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Krieg im gesamten Kaukasus entfesseln

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Kopfprämien – das waren letzte Woche die Antworten auf das Geiseldrama von Beslan, bei dem 339 Menschen ums Leben kamen. Umgerechnet 8,2 Millionen Euro gibt es von russischer Seite für die Ergreifung des tschetschenischen Ex-Präsidenten Aslan Maschadow und dessen Kurzzeitpremiers Schamil Bassajew. „Wir bieten Ländern, Organisationen oder Einzelpersonen, die der Republik Tschetschenien aktiv dabei helfen, den Kriegsverbrecher Wladimir Wladimirowitsch Putin zu ergreifen, eine Belohnung von 20 Millionen Dollar“, war wiederum auf einer tschetschenischen Internetseite zu lesen. Moskau kündigte darüber hinaus an, gegen den internationalen Terrorismus weltweit auch „präventiv“ vorgehen zu wollen. Damit schließt sich Putin der wenig erfolgreichen US-Strategie an: „Was präventive Schläge gegen Terrorlager angeht“, so erklärte der russische Generalstabschef Juri Balujewski, „werden wir alle Maßnahmen ergreifen, um die Lager zu zerstören, egal in welcher Region der Erde“. Den Einsatz von Atomwaffen schloß Verteidigungsminister Sergej Iwanow aber aus. Westliche Experten bewerten diese Ankündigung als „leere Drohung“. Rußland, so die Meinung, sei für Präventivschläge weder technisch noch logistisch gerüstet. Weiter wurde darauf verwiesen, daß das russische Kettengerassel wohl eher der Beruhigung der eigenen Bevölkerung diene, als daß es einen ernsthaften Hintergrund habe. Wohl deshalb zeigten die USA für die russische Drohung Verständnis: „Jedes Land hat das Recht, sich selbst zu verteidigen“, hieß es dazu aus Washington. Der britische Außenminister Jack Straw äußerte sich ähnlich. Gemäß Uno-Bestimmungen hätten Staaten nicht nur das Recht auf Selbstverteidigung, sondern bei einer „unmittelbaren oder wahrscheinlichen Terrorgefahr“ auch das Recht auf die „Ergreifung geeigneter Maßnahmen“, erklärte Straw. Das schließt nun aber nicht aus, daß das „nahe Ausland“, wie etwa Georgien, mit Präventivschlägen zu rechnen hat, sollten russische Sicherheitskräfte dort antirussische Terrorgruppen vermuten. Washington hatte Rußland bislang immer davor gewarnt, etwa im georgischen Pankisi-Tal militärisch einzugreifen. Das Gebiet ist ein Unterschlupf für tschetschenische Untergrundgruppen. Rußland gegen Einmischung in innere Angelegenheiten Der einzige überlebende Terrorist von Beslan hat im russischen Fernsehen erklärt, die Aktion in Beslan hätte den Sinn gehabt, einen „Krieg im gesamten Kaukasus zu entfesseln“. Schließlich waren die meisten Opfer keine Russen, sondern christliche Osseten. Dies nahm die russische Regierung nun zum Anlaß, dem Westen „Doppelmoral“ vorzuwerfen. Die Sicherheitsdienste westlicher Staaten, so wetterte Außenminister Sergej Lawrow, arbeiteten bei der Terrorismusbekämpfung immer noch nicht voll mit Rußland zusammen. Besonders erbost es Lawrow, daß sich Großbritannien und die USA bisher geweigert haben, die beiden Maschadow-Stellvertreter, Ex-Außenminister Iljas Achmadow und Sprecher Achmed Sakajew, auszuliefern. Eine klare Absage erteilte Lawrow auch dem Vorschlag, andere Staaten an der Lösung des Konfliktes in Tschetschenien zu beteiligen. „Ich habe nie von solchen Forderungen an ein anderes Land gehört, das Opfer des Terrors wurde. Aus irgendeinem Grund gilt es als unmoralisch, den Vereinigten Staaten, Italien oder Frankreich solche Dinge zu sagen.“ Keine Frage: Moskau setzt weiter auf eine „russische“ Lösung des Tschetschenien-Konfliktes und erwartet, daß das Ausland bei den staatsterroristischen Aktionen Rußlands in Tschetschenien dezent wegschaut – angesichts des ohne Uno-Mandat geführten Irak-Kriegs der USA kein unerwartetes Ansinnen.
Putin sieht sich durch die notorische Erfolglosigkeit bei der Jagd auf Warlords wie Bassajew – oder den mit ihm verbündeten Jordanier Emir Chattab – auch im Inneren herausgefordert. Nur so ist wohl zu erklären, daß der russische Präsident nun eine „radikale“ Reform der Machtstrukturen ankündigte. Vor 500 Regionalvertretern kündigte er letzten Montag an „die zentralen und regionalen Machtorgane“ in einen „einheitlichen und streng hierarchisch gegliederten Organismus“ umzuorganisieren. Die Regionalgouverneure und Präsidenten der Republiken sollen künftig nicht mehr direkt, sondern auf Vorschlag des Präsidenten von den Regionalparlamenten gewählt werden. Bei der Dumawahl sollen alle 450 Sitze mittels Verhältniswahlrecht und damit über Parteilisten vergeben werden. Bislang wurde die Hälfte der Parlamentsabgeordneten nach Mehrheitswahlrecht bestimmt, was auch Regionalpolitikern ins russische Parlament verhalf. Ob die damit verbundene faktische Abschaffung des Föderalismus das Terror-Problem löst, ist unwahrscheinlich. Man nimmt Putin und seinen Diensten inzwischen auch nicht mehr ab, daß unwegsame Gebirgstäler oder das tschetschenische Sippensystem die alleinigen Gründe für die Mißerfolge sind. Und es sind nicht nur Verschwörungstheoretiker, die von Verbindungen zwischen Rebellen und russischen Geheimdiensten ausgehen. Wie es wohl komme, so zitierte Spiegel-Online am 9. September einen russischen Gewerkschafter, „daß die Mordschützen von Beslan mit modernster russischer Waffentechnik“ ausgerüstet waren.
Selbst über Bassajew, der bis 1991 Agrarwissenschaften in Moskau studierte und nebenbei mit PCs handelte, existieren Gerüchte. Obwohl er im November 1991 ein sowjetisches Passagierflugzeug nach Ankara entführte und seine Geiseln anschließend in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny freiließ, blieb er unbehelligt. Im Juni 1995 war Bassajew Kopf der blutigen Geiselnahme im südrussischen Budjonnowsk, bei der über 150 Menschen starben. Trotzdem trat er bei den Präsidentschaftswahlen im Januar 1997 gegen Maschadow an. 1998 wurde er sogar kurzzeitig dessen Regierungschef. Im August 1999 zettelte Bassajew mit Chattab in der angrenzenden Republik Dagestan eine Rebellion an – was zum Auslöser des zweiten Tschetschenien-Kriegs wurde. Selbst wenn Bassajew oder Chattab gefaßt würden – ein Ende des Terrors ist nicht in Sicht. „Schwarze Witwen“ und zu gewaltbereiten Islamisten gewandelte tschetschenische Nationalisten gibt es in der Region mehr als genug. Auch dank Putins „harter Hand“.

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