung

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Soll Deutschland künftig lieber bei biomedizinischen Innovationen oder bei der Forschung nach ethischen Maßstäben als Vorbild gelten? Diese Frage stellt sich der Bundestag und bringt so neue Bewegung in die Debatte um die Forschung mit embryonalen Stammzellen. An diesem Donnerstag wird über einen Gesetzentwurf der FDP beraten, der die Abschaffung der Stichtagsregelung im Stammzellgesetz zum Ziel hat. Die Liberalen versprechen sich von der Abschaffung des Stichtages „erheblich erweiterte“ Möglichkeiten für die Stammzellforschung. Eine kürzlich veröffentlichte Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zeichnet ein völlig anderes Bild: Unter dem Titel „Stand der Forschung und Potentiale von embryonalen und adulten Stammzellen“, heißt es: „Embryonale Stammzellen werden derzeit nicht in klinischen Studien oder Therapien eingesetzt.“ Darüber hinaus kommt sie zu dem Schluß: „In den kommenden Jahren kann nicht mit zugelassenen Anwendungen der Stammzellen in der Behandlung von Patienten gerechnet werden. Diese wären, wenn überhaupt, dann vermutlich in einem Zeithorizont von zwanzig Jahren zu realisieren.“ Die Untersuchung empfiehlt die Nutzung adulter Stammzellen. „Sie werden seit vier Jahrzehnten in der Therapie angewandt und in diversen klinischen Studien erprobt.“ Da adulte Stammzellen körpereigene Stammzellen sind, müssen dafür keine Embryonen getötet werden. Deshalb ist diese Art von Forschung in Deutschland nicht verboten. Die Forschung an embryonalen Stammzellen ist zwar ebenfalls unter bestimmten Bedingungen in der Bundesrepublik erlaubt, doch die benutzten Stammzellen dürfen nicht aus Deutschland stammen. Aber auch für den Import solcher Zellen gibt es strenge Auflagen: Die geltende Stichtagsregelung verbietet deutschen Forschern den Import von Stammzellen aus dem Ausland, die nach dem 1. Januar 2002 aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden. Der Grund: Die Stammzellen werden aus überzähligen Embryonen gewonnen, die bei der künstlichen Befruchtung entstehen. Diese überschüssigen Embryonen werden der Forschung übergeben. Um jedoch ihre Zellen nutzen zu können, müssen die Embryonen getötet werden. Deshalb wollte der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Stammzellgesetzes im Jahr 2002 durch die Einführung der Stichtagsregelung erreichen, daß die Forschung mit embryonalen Stammzellen in Deutschland im Ausland keine zusätzlichen Anreize zur Tötung von Embryonen schafft. Nur wenige Projekte sind genehmigt worden Daß die embryonalen Stammzellen nicht in Deutschland selber gewonnen werden dürfen, erschwert die Arbeit der Wissenschaftler. Auch die Einführung dieser Zellen aus dem Ausland ist aufgrund der jetzigen Gesetzeslage schwierig. Laut dem am 10. Januar veröffentlichten zweiten Stammzellenbericht der Bundesregierung sind bis Ende 2005 lediglich neun Projekte genehmigt worden. Eine Zahl, die für viele Wissenschaftler völlig unzureichend ist. Ihrer Meinung nach könne sich Deutschland nicht leisten, an einem weltweiten Forschungswettbewerb nicht teilzunehmen. Eine Folge davon ist, daß viele Wissenschaftler ins Ausland auswandern. Forschungstourismus und die dadurch entstehenden Verluste für Deutschland scheinen für die FDP und Teile der Union der Grund zu sein, warum sie nun die Stichtagsregelung abschaffen möchten. Obwohl es damit erstmals nur um die Abschaffung beziehungsweise Verschiebung des Stichtages gehe, stelle der FDP-Entwurf eigentlich das komplette Embryonenschutzgesetz in Frage, sagte der Medizinrechtler und Sachverständiger der Enquete-Kommission („Ethik und Recht der modernen Medizin“) der Bundesregierung, Rainer Beckmann, in der vergangenen Woche auf einer Pressekonferenz des Bundesverbandes Lebensrecht (BVL) in Berlin. Es sei wohl nur eine Frage der Zeit, bis das komplette Gesetz aufgeweicht werde. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, sind anderer Meinung: Sie halten den Zeitpunkt des Stichtages nicht für entscheidend. Laut Schavan berühre diese Lockerung nicht „die Substanz des Gesetztes“. Huber hatte zuvor eine einmalige Verschiebung des Stichtages auf Ende 2005 vorgeschlagen. Entscheidend sei laut Schavan, daß in Deutschland keine embryonalen Stammzellen für Forschungszwecke hergestellt werden dürfen. Als Kritiker der embryonalen Stammzellenforschung ist Beckmann jedoch der Meinung, daß auch die Wissenschaft Grenzen brauche. Deutschland sei bislang auf einem guten Weg, eine ethische Vorbildfunktion zu übernehmen. Daß Stammzellenforschung viele Krankheiten heilen könnte, bestreite niemand, sagte Beckmann. „Aber die Frage ist, ob dafür Leben getötet werden darf.“ Schließlich sollte ein Leben nicht für ein anderes geopfert werden. Er betonte, daß der Achtungsanspruch auf Leben nur absolut sein könne, indem auf gewisse Dinge komplett verzichtet werde. Der Schutzanspruch des Lebens, also das Heilen, könne dagegen sowieso nie vollkommen gewährleistet werden, sagte Beckmann. Foto: Wissenschaftler in einem Stammzellenlabor : Zukunftsbranche

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