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„Ich werde kämpfen“

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„Ich werde kämpfen“

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Vor zwei Monaten bestimmte der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann wegen seiner umstrittenen Rede zum 3. Oktober die Schlagzeilen und wurde dann aus der Unionsfraktion ausgeschlossen. Seitdem hat man fast nichts mehr von ihm gehört. Er habe eine antisemitische Rede gehalten, als er über von Juden begangene Verbrechen räsonierte, sagen die einen. Martin Hohmann ist Opfer einer falschen Berichterstattung, seine Rede enthält bei genauerer Betrachtung wenig oder gar nichts Anstößiges, sagen die anderen. Im ersten Interview seit seinem Rauswurf aus der CDU/CSU-Fraktion spricht Hohmann mit der Evangelischen Nachrichtenagentur idea über sein Verhältnis zu Juden, seine Position innerhalb der CDU und seine Zukunftspläne. idea: Herr Hohmann, es ist sehr still um Ihre Person geworden. Haben Sie aufgegeben? Hohmann: Überhaupt nicht. Ich bekomme nach wie vor Anrufe von Menschen, die Hilfe suchen; Briefe von Bürgermeistern, die zum Beispiel Straßenbauprojekte verwirklicht sehen wollen; Einladungen zu Terminen, Versammlungen, Reden. Ich setze mich weiterhin voll für meinen Wahlkreis Fuldaer Land ein. Hier spüre ich deutlich Sympathie und Unterstützung. Viele sagen, ich sei unangemessen gemaßregelt worden. Legen Sie Rechtsmittel gegen den Rauswurf aus Ihrer Fraktion am 14. November ein? Hohmann: Das prüfe ich noch. Ich habe dazu ein halbes Jahr Zeit. Es droht Ihnen auch ein Ausschluß aus der Partei. Werden Sie sich dagegen juristisch wehren? Hohmann: Auf jeden Fall. Ich vertrete die hiesige Union, bin ein Teil von ihr, auch mit ihren historischen Wurzeln bis in die katholische Zentrumspartei hinein. Hier hat man die NSDAP besonders stark abgelehnt. Hätten alle im Deutschen Reich so gewählt wie das Fuldaer Land, hätten wir den Verderber Hitler nicht als Reichskanzler bekommen. Um diesen Teil meiner Identität werde ich kämpfen. Grundlage des Streits um Ihre Person war Ihre Rede zum deutschen Nationalfeiertag am 3. Oktober. Sie haben dabei gesagt, daß in der Geschichte nicht nur von Deutschen schlimme Verbrechen begangen wurden, sondern auch von Juden, die maßgeblich an der kommunistischen Revolution in Rußland beteiligt gewesen seien, der ebenfalls Millionen Menschen zum Opfer fielen. Insbesondere Ihre Überlegung, man könnte Juden angesichts ihrer Beteiligung an diesen Verbrechen ebenfalls als „Tätervolk“ bezeichnen, hat Sie des Antisemitismus verdächtig gemacht, auch wenn Sie zum Schluß klarstellten, weder Juden noch Deutsche seien ein „Tätervolk“. Würden Sie die Rede heute noch einmal so halten? Hohmann: Ich habe vor regionalem Publikum gesprochen, nicht an einer Universität. Ich sprach nicht hochakademisch, konnte auch nicht weit ausholen. Es ist damals alles richtig verstanden worden; es gab Zwischen- und Schlußapplaus. Von Eklat keine Spur. Und im Publikum saßen ja nicht nur CDU-Leute, sondern beispielsweise auch ein SPD-Vertreter. Erst als diese Rede später unter der völlig falschen Überschrift „CDU-Abgeordneter nennt Juden ‚Tätervolk'“ durch die Online-Ausgaben von ARD-Tagesschau und Tagesthemen in die breite Öffentlichkeit gegeben wurde, waren die Folgen nicht mehr zu kontrollieren. Deswegen würde ich sie so nicht mehr halten. Was allerdings die sachlichen Punkte meiner Rede anbetrifft, hat mir bis heute keiner einen Fehler nachgewiesen. Wie kam es dann überhaupt zu dem Aufschrei? Hohmann: Der CDU-Gemeindeverband stellte meine Rede – wie frühere Reden auch – mit meinem Einverständnis auf seine Internetseite. Nach drei Wochen stieß irgend jemand auf die Seite und setzte Journalisten darauf an. Als es dann auf der Internetseite der Tagesthemen hieß: „CDU-Abgeordneter nennt Juden ‚Tätervolk'“, war der Skandal geschaffen. Mein Fehler war dabei, auf diese Falschdarstellung nicht sofort und mit allen Mitteln – etwa mit einer Einstweiligen Verfügung – reagiert zu haben. Vielleicht hätte ich damit das Feuer noch austreten können. Sie haben sich nach der scharfen öffentlichen Verurteilung Ihrer Rede dreimal entschuldigt. Ihre Kritiker sagen, Sie hätten sich nicht deutlich genug von den Inhalten Ihrer Rede distanziert. Wofür haben Sie sich denn nun entschuldigt? Hohmann: Die Nebeneinanderstellung von Tätern unter Deutschen und Tätern unter Juden ist offensichtlich ein Tabubruch in unserem Land – leider gibt es kein Tabu gegen die gängige Abtreibungspraxis und Abtreibungsmentalität. Keinesfalls wollte ich die Gefühle jüdischer Menschen verletzen. Manches hätte ich anders formulieren sollen. Den Streit um meine Rede hätte ich uns allen erspart. Es gab fast nur noch ein Heulen mit den Wölfen Ihnen ist ein falscher Volksbegriff vorgeworfen worden. Die Juden in Deutschland etwa verstanden sich ja nicht als Volk im Volke, sondern als jüdische Deutsche, als Teil des deutschen Volkes. Die bolschewistischen Juden verstanden sich kaum noch als Juden. Haben Sie hier nicht unzulässig die Ebenen vermischt? Hohmann: Historisch war es so: In der Sowjetunion wurde unterschieden zwischen Staatangehörigkeit (sowjetisch) und Nationalität (russisch, ukrainisch, usw.). Die Juden wurden in der Sowjetunion als Volk geführt, so stand es in den Pässen. Und so sehen sich die Juden bis heute selbst. Auch Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, schreibt in seinem neuesten Buch: Wer dem jüdischen Glauben beitritt, tritt nicht nur einem Glauben bei, sondern einem Volk. Das Judentum ist nach seinem Selbstverständnis mehr als nur eine Religion. Hätten Sie den als Antisemiten bekannten Henry Ford als Kronzeugen erwähnen dürfen? Hohmann: Ich habe den damaligen US-Präsidenten Wilson und den Autokönig Ford zitiert. Daß Ford Antisemitismus vorgeworfen wird, darüber wußte ich wenig. Meines Wissens ist es in den USA bis heute nicht anstößig, Ford zu zitieren. Außerdem müssen Sie bedenken: Alle meine Zitate stammen aus den 1920er Jahren, also aus der Sicht der Zeitzeugen. Die heute vorherrschende Bewertung erfolgt ausschließlich aus dem Blickwinkel von Auschwitz. Als geradezu verletzend wurde bei Ihrer Rede gewertet, daß Sie angesichts der schwächelnden deutschen Wirtschaft forderten, auch die Entschädigungsleistungen an Nazi-Opfer zurückzufahren. Wo ist Ihr Mitgefühl? Hohmann: Wenn unsere Leistungskraft sinkt, müssen wir allen, auch den Empfängern von Entschädigungsleistungen, sagen dürfen: Es läuft nicht mehr so bei uns; Ihr müßt Euch bereiterklären, ähnlich wie deutsche Rentner gewisse Einschränkungen hinzunehmen. Ich bin überzeugt, das würde dieser Personenkreis auch einsehen, aber man versucht es nicht einmal. Aber gesamtwirtschaftlich wäre das doch überhaupt keine Größenordnung. Warum sollte man ausgerechnet bei den Nazi-Opfern sparen? Hohmann: Sie haben recht, daß an solchen Einsparungen unser Finanzsystem nicht genesen wird. Aber es wäre ein positives Signal. Die heutigen Beitragszahler sind ja an den Nazi-Verbrechen unschuldig, aber sie tragen die Folgelasten. Das tun sie williger, wenn sie den Eindruck haben, nicht unverhältnismäßig beansprucht zu werden, sondern daß es „gerecht“ zugeht. Der US-Nachrichtensender CNN sprach von einer „Nazi-Rede“, die Sie gehalten hätten, der „Stern“ stellte Sie auf eine Stufe mit Hitlers Chefpropagandisten Goebbels, „Bild“ nannte Sie permanent den „CDU-Hetzer“. Dagegen tauchte der Satz Ihrer Rede, daß es falsch sei, die Juden oder ein anderes Volk als „Tätervolk“ zu bezeichnen, in der Berichterstattung fast nirgends auf. Wie erklären Sie sich das? Hohmann: Es ist kaum zu erklären. Nachdem die falsche Überschrift durch das Erste Fernsehprogramm draußen war, gab es fast nur noch ein Heulen mit den Wölfen. Die Bereitschaft zu eigenständiger Recherche und eigenständiger Beurteilung geht bei manchen Themen eben gegen Null. Die Leute wollen dann auf der „richtigen“ Seite gestanden haben; Fakten spielen keine Rolle mehr. Das ist ein massenpsychologischer Vorgang. Tut es Ihnen weh, Antisemit genannt zu werden? Hohmann: Ja, das ist ein schlimmer Vorwurf. Ich werde versuchen, die unwahre Aussage, ich hätte die Juden als „Tätervolk“ bezeichnet, mit rechtlichen Mitteln zu verfolgen. Antisemitismus bedeutet grob gesprochen: Haß auf alles Jüdische – und der ist mir völlig fremd. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, das deutsch-jüdische Verhältnis zu „normalisieren“, falls so etwas überhaupt möglich ist. Als Bürgermeister habe ich mich für die Wiederaufstellung jüdischer Grabsteine auf unserem Neuhofer Friedhof eingesetzt. In vielen Reden habe ich auf die einzigartigen Verbrechen der Nationalsozialisten hingewiesen. Vor dem Bundestag habe ich unter dem Beifall aller Fraktionen den Bibelvers aus dem Alten Testament zitiert, den Gott an Abraham richtet: „Wer Dich segnet, den will ich segnen; und wer Dich verflucht, den will ich verfluchen.“ Juden hatten in Gottes Heilsplan eine Vorrangstellung. Ihr Erstgeburtsrecht müssen wir anerkennen. Meine Rede enthält kein strafbares Unrecht Warum haben Sie sich bei der nachfolgenden Antisemitismus-Debatte im Bundestag nicht gemeldet? Dort hätten Sie doch ein klärendes Wort sagen können. Hohmann: Der Versuch eines klärenden Wortes wäre in der aufgeheizten Situation nur wieder mißdeutet worden. Da war eine Aura der Vorverurteilung. Im übrigen habe ich den Eindruck, daß die Antisemitismus-Debatten – auch die im Bundestag – etwas Formelhaftes, Starres, Ritualhaftes bekommen. Wie würden Sie Ihr eigenes Verhältnis zu den Juden beschreiben? Hohmann: Offen und unverkrampft. Mit Juden arbeite ich gut zusammen. Zwei jüdische Bekannte haben mir angeboten, sie würden im Wahlkampf für mich Plakate kleben. Derzeit laufen 13 Strafverfahren gegen Sie wegen Volksverhetzung. Wie verteidigen Sie sich gegen den Vorwurf? Hohmann: Alle Juristen, mit denen ich gesprochen habe, sind der Meinung: Meine Rede enthält kein strafbares Unrecht. Warum war nicht wenigstens Ihre eigene Fraktion solidarisch mit Ihnen? Immerhin sind Sie der Forderung nach einer Entschuldigung nachgekommen. Hohmann: Es gab einzelne, die sich mutig vor mich gestellt haben. Dafür bin ich sehr dankbar. Immerhin hat jeder fünfte nicht für meinen Ausschluß votiert. Im Kern ging es bei der Abstimmung um die Autorität und Stellung der Fraktionsvorsitzenden Merkel, die den Ausschlußantrag gestellt hatte. Der Mehrheit erschien Hohmanns Abwahl das geringere Übel. Als jedermanns Liebling galten Sie schon vorher nicht: Sie haben sich als Christ profiliert gegen die Abtreibung und die „Homo-Ehe“ ausgesprochen und im Bundestag auch eine „christlich-muslimische Verbrüderung“ abgelehnt, die die Unterschiede zwischen dem Gott der Bibel und dem Gott des Koran verwischt. Haben Ihre Gegner jetzt alte Rechnungen beglichen? Hohmann: Wer gegen den Zeitgeist Klartext redet, weckt bei vielen nicht gerade Unterstützungsbereitschaft. Aber damit kann ich leben. Ich mache Politik auf einem geistlichen Hintergrund. Beim Jüngsten Gericht werde ich gefragt werden: „Was hast Du als Politiker getan? Was hätte es Dich gekostet, das Richtige zu sagen und zu tun?“ Dann muß ich wenigstens sagen können, daß ich die Dinge beim Namen genannt habe. Es gab auch Solidaritätsbekundungen von einem bundesweiten Initiativkreis und dann natürlich aus Ihrem Wahlkreis, wo Sie bei der letzten Wahl mit 54 Prozent das insgesamt viertbeste Ergebnis der CDU in Deutschland eingefahren haben. Es heißt, aus Protest gegen den Umgang mit Ihnen seien fast 200 der rund 4.000 CDU-Mitglieder im Kreis Fulda aus der Union ausgetreten. Tut Ihnen das gut? Hohmann: Ich habe jeden gebeten, in der Union zu bleiben und weiterhin für christlich-konservative Positionen kämpfen. Ich werde auch um mein Verbleiben in der Union kämpfen. Wir tun denen, die christliche Positionen vertreten, keinen Gefallen, wenn wir die Union hier im Wahlkreis mit ihrer positiven Grundrichtung schwächen. Der Kommandeur der KSK-Eingreiftruppe Günzel hatte Ihre Rede in einem Brief gelobt. Sie wiesen einen ZDF-Journalisten darauf hin. Das ZDF sendete die Information – und Günzel wurde fristlos gefeuert. Hätten Sie die Medien überhaupt über diesen Brief informieren dürfen? Hohmann: Aus Günzels Brief zitierte ich erst, nachdem mir der ZDF-Journalist vor Zeugen versprochen hatte: Der Name Günzel wird nicht genannt! Was dann kam, war ein klarer Vertrauensbruch seitens dieses Vertreters der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt ZDF. Haben Sie inzwischen noch mal mit Günzel gesprochen? Hohmann: Mehrfach. Damals, als die Sache durch die Presse ging, hatte ich ihn sofort angerufen und ihm die Sache geschildert und mich entschuldigt. Es tat und tut mir bis heute außerordentlich leid. Da Sie politisch innerhalb der bundesweiten Union abserviert sind – könnten Sie sich vorstellen, eine neue Partei zu gründen? Hohmann: Die Gründung einer neuen Partei kann und will ich mir überhaupt nicht vorstellen. Die Union im Fuldaer Land ist meine politische Heimat und wird es hoffentlich auch bleiben. Aufgrund Ihres Eintretens für den christlichen Glauben und die christliche Ethik sind Sie in den Medien immer wieder als „Fundamentalist“ gebrandmarkt worden. Verstehen Sie sich selbst als Fundi? Hohmann: Wenn Fundamentalist jemand ist, der die Bibel und die Lehre der Kirche als sein „Grundgesetz“ ansieht, dann bin ich gerne Fundamentalist. Wir brauchen Fundamente – die Menschen sehnen sich heute nach Fundamenten und Halt. Die Kirchen tun zu wenig, diese Fundamente und Freude an Gott und Glauben zu vermitteln. Diese Krise hat meinen Glauben nur noch intensiviert Was ging Ihnen durch den Kopf, als der frisch gewählte EKD-Ratsvorsitzende, der berlin-brandenburgische Bischof Wolfgang Huber, als erster Kirchenmann den Rauswurf des Katholiken Hohmann aus der Fraktion begrüßte? Hohmann: Ich halte allen, die sich damals in dieser Weise geäußert haben -darunter ja auch katholische Würdenträger – zugute, daß sie einfach die Rede nicht gelesen hatten. Anders kann ich mir die Reaktion nicht erklären. Was hat Sie in den vergangenen Wochen geistlich getröstet und ermutigt? Hohmann: Ich habe öfters an Psalm 23 gedacht, in dem auch vom „finsteren Tal“ die Rede ist. Mein Glaubensleben habe ich in dieser Krise intensiviert – bei Gottesdienstbesuch, Gebet, Bibellesen. Zuspruch und Trost von Freunden, besonders von religiös geprägten Freunden, halfen sehr. Der Dreiklang Glaube, Familie, Freunde, das hat getragen. Dafür bin ich überaus dankbar. Fühlten Sie sich nicht von Gott im Stich gelassen? Hohmann: Der Glaube hilft, aber er gibt keine Versicherung gegen Schmerzen und Schwierigkeiten. Mir haben Tausende geschrieben. Viele äußerten, sie beteten für mich. Ich habe es geradezu körperlich gespürt, daß diese Gebete geholfen haben und bis heute helfen. Wenn ich jemals die Wirksamkeit von Gebeten erfahren habe, dann jetzt. Wir danken für das Gespräch. weitere Interview-Partner der JF

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