Zugegeben: Die Lage der öffentlichen Haushalte ist ernst. Nach der aktuellen Steuerschätzung bleiben die Steuereinnahmen im laufenden Jahr um etwa 8,7 Milliarden Euro hinter den Ansätzen der letzten Steuerschätzung zurück. Gleichzeitig fallen wegen der schlechten konjunkturellen Entwicklung erhebliche Mehrausgaben an, etwa für die Bundesanstalt für Arbeit. Die Defizitquote, die Relation von gesamtstaatlicher Nettoneuverschuldung zum Bruttoinlandsprodukt, wird in diesem Jahr den kritischen Wert von drei Prozent erheblich überschreiten, nachdem sie schon im Vorjahr bei 3,6 Prozent gelegen hatte. Auch für die kommenden Jahre ergeben sich erheblich Mindereinnahmen gegenüber der Steuerschätzung vom Mai 2002. Und es wäre wirklich fatal, wenn der Referenzwert von drei Prozent für die Defizitquote auch im nächsten Jahr wieder überschritten würde. Eine Erhöhung des Normalsatzes der Umsatzsteuer von 16 auf 18 Prozent erscheint da als naheliegender Ausweg aus den staatlichen Finanznöten. Sie würde ein Mehraufkommen von jährlich etwa 15 Milliarden Euro erbringen, von dem vor allem Bund und Länder zu etwa gleichen Teilen profitieren. Dies wäre der bequeme, aber der wirtschaftspolitisch falsche Weg. Die sowieso schon schwache Binnennachfrage würde durch eine Umsatzsteuererhöhung noch weiter geschwächt. Schon allein deshalb verbietet sich eine isolierte Erhöhung des regulären Umsatzsteuersatzes. Nun wird argumentiert, daß man im Gegenzug zur Erhöhung der Umsatzsteuer entweder die Beitragssätze zur Sozialversicherung reduzieren oder ein Vorziehen der für 2005 geplanten Senkung der Einkommensteuertarife finanzieren könne. Auch davon ist abzuraten. Eine solche Umfinanzierung würde ökonomisch wenig bringen, sie würde lediglich von den Konsolidierungsnotwendigkeiten in den sozialen Sicherungssystemen und auf der Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte ablenken. Es sollte endlich Schluß sein mit der fortwährenden Debatte um Steuererhöhungen, egal ob Umsatzsteuer oder Wiedererhebung der Vermögensteuer. Wenig hilfreich ist allerdings auch die Forderung nach kurzfristigen Steuersenkungen. In den Jahren 2004 und vor allem 2005 werden die Einkommen-steuersätze doch erheblich reduziert. An diesem Zeitplan sollte festgehalten werden. Darüber hinausgehende Steuersenkungen kommen realistisch erst nach 2005 in Frage. Der einzuschlagende Weg ist unbequem, aber ohne Alternative: Die dringend erforderliche Konsolidierung der öffentlichen Haushalte muß über die Ausgabenseite erfolgen. Das ist leichter gesagt als getan, aber trotzdem richtig. Prof. Dr. Wolfgang Wiegard ist Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Volkswirtschaftslehre an der Universität Regensburg.
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