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Der Zündstoff bleibt

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Das Jahresende 2003 mit den Marathonsitzungen in den Bundestagsfraktionen und dem Vermittlungsausschuß hat den Skandal um den Ausschluß des CDU-Abgeordneten Martin Hohmann aus der Unionsfraktion in den Hintergrund treten lassen. Das liegt ganz und gar im Sinne der Unionsführung – vor allem jedoch in dem der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel. Schon seit Ende November hatten die Medienbeauftragten der Union ihren ganzen Einfluß in die Waagschale geworfen, um das Thema totschweigen (und es sich damit möglichst schnell totlaufen) zu lassen. Wie immer, wenn die gutmenschlichen Tonangeber der political correctness die Richtung vorgeben, schwenkten auch diesmal wieder die „Bataillone der Anständigen“ nach links. Vom Tisch ist das Thema damit aber noch lange nicht. In der Union brodelt es weiter, von der Millionenschar ihrer Wähler und (in vielen Fällen schon ehemaligen) Sympathisanten ganz zu schweigen. Das neue Jahr wird das Problem – und ein solches ist es für die Union nach wie vor – jedenfalls wieder auf die Tagesordnung setzen. Der Maßgabe des CDU-Vorstandes folgend, hat Roland Koch als hessischer CDU-Landesvorsitzender inzwischen auch das Ausschlußverfahren Martin Hohmanns aus der CDU in Gang setzen müssen, und damit dürfte er noch einige Schwierigkeiten bekommen. Dem auch nur einigermaßen aufmerksamen Beobachter war ja von Anfang an nicht entgangen, mit welchem Widerwillen Koch den Vorgang begleitet und sich der Presse, wo es nur ging, entzogen hatte. Er dürfte sehr schnell gerochen haben, daß ihn der „Fall Hohmann“, so wie er von den Drahtziehern in Berlin und München eingefädelt worden war, aus dem Rennen um die mögliche Kanzlerkandidatur der Union herauskatapultieren sollte. Das dürfte wohl auch so kommen. Denn soviel steht zu Beginn dieses Jahres fest: Da sich sowohl Hohmanns CDU-Ortsverband wie seine zuständige Kreisorganisation (von den vielen anderen mit Hohmann sympathisierenden Unionsmitgliedern und Organisationen ganz zu schweigen) dem Ausschluß widersetzen, kann Koch ihn nur durch ein höchst fragwürdiges Verfahren über das (Landes-)Schiedsgericht der Partei durchsetzen. Deshalb ist Hohmann entschlossen, alle nur möglichen Rechtswege zu gehen. Und das dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit bis in die nächsten Wahlen in Hessen wie zum Bundestag hineinspielen. Besonders viele Zuschriften von Führungskräften Allein dieser kurze Abriß der Verfahrensmauschelei, in welche sich die Union selber hineingetrieben hat, macht ihre gegenwärtige Verfassung deutlich. Ernst zu nehmen ist eine solche Organisation – und weniger noch ihre Repräsentanten – eigentlich nicht mehr. Das jedenfalls ist der Eindruck, der sich den Initiatoren der Initiative „Kritische Solidarität mit Martin Hohmann“ aufdrängt, die sich spontan nach der Kampagne gegen den Abgeordneten Anfang November gebildet hatte. Aus den Tausenden von Unterschriften, Briefen, Fax- und E-Mail-Zuschriften, die in kürzester Zeit eingegangen sind, geht hervor, daß nicht die Rede Hohmanns, sondern einzig die Reaktion der Unionsführung darauf als „Skandal“ aufgefaßt wird. Denn schließlich hatte er damit begonnen, daß der Redakteur einer öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendung eine Falschmeldung verbreiten durfte. Hohmann habe die Juden als „Tätervolk“ bezeichnet, hieß es darin, und das war eine eklatante Tatsachenverfälschung. Eine einzige schroffe Zurückweisung mit der Aufforderung an den zuständigen ARD-Intendanten, diesen Redakteur zur Verantwortung zu ziehen, hätte genügt, das Thema zu beenden. Statt dessen trat ein, was unserer Demokratie schon jetzt schwer geschadet hat und ihr weiteren Schaden zuzufügen droht. Auffällig an den Zuschriften ist die große Zahl aus Kreisen der Führungskräfte: Professoren, Lehrer, Unternehmer, leitende Persönlichkeiten aus allen Bereichen der Wirtschaft. Ebenso auffallend aber auch: wenig Reaktion aus dem allgemeinen Bereich des öffentlichen Dienstes. Nach der an Diktaturen erinnernden beleidigenden Entlassung des Generals Reinhard Günzel durch den Bundesverteidigungsminister, dessen Entlassungsurkunde der sonst so auf demokratisch-korrektes Verhalten pochende Bundespräsident Rau gewissermaßen zwischen Tür und Angel unterschrieben hat, ist das nicht verwunderlich. Unser öffentlicher Dienst ist längst verlängerter Arm der Parteienoligarchie, und da sind links-korrektes „nach-dem-Munde-Reden“ und Duckmäusertum oberstes Gebot. Inhaltlich liegen die Zuschriften ziemlich gleich. Als „antisemitisch“ wird die inkriminierte Hohmann-Rede vom 3. Oktober von niemandem erkannt. Und ebenso eindeutig wird hervorgehoben, daß es an dem Satz „Daher sind weder ‚die Deutschen‘, noch ‚die Juden‘ ein Tätervolk“ keinen Zweifel geben kann. Zugleich aber wird von fast allen, die sich mit der Rede auseinandergesetzt haben, hervorgehoben, daß es über den Inhalt im allgemeinen durchaus Diskussionsbedarf gibt. Daß jedoch die Unionsführung eine sachliche Diskussion darüber überhaupt nicht führen will, wohl auch dazu intellektuell gar nicht in der Lage ist, macht, neben dem auslösenden Element der Falschmeldung, den beängstigenden Skandal aus. Keinem Zweifel sollte sich die Unionsführung darüber hingeben, daß sie bei einem erheblichen Teil ihrer bisherigen Anhänger unwiederbringlich Kredit verspielt hat. Dazu hat die Art geführt, wie sie mit dem Abgeordneten Hohmann umgesprungen ist. Ihm – und damit auch allen, die die Rede eben nicht als antisemitisch einzustufen bereit sind – vorschreiben zu wollen, wie ein Text auszulegen ist, verstößt eindeutig gegen Artikel 5 Grundgesetz, der die Meinungsfreiheit garantiert. Und als von nicht geringerer Bedeutung wird Artikel 38 Grundgesetz angesehen, wonach Abgeordnete „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind. Daß ausgerechnet einem Abgeordneten, der sein Mandat mit absoluter Mehrheit, ohne Listenabsicherung und Pusch durch den Parteiapparat errungen hat, der politische Garaus gemacht wird, verstehen viele Unionsmitglieder oder -sympathisanten auch als Angriff auf ihre intellektuelle Würde – von der Gefahr für die demokratische Grundordnung ganz zu schweigen. Gewissermaßen das berühmte I-Tüpfelchen setzte die CDU-Vorsitzende am 12. November mit einem Brief an alle Funktionsträger (Orts-, Kreis-, Bezirks, Landes- und sonstige Vorsitzenden und hauptamtlichen Sekretäre und Geschäftsführer), in dem sie den Ausschluß Hohmanns aus der Fraktion zu begründen versucht. Darin äußert sie sich weitschweifig über die Grundwerte der CDU und beteuert, daß alles nur denkbare versucht worden sei, „um Einsicht des Betroffenen zu erreichen und damit Integration zu ermöglichen“. Dazu sei Hohmann nicht bereit gewesen. Und weil sich die Union in der derzeit schwierigen innen- und wirtschaftspolitischen Lage keine Diskussion um die Frage eines „Tätervolkes“ aufdrängen lassen könne, habe es keine andere „verantwortbare Alternative“ gegeben. Das legte Merkel ihren Untergebenen auf den Tisch, ohne den Text der Hohmann-Rede anzufügen. Das muß gerade bei der aus dem Osten gekommenen Vorsitzenden verwundern. Denn so kannten wir das bisher nur aus dem Kommunismus, wir Älteren noch aus der NS-Diktatur. Es war und ist das Markenzeichen des Totalitarismus, das eigene Urteilsvermögen durch Unterdrückung von Fakten zu ersticken. Ausschlußanträge gegen Tausende von Unterstützern? Dies sind die herausragenden Kritikpunkte am Vorgehen der Unionsführung gegen den Abgeordneten Hohmann. Weiterer Zündstoff bahnt sich an. Die rigoros-unbeherrschte Art, mit der die Führungsmitglieder Jürgen Rüttgers und Wolfgang Bosbach auf dem Leipziger CDU-Parteitag Anfang Dezember mit dem Delegierten Leo Lennartz umgesprungen waren („Sie sind das letzte Mal auf einem Parteitag gewesen“ oder „Den Sympathisanten werden wir die Kante zeigen“), löst Widerstand aus. Will nun die Führung auch Tausende von weiteren Ausschlußverfahren einleiten? Sie täuscht sich jedenfalls, wenn sie annimmt, daß es in der allgemeinen Mitgliedschaft so anpasserisch zugeht wie in der Fraktion. Dort hatten zwar „nur“ 20 Prozent gegen Hohmanns Ausschluß votiert. Aber man weiß ja, wie groß der Existenzdruck bei den vielen Listenkandidaten ist, beim nächsten Mal nicht wieder ein lukratives Abgeordnetenmandat zu bekommen. Tausende von Mitgliedern haben nichts zu verlieren – die Union aber ihre treuesten Trommler, Beitragszahler und Spender. Auf jeden Fall haben ihr Merkel, Stoiber und Co. eine bittere Suppe eingebrockt, an der sie noch ein Weilchen zu löffeln haben wird.

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