Von den Goldenen Zitronen erinnern heute nur noch der dämliche Bandname und die nicht minder dämlichen Pseudonyme der Hauptmatadoren daran, daß man sie vor noch gar nicht so langer Zeit auf gutem Weg sah, zu den Toten Hosen und den Ärzten in den Olymp der hörfunkkompatiblen Gassenhauerpunkhersteller aufzurücken. Daß daraus dann doch nichts wurde, dürfen sie sich heute als Beweis anrechnen, ihren Wurzeln konsequenter Marktverweigerung treu geblieben zu sein. Mit hanseatischer Hochnäsigkeit kultivieren sie ihren elitären Anspruch, als ganz schön unbequeme Kleinkünstler so ziemlich alles mit messerscharfem Blick zu durchschauen, um es dann mit beißenden Worten treffsicher zu demontieren. Dabei kann es mitunter ganz schön provokativ zugehen. Besang man früher verbrauchernah den Tag, an dem Thomas Anders starb, greift man heute sogar nach den weltgeschichtlichen Sternen und läßt den traurigen Poeten Wladimir Majakowski mitsamt dem beherzten Tonkünstler Hanns Eisler aufmarschieren, um mit ihren Worten und Melodeien den toten, verhutzelten Lenin in seinem Mausoleum heraufzubeschwören. Sollte man damit beabsichtigt haben, dem unvergeßlichen Revolutionsführer eine Ehrerbietung angedeihen zu lassen und nebenbei natürlich den nachdenklichen Hinweis auf den möglichen Mißbrauch großer Ideale zu hinterlegen, wurde dieses Ziel deutlich verfehlt. Merke: Große Stoffe sind nichts für den kleinen Pop. Die Goldenen Zitronen sind aber insoweit in Schutz zu nehmen, als sie ihre neue CD zwar frech „Lenin“ (Buback Records/ Indigo) getauft haben, abseits des Titelsongs aber den überschaubaren Horizont alltäglicher Lebenserfahrung nicht überschreiten. Damit das Gewöhnliche nicht auch noch so klingt, verlegen sie sich darauf, Klangexperimente zu veranstalten, die zwar nicht inspiriert wirken, aber wenigstens für Unverwechselbarkeit sorgen können, sofern der Hörer keinen Zugriff auf die Avantgarde-Mottenkiste mit Bands wie The Wirtschaftswunder oder Palais Schaumburg hat. Derartige Attitüden des kompositorischen Höhenfluges sind der Berliner Combo Britta auf angenehme Weise fremd. Auf ihrer aktuellen CD „Das schöne Leben“ kultivieren die nun um einen Mann am Schlagzeug ergänzten Musikerinnen auch (Flittchen Records/ Indigo) das, was sie halt am besten können, simplen, naiven Thekenrock für die von den Relikten der vormaligen „Szene“ frequentierte Eckkneipe im sogenannten Kiez. Wo früher die kecke Unverfrorenheit weit ausgreifender Lebensansprüche regierte, macht sich heute aber Tristesse breit, welche die unverändert fröhlichen Weisen als Ausdruck eines Galgenhumors erscheinen läßt, dem allerdings die Lust am Lachen vergangen ist. Die Musikerinnen von Britta mögen dazu nicht zuletzt durch persönliche Schicksalsschläge getrieben worden sein, sie dokumentieren aber zugleich auch das Borderlinesyndrom eines sozialen Biotops, dem keine Zukunft beschieden ist und das um sein nahes Ende weiß. Die einst Wohlgefühl vermittelnden Netzwerke dünnen aus und zerfallen in ihre ergraute Atome, die sich in oftmals prekären Beschäftigungsverhältnissen dem unbehaglichen Daseinskampf ausgeliefert sehen. Über dem ganzen Streß ist ihnen schon heute ihr Sinn für die schöne Utopie abhanden gekommen. „Ist das noch Boheme oder schon die Unterschicht?“ fragt in diesem Sinne Britta und bringt damit dankenswerterweise auf den Begriff, was ein Milieu bewegt, das sich einst als urbaner Trendsetter verstand und heute eine besonders unsympathische Spezies von Modernisierungsverlierern darstellt. Man kann verstehen, daß sich die Betroffenen über Champagner mehr gefreut hätten.