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Marc Jongen, ESN Fraktion

Täglich 125 Fußballfelder versiegelt

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Täglich 125 Fußballfelder versiegelt

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Ein zentrales Problem des Umweltverschleißes ist der seit Jahrzehnten ungebrochene Verbrauch von Natur und Landschaft. Zur Ausplünderung unseres Planeten (Herbert Gruhl) hat sich der Flächenfraß durch Zersiedlung der Landschaften gesellt. Weitverbreitete Werbetafeln "Wir bauen für Sie!" symbolisieren, daß in Deutschland täglich über hundert Hektar unbebauten offenen Landes durch "Baumaßnahmen" auf Dauer verlorengehen.

Das heißt: Jeden Tag wird eine Fläche von mindestens 125 Fußballfeldern versiegelt – für Siedlungs- und Gewerbegebiete, Deponien, Parkplätze, Straßen, Straßenbegleitflächen und andere Verkehrswege, Abgrabungen, und zwar mit steigender Tendenz. Das sind zwölf Quadratmeter in der Sekunde. Die beträchtlichen Umweltbeeinträchtigungen werden dabei leider ignoriert: der Verlust fruchtbarer Böden, die Schädigung von Biotopen und der resultierende Artenverlust sowie die Zerschneidung von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen.

Die Beeinträchtigung des Wasserhaushalts durch eine gestörte Grundwasserneubildung und die steigende Hochwassergefahr aufgrund der Betonierungen, die einen erhöhten Oberflächenabfluß zur Folge haben, wurden bei der Oder-, Elbe- und Donauflut offenbar. Die Zerschneidung und Einschnürung von Landschaften durch Straßenneubau und damit auch ästhetisch-visuelle Beeinträchtigung der Landschaften als Erlebnis- und Erholungsraum sind ebenso wie Verkehrsbelastungen durch längere Wege (dadurch auch mehr Lärm und Abgase) eine Folge des anhaltenden Flächenverbrauchs.

Flächensparen dagegen würde die freie Landschaft als ökologische Lebensgrundlage und als Erholungsraum bewahren, das Speichern von Grund- und Oberflächenwasser bewirken, Frischluftschneisen für den Luftaustausch und regionale Luftbewegungen sichern. Dem scheinbaren Vorteil erhöhter Gewerbesteuereinnahmen der vergrößerten Gemeinden stehen die Abwanderungen anderswo ebenso gegenüber wie laufende Kosten für die dann ungenutzten Infrastrukturen in den Ortskernen. Die Erschließungskosten neuer Baugebiete, die Kosten für den Erhalt der neuen Infrastrukturen überwiegen oft deren Nutzen. Entleerungseffekte in den Innenbereichen der Städte durch Verlagerungen von Wohnen und Gewerbe nach außen werden zu einem städtebaulichen wie stadtsoziologischen Problem angesichts ungünstiger Veränderung sozialer Strukturen in den betroffenen Stadtteilen. Und es entstehen ungenügend einkalkulierte Nachfolgelasten für kommende Generationen.

Die abzusehende demographische Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten wird dabei ebenfalls ignoriert. Tendenziell sinkender Wohlstand bei einem Teil der Bevölkerung – als Folge der Globalisierung – und eine abnehmende Wohnbevölkerung in vielen deutschen Regionen werden zwangsläufig zu erheblichen Leerständen und zum Verfall auch in den neuen Wohngebieten führen.

Verursacht wird der fortschreitende Landverbrauch durch die Hoffnung der Gemeinden, mittels Ansiedlung neuer Gewerbebetriebe höhere Gewerbesteuereinnahmen zu erlangen, kombiniert mit staatlichen Fördermitteln der EU, des Bundes und der Länder sowie durch steuerliche Anreize seitens Grundsteuer und Gemeindefinanzierung. Ferner durch die angebotsorientierten Planungen, mit denen Investoren und Nutzer angelockt werden. Fehlende zwischengemeindliche Abstimmungen kommen hinzu.

Notwendig sind daher: Abkoppelung der Flächeninanspruchnahme vom Wirtschaftswachstum, eine ökologische Reform des Gemeindefinanzsystems (Grund- und Gewerbesteuer, kommunaler Finanzausgleich, kommunaler Anteil an der Einkommensteuer). Dafür Anreize zum Flächensparen und zur konsequenten Innenentwicklung. Innenentwicklung vor Außenentwicklung heißt: Aufwertung der Städte und Dörfer. Auch Bürgerbeteilungen bei den Planungen zum Beispiel durch Planungszellen gehören zu einer Wende in der Politik der Baulandausweisungen. Vor allem ein Ausbau der Mitwirkungsrechte der anerkannten Naturschutzverbände bei den Planungen zum Ausbau von Straßen und Gewässern, bei der Anlage von Kiesgruben, bei Eingriffsplanungen in Naturschutzgebieten oder bei Flurbereinigungen.

Kanzlerin Angela Merkels neuestes Motto "Wir dürfen unsere Zukunft nicht verbrauchen" hat auch für den Verbrauch von Böden und Landschaften zu gelten. Zwar hatte schon die Schröder-Regierung die nachhaltige Flächennutzung programmiert, und im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien 2005 das Ziel bestätigt, den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren (was unzureichend wäre), doch geschehen ist nichts.

Sowenig wie in den vergangenen fünfzig Jahren, in denen die Naturschutzverbände wiederholt auf diese ökologische und umweltpolitische Herausforderung aufmerksam machten, erneut mit einem im Mai dieses Jahres veröffentlichten Positionspapier und einem Leitfaden für die Kommunen zur Umsetzung einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung. Nachhaltige Entwicklung setzt einen tatsächlichen ökologischen Bewußtseinswandel der gesamten Gesellschaft voraus, eine grundlegende Änderung im Lebensstil – weg von Theorie und Praxis ständigen wirtschaftlichen "Wachstums".

Ausführliche Informationen im Internet: https://www.euronatur.org/fileadmin/docs/umweltpolitik/FlaechPosPap200605.pdf

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