Seitdem Deutschland nur noch von Freunden umzingelt ist, schwindet das Interesse an der Sicherheitspolitik. Dabei sollen gerade in diesem Bereich die größten Veränderungen stattfinden. So will die rot-grüne Koalition die Bundeswehr zu einer Interventionsarmee umbauen. Die breite Öffentlichkeit begleitet den Prozeß, der unter den Stichwörtern „Verteidigung Deutschlands am Hindukusch“ und „Einsätze in aller Welt“ läuft, mit Desinteresse. Auch der Rücktritt des Heeresinspekteurs Gerd Gudera wurde nur kurzzeitig beachtet. Dabei ist der Abgang des 60jährigen Generals in mehrfacher Hinsicht ein Fanal. Gudera steht für den Typ des deutschen Offiziers, der die Aufgabe der Armee in erster Linie in der Landesverteidigung sieht, auch wenn er internationale Einsätze befürwortet hat. Mehr noch: Gudera ist ein Konservativer. Sein Arbeitszimmer soll ein Rommel-Bild geschmückt haben. Gegenüber Verteidigungsminister Peter Struck soll er sich sogar als „nationalkonservativ“ bezeichnet haben – das soll für Struck, dem die Partei wichtiger zu sein scheint als das öffentlich Wohl, schon ein Anlaß gewesen sein, Gudera rauszuwerfen. Was ist das für ein Land, in dessen Armee Konservative keinen Platz mehr haben? Dem Rauswurf durch Struck zuvorgekommen Aber Gudera muß noch mehr getan haben, was den Minister bis aufs Blut reizte. Als im Zuge der sogenannten Hohmann-Affäre bekannt wurde, daß der Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte (KSK), Reinhard Günzel, dem CDU-Abgeordneten einen lobenden Brief für dessen Rede geschrieben hatte, warf Struck den KSK-Kommandeur postwendend raus. Via Fernsehen wurde Günzel mitgeteilt, daß er „durchgeknallt“ und für ihn kein Platz in der Bundeswehr sei. Gudera als erster Mann des deutschen Heeres soll protestiert haben: Er verlangte für Günzel rechtliches Gehör und ein geordnetes Verfahren zur Klärung der Umstände. Für Struck, der sich in der Günzel-Angelegenheit öffentlich als Macher präsentieren und die CDU-Chefin Angela Merkel unter Druck setzen konnte, weil diese im Fall Hohmann so zögerlich agierte, war damit das Faß übergelaufen. Er wollte den unbequemen General endlich loswerden. Der Minister hatte den Inspekteur schon für Montag letzter Woche ins Bonner Ministerium einbestellt, um ihm seinen Rauswurf mitzuteilen. Heeresoffiziere nahmen Struck allerdings das Heft aus der Hand. Mehrere Stunden vor dem Termin im Ministerbüro erfuhr die Öffentlichkeit über gezielt an Nachrichtenagenturen gegebene Informationen, daß Gudera wegen Unzufriedenheit mit der neuerlichen Bundeswehr-Reform seinen Rücktritt einreichen wolle. Als diese Nachrichtenlage in der Welt war, konnte Struck Gudera nicht mehr rauswerfen, sondern mußte das Rücktrittsgesuch annehmen. Gudera bekommt nun einen Abschied in Ehren mit Großem Zapfenstreich in Berlin. Der Weg des Generals, ein knappes Jahr vor dem eigentlichen Ruhestand zu demissionieren, war richtig. Der frühere Generalinspekteur Hans-Peter von Kirchbach zollte Gudera Respekt. Ein untadeliger Soldat habe die richtigen Konsequenzen gezogen, weil Aufgaben und Finanzierung wie eine offene Schere auseinanderklaffen. In der Tat entpuppt sich Struck inzwischen genau als die Art Regierungsschauspieler, wie sie im Kabinett so zahlreich anzutreffen sind – den großen Ankündigungen folgen unzureichende Taten. Der Minister will die Bundeswehr massiv verändern. Künftig gibt es in der auf 250.000 Mann verkleinerten Armee eine Dreiteilung. An der Spitze werden die Eingreifkräfte stehen. 35.000 Mann sollen künftig bereitstehen, um an „heißen“ Kriseneinsätzen teilzunehmen. Weitere rund 70.000 sollten als Stabilisierungskräfte zum Beispiel bei Friedensmissionen auf dem Balkan wirken. Die übrigen rund 145.000 Mann, gelten als „Unterstützungskräfte“, die den Nachwuchs ausbilden und den Rest an Heimatverteidigung organisieren. Schlüssig ist das Konzept allerdings nicht, und das ist einem Fachmann wie Gudera schnell aufgefallen. Denn Struck kürzt die Rüstungsinvestitionen zusammen. 26 Milliarden Euro will der Minister bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts sparen. Davon soll das Heer mit rund 15 Milliarden den größten Batzen beisteuern. Das heißt: Teure Rüstungsprojekte wie der Eurofighter, Korvetten und U-Boote werden weitergeführt, während das Heer auf zahlreiche Anschaffungen, die dem besseren Schutz der Soldaten dienen, verzichten muß. So werden weniger gepanzerte und minensichere Fahrzeuge (zum Beispiel Transporter GTK) angeschafft. Struck plädiert zwar für Einsätze in aller Welt, spielt aber zugleich mit dem Leben der Soldaten, die schlecht ausgerüstet und unzureichend geschützt in die Einsätze gehen. Jedem verantwortungsbewußt handelnden Politiker hätte der Anschlag auf die deutschen Truppen in Kabul im Sommer letzten Jahres eine Mahnung sein müssen, mehr geschützte Fahrzeuge anzuschaffen. Statt dessen passiert das Gegenteil. Verschrottung der Heimatverteidigung Die weitgehende Verschrottung der zur Heimatverteidigung dienenden Panzer und anderen Systeme kommt hinzu. Wenn Struck alle Planungen realisiert, werden die Deutschen nur noch einen löchrigen Schutz im Inland haben – zum Beispiel bei Naturkatastrophen oder bei terroristischen Angriffen. Die nächste Bundeswehr-Einheit wird einfach zu weit weg sein, um rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein. Der fast vollständige Abbau der Sanitäts-Kapazitäten wirft die Frage auf, ob zivile Opfer im Inland künftig noch ausreichend versorgt werden können. Andererseits soll die Bundeswehr zu einem „Global Player“ werden. Das Ziel ist maßlos übertrieben. Es gibt keine Flugzeuge oder Schiffe, die die Soldaten in Einsatzgebiete bringen oder vom Einsatz abholen könnten. Die Bundeswehr schafft es nicht einmal, in Afghanistan für den neuen Einsatzort Kundus auf Dauer genügend Transporthubschrauber bereitzustellen. Es fehlt an sicheren Einsatzfahrzeugen. Nach fünf Jahren Rot-Grün bietet die deutsche Sicherheitspolitik ein verheerendes Bild: International kaum einsatzfähig, und zu Hause wird nur noch abgewickelt. Guderas Rücktritt war nur konsequent. Foto: General Gudera (r.), Peter Struck: Sein Arbeitszimmer soll ein Rommel-Bild geschmückt haben