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Ex-Kommunisten sind die Königsmacher

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Ex-Kommunisten sind die Königsmacher

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Cato, Palmer, Exklusiv

Schon vor der Auszählung der Stimmen ließ sich Hun Sen, seit 18 Jahren Regierungschef in Kambodscha und Chef der Volkspartei CCP (Ex-KP/Volksrevolutionäre Partei), zum Wahlsieger ausrufen. Der monarchistischen Funcinpec und der nach einem Königssohn benannten Sam Rainsy Partei (SRP) richtete er öffentlich aus, sollten sie eine Regierung ohne seine Führungsrolle bilden, werde er dies als Putschversuch gewaltsam unterdrücken. Dazu kam es nicht, denn die CCP hatte nach der Auszählung Ende Juli mit 48 Prozent der Stimmen 73 von 123 Mandaten errungen. Funcinpec und SRP blieben mit 22 Prozent bzw. 20,4 Prozent nur 26 und 24 Sitze. Dennoch benötigt Hun Sen einen Koalitionspartner, den bislang die mit ihm gründlich verfeindete Funcinpec gestellt hatte, denn in Kambodscha können Gesetze nur mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Beide Parteien erklärten bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, angesichts des Wahlbetrugs, der Einschüchterungen und des Stimmenkaufs der Ex-KP seien sie dazu nicht bereit. Hun Sen, der 1985 Premier einer von Vietnam eingesetzten Marionettenregierung wurde, ist mittlerweile der dienstälteste Regierungschef Ostasiens. 1951 wurde er als Sohn armer Bauern in der Landprovinz Kampong Chom geboren. Er genoß Grundschulbildung in einem buddhistischen Kloster und schloß sich mit 18 Jahren 1970 den Roten Khmer an, einer damals unbedeutenden Guerillagruppe, die die von den Amerikanern angestiftete Diktatur des entscheidungsschwachen Generals Lon Nol bekämpfte. Fünf Jahre später, zwei Wochen vor dem Fall von Phnom Penh, verlor Hun Sen durch einen Granatsplitter ein Auge. Da der wahllose Terror des siegreichen Pol Pot nicht nur Städter, Intellektuelle, Geistliche, Soldaten von Lon Nols Armee und Angehörige nationaler Minderheiten, sondern oft genug die eigenen KP-Genossen traf, setzte sich der zum stellvertretenden Bataillonskommandeur aufgestiegene Hun Sen 1977 nach Vietnam ab. Im Dezember 1979 kam er mit den vietnamesischen Invasoren zurück und wurde mit 27 Jahren Außenminister in der von Hanoi eingesetzten Regierung. 1985 wurde Hun Sen Regierungschef. In einem zehnjährigen, auf beiden Seiten brutal geführten Bandenkrieg drängte die vietnamesische Armee die Roten Khmer und die damals mit ihnen verbündeten Royalisten und Nationalisten in die thailändischen Grenzgebiete. Erst das Ausbleiben sowjetischer Hilfe und der internationale Druck erzwangen 1989 den vietnamesischen Abzug. Hun Sen handelte den Pariser Waffenstillstand von 1991 aus und überlebte als Premier das UN-Mandat (Untac) von 1991-93 ebenso wie die ersten Wahlen von 1993, obwohl er bei diesen nach dem Wahlsieg von Funcinpec nur zweiter wurde. Mit König Sihanouks Hilfe und der Androhung von Gewalt zwang er Prinz Norodom Ranariddh, den Funcinpec-Präsidenten, ihn als gleichberechtigten Ministerpräsidenten zu akzeptieren. 1997 vertrieb Hun Sen, der die Armee, die Polizei und den Geheimdienst weiter kontrollierte, Ranariddh in einem Staatsstreich durch den Einsatz von Panzern, der viele Funcinpec-Anhängern das Leben kostete. Unter internationalem Druck mußte er den Prinzen ein Jahr später wieder ins Land lassen. Diesmal ließen sich Ranariddh mit dem Posten des Vizepremier und seine Partei mit unwichtigen Ministerien abspeisen. So konnte Hun Sen bei den zweiten Wahlen 1998 durch die Kontrolle der Staatsmedien, seinen Sicherheitsapparat, den Einfluß der von der CCP ernannten 1.600 Dorfbürgermeister und nicht zuletzt durch den Terror, dem 200 Oppositionspolitiker in durchweg ungeklärt bleibenden Morden zum Opfer fielen, dafür sorgen, daß die CCP diesmal mit 64 von 123 Mandaten Wahlsieger wurde. Wiederum willigte die Funcinpec ein, die undankbare Rolle des Juniorpartners in Hun Sens autokratischer Regierung zu übernehmen. Bei den ersten Kommunalwahlen im Januar 2002 wurden mit der gleichen Methode, der wieder 100 Oppositionspolitiker zum Opfer fielen, 99 Prozent aller CCP-Bürgermeister in ihre Ämter zurückgewählt. Nur in einigen Stadtbezirken der Hauptstadt Phnom Penh konnte die SRP-Opposition gewinnen. Bei den jüngsten dritten nationalen Wahlen vom Juli 2003 hatte Hun Sen den Wahlterror kaum noch nötig. Er wurde von internationalen Wahlbeobachtern dafür gelobt, daß es nur noch 20 Tote gegeben habe und die Opposition ihre Wahlwerbung im Staatsfernsehen, in dem sie sonst nie vorkommt, aussenden durfte. Tatsächlich hatten die CCP-Bürgermeister in dem zu 85 Prozent ländlichen Kambodscha von ihren Dorfgemeinschaften quasireligiöse Eidesleistungen für eine Stimmmabgabe zugunsten der führenden Regierungspartei verlangt, worauf sie T-Shirts, Saatgut, ein freies Essen und andere Wahlgeschenke erhielten. Als Regierungschef hatte Hun Sen zuvor vom Staatsfernsehen und -rundfunk bejubelt in allen Provinzen neue Straßen, Schulen und Brücken eingeweiht, die ihm allesamt von der internationalen Entwicklungshilfe bezahlt worden waren. Zum Auftakt des Wahlkampfes waren im Januar 2003 rechtzeitig anti-thailändische Krawalle entfesselt worden. Das Staatsfernsehen hatte die später abgestrittene (und inhaltlich falsche) Behauptung eines thailändischen Filmsternchens voller Empörung verbreitet, die Tempelstätten der damaligen Khmer-Hindu-Gottkönige von Angkor Wat seien eigentlich thailändischen Ursprungs. Die Thais sind ebenso unbeliebt wie die Vietnamesen, die die seit 500 Jahren anhaltende historische Schwäche der Kambodschaner stets zu Geländegewinnen auszunutzen pflegten. Bald wurden die thailändische Botschaft, die Büros von Thai Airways, das in thailändischem Besitz befindliche Royal Phnom Penh Hotel und die Channel 5 TV-Studios gebranntschatzt und geplündert. Die sonst allgegenwärtigen Sicherheitskräfte blieben unsichtbar. Dies obwohl sich die brennende Thai-Botschaft genau gegenüber dem Innenministerium, der Schaltzentrale von Hun Sens Sicherheitsapparat, befindet. Laut Sam Rainsy diente die Aufwiegelung und Tolerierung der Krawalle vornehmlich zur Ablenkung von den Korruptionsskandalen und der Mißwirtschaft der CCP. Die Opposition stellte nun ihrerseits den Premier als vietnamhörig dar: unfähig und unwillig, dem Migrationsdruck der Vietnamesen und ihren dauernden Grenzverletzungen zu begegnen. Jahrelange Mißwirtschaft trotz Milliardenhilfen Vor 18 Jahren wurde Hun Sen von der internationalen Gemeinschaft noch als Paria gemieden. Der US-Kongreß warf ihm in einer Resolution Kriegsverbrechen vor, die er nach 1978 durch den Tod Zehntausender Zwangsarbeiter, die bei von ihm gegen die Roten Khmer befohlenen Schanzarbeiten ums Leben kamen, begangen habe. Heute ist der einäugige Ex-Guerilla von Vietnams Gnaden ein geachteter Staatsmann. Hun Sen brüstet sich, sogar bestimmen zu können, wer als Nachfolger des schwerkranken 80jährigen Sihanouk der nächste König wird. Seine CCP stellt fünf der neun Mitglieder des Kronrats, der unter den 14 Kindern, die der Monarch mit sechs Frauen und Konkubinen gezeugt hat, den männlichen Nachfolger auswählt. Neben Ranariddh (59) gilt auch sein kompetent wirkender Halbbruder Norodom Sirivudh (51), der als Generalsekretär von Funcinpec fungiert, als aussichtsreich. Eine deutlich energischere Opposition geht von Sam Rainsy aus, der früher Bankier in Paris war und als Finanzminister nach Kambodscha heimkehrte. Sam Rainsy hat die von ihm dominierte SRP nach sich selbst benannt und denunziert lautstark und unerschrocken die Mißwirtschaft der Ex-Kommunisten als eine „CCP-Mafia“, die sich mit Hilfe korrupter Militärkommandeure und Provinzgouverneure an der Macht hielte, die sich mit Schmuggel, Holzkonzessionen und den Gehältern von Phantombeamten die Taschen füllten. Die von Sam Rainsy gegründeten Gewerkschaften nehmen sich des Schicksals jener 170.000 jungen Textilarbeiterinnen an, die in den 400 meist in auslandschinesischem Besitz befindlichen Nähereien elf Stunden täglich in Sechstagewochen unter oft unsäglichen Bedingungen arbeiten müssen. Bei den Wahlen vom Juli gelang es der SRP daher, die Verluste von Funcinpec bei den städtischen Wählern durch eigene Zugewinne wieder aufzufangen. Wie in allen postkommunistischen Staaten ist nach der Zerstörung der politischen Moral durch die Kommunisten die Korruption allgegenwärtig. So fiel den internationalen Gebern auf, daß 60 Prozent des Staatshaushaltes, von dem sie 70 Prozent bezahlen, für die Gehälter von Militärs und Milizionären verwendet werden. Deshalb dachte sich die Weltbank ein Demobilisierungsprogramm für etwa 40.000 Mann aus, das 42 Millionen US-Dollar kosten sollte. Jeder Ausgemusterte soll umgerechnet 900 US-Dollar erhalten, 40 in bar und den Rest als Warenwert – Moped, Nähmaschine, Saatgut und andere nützliche Dinge -, ein Vermögen in einem Land mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt von 260 US-Dollar. Ursprünglich war die Armee auf 52.000 Soldaten und 36.000 Wehrbauern geschätzt worden. Nach Einführung der Ausmusterungsprämie wuchs sie durch Geistersoldaten auf 90.000 Mann, unterstützt von 49.000 Bauernmilizionären, an. Der örtliche Weltbankchef Bonaventure Mbida-Essama steht nun vor dem Problem, die richtigen von den falschen Uniformträgern zu unterscheiden. Die internationalen Geber suchen auch Kambodschas rapide schrumpfenden Regenwald zu retten. Noch in den siebziger Jahren waren 70 Prozent des Landes bewaldet. Jetzt sind es nur noch 30 Prozent. Offiziell hätte das Roden längst eingestellt werden sollen. Doch die aus Taiwan und Malaysia operierenden chinesischen Konzessionäre bringen örtliche Umweltschützer zum Schweigen und lassen von der unterbezahlten Polizei, dem Militär und Forstbeamten die illegal geschlagenen Hölzer außer Landes bringen. Regelmäßig werden auf den vierteljährigen Geberkonferenzen Wirtschafts- und Verwaltungsreformen angemahnt, die stets beflissen versprochen werden. Große Privatisierungsprobleme hat Kambodscha nicht, denn die Roten Khmer haben 1975-79 bei der Umsetzung des Steinzeitkommunismus die gesamte Industrie und alle moderne Infrastruktur, einschließlich der Automobile und Fischerboote, gründlich zerstört. Seit Mitte der neunziger Jahre haben eigentlich nur die Textilwirtschaft mit der Aufhebung der meisten Zölle und Einfuhrquoten in die USA und die EU und der Fremdenverkehr einen deutlichen Aufschwung genommen. Angesichts der Rechtsunsicherheit im Lande dominieren noch die „Cowboy-Investoren“, kurzfristig denkende risikofreudige Auslandschinesen, die dort für fremde Rechnung Nike-Sportschuhe oder Levis-Jeans zusammennähen lassen. Selbst französische Unternehmen halten sich in ihrer einstigen fernöstlichen Lieblingskolonie zurück. Ihnen ist Kambodscha mit seinen elf Millionen Einwohnern zu klein, zu arm und zu korrupt. Zwar ist das Eigentumsrecht formal garantiert, die Außenwirtschaft und der Devisenhandel frei, und ein Arbeits- und Umweltrecht praktisch inexistent, doch sind etwa Verträge und Zahlungsversprechen nicht einklagbar, da die Gerichte nicht unabhängig sind. Steuern zahlen fast nur ausländische Unternehmen. Der im September vorgesehene Beitritt zur WTO sollte diese Probleme vermindern helfen. Die Löhne Kambodschas zählen mit 70 US-Dollar monatlich bei Auslandsunternehmen (dem Dreifachen des bei Inlandsbetrieben üblichen) zu den niedrigsten der Welt. Doch wird dieser Standortvorteil durch eine unterentwickelte Verkehrs-, Energie- und Telekominfrastruktur und dem bei einer Analphabetenquote von 60 Prozent allgemein schlechten Ausbildungsstand der Belegschaften wieder aufgehoben. China und Vietnam sind da ungleich wettbewerbsstärker. Publizistische Schützenhilfe von französischen Linken 70 Prozent der Kambodschaner sind von den Problemen ihrer Leichtindustrie und Banken wenig berührt. Sie arbeiten weiter als Reisbauern und Binnenfischer mit einem Bareinkommen von weniger als einem US-Dollar pro Tag. Die Devisen der Touristen und jene 500 Millionen US-Dollar, die alljährlich als Hilfsgelder ins Land strömen, dürften an ihnen spur- und folgenlos vorbeigehen. Als Anhänger des Theravada-Buddhismus („Kleiner Wagen“) sehen sie das Leben ohnehin nur als Durchgangsstadium zu einer neuen, hoffentlich besseren Existenz und scheinen von irdischem Unrecht und Mißwirtschaft oft wenig persönlich betroffen. Dies erklärt auch die schwer faßbare Tatsache, daß fast alle der überlebenden Schergen und Anführer des Pol-Pot-Regimes, das schätzungsweise zwei Millionen Kambodschaner (20 Prozent der Bevölkerung!) durch Mord, Seuchen und Hunger umbrachte, unbehelligt als Pensionäre in Villen in Phnom Penh oder in Paihin nahe der thailändischen Grenze leben und ihre wohldokumentierte Schuld an dem Genozid in Ermangelung eines Prozesses dreist abstreiten können. Dabei berufen sie sich auf die einflußreiche französische Tageszeitung Le Monde, die in trotzkistischer Verblendung lange nicht wahrhaben wollte, daß jene in Paris ausgebildeten Marxisten den Völkermord am eigenen Volk verübten. Hun Sen selbst hat nicht das geringste Interesse an einem Kriegsverbrecherprozeß, sind doch die zu ihm in den achtziger Jahren übergelaufenen Roten Khmer seine besten Bundesgenossen im Kampf gegen die monarchistische und die bürgerliche Opposition. In einer Vereinbarung mit der Uno hat er sichergestellt, daß der Prozeß zu einem unbestimmten Zeitpunkt in Kambodscha stattfindet. Der kommunistische Terror wird noch lange ungesühnt bleiben.

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