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Marc Jongen, ESN Fraktion

„Freedom Phones für den Irak“

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Gleich zu Beginn des derzeitigen Golf-Krieges trafen amerikanische „To-mahawk“-Marschflugkörper die Schlüsselstellen des irakischen Kommunikationssystems. So wurde das leistungsschwache Mobilfunknetz von Bagdad schon am 26. März außer Kraft gesetzt. Die Kampfhandlungen waren noch in vollem Gange, da begann bereits die Auseinandersetzung um den Wiederaufbau. Neben der Fragestellung, ob die Uno oder die USA die führende Rolle dabei übernehmen, geht es hierbei um handfeste wirtschaftliche Interessen. Am Wiederaufbau zu partizipieren – das hat sich auch der republikanische Kongreßabgeordnete Darell Issa vorgenommen, als er sich nach neun Kriegstagen an Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wandte. Issa forderte, daß im Nachkriegs-Irak der US-Mobilfunkstandard „Code Division Multiple Access“ (CDMA) eingeführt werde. Weltweit hat sich längst der europäische Mobilfunkstandard durchgesetzt. Das „Global System for Mobile Communication“ (GSM) hat mit 330 Millionen Nutzern einen Weltmarktanteil von 72 Prozent. In keinem einzigen arabischen Staat wird hingegen CDMA genutzt. Auf Mobilfunknutzer in der Region kämen daher erhebliche Kosten zu, weil sie künftig zwischen den zwei technischen Standards wechseln müßten. Solange übereinstimmende technische Standards verwandt werden, können Mobilfunkkunden auch im Ausland mit ihrem Telefon telefonieren. Das „Roaming-Verfahren“ ermöglicht es Mobiltelefon-Nutzern, sich in ausländische Mobilfunknetze einzuwählen. Wird im Ausland jedoch ein anderer Standard verwandt, ist dies mit den meisten Geräten nicht möglich. 60 Millionen Araber nutzen heute das GSM-System. Das CDMA-System gibt es praktisch nur in den USA. Issas Einsatz für CDMA hat seine Gründe: In Issas kalifornischem Wahlkreis (San Diego) ist der Sitz der Firma Qualcomm. Der Ausrüster von Mobilfunknetzbetreibern hat DMA mit entwickelt. Und nach Angaben des Guardian hat das Unternehmen mit 5.500 Dollar eine der größten Spenden für seinen Wahlkampf bereitgestellt. Europäer gegen Amerikaner Seine zweifellos eigennützige und ökonomische Motivation versteckt Issa gern hinter hypernationalistischer Rhetorik. In seinem Brief an Rumsfeld heißt es: „Wenn der europäische Mobilfunkstandard GSM im Irak eingeführt würde, dann würde die Ausrüstung des Funknetzes in Frankreich, Deutschland oder in einem anderen west- oder nordeuropäischen Land hergestellt werden.“ Und schlimmer noch: Die Lizenzgebühren würden auch Frankreich und europäischen Entwicklern statt Amerikanern zugute kommen, führte der Abgeordnete weiter aus. Die Abkürzung GSM stehe für das französische „Group spéciale mobile“, behauptete Issa fälschlicherweise. Ebenso falsch ist seine Behauptung, daß CMA GSM technisch überlegen sei. Zum Beispiel sei nur CDMA GPS-fähig. Natürlich läßt sich auch mit GSM der genaue Standort eines Gerätes mittels des satellitengestützten Informationssystems feststellen. Weil er bereits 50 Unterstützer für seinen Vorschlag gefunden hat, hat Darell Issa jetzt eine Gesetzesinitiative daraus gemacht, die ironischerweise die Nummer 1441 trägt – wie die letzte UN-Resolution gegen den Irak. Das Gesetz soll es den US-Besatzungsbehörden verbieten, den GSM-Standard zu nutzen. Dies ist nämlich bislang so geplant. Natürlich haben die Pentagon-Spezialisten schon aufgrund der Situation in den Anrainerstaaten GSM als einzig mögliche Mobilfunkvariante identifiziert. Es hat in der Vergangenheit auch nie ernsthaftes Interesse der Amerikaner am Export ihrer Technologie in den Irak gegeben. Ende 2000 hatte Irak bereits bei den Vereinten Nationen den Antrag für den Bau eines Mobilfunknetzes im Rahmen des Öl-für-Nahrungsmittel-Programms eingereicht. Ein Jahr später erteilte das zuständige Uno-Komitee einen positiven Bescheid. In den darauffolgenden Monaten sollten 25.000 Leitungen verlegt werden. Um den Auftrag hatten sich Unternehmen aus Frankreich, Schweden und China beworben. Die Zuspitzung der Krise am Golf verhinderte dann jedoch den Aufbau eines flächendeckenden Netzes. Wird Darell Issa eine Trendwende in der Okkupationspolitik der Amerikaner herbeiführen können? Vom europäischen Verbündeten Großbritannien wird der Versuch, amerikanische Standards durchzusetzen, mit Sorge gesehen. In der britischen Presse dominiert eine ablehnende Haltung gegenüber dem Vorhaben. Die GSM-Association, ein koordinierendes Gremium, wies die Vorwürfe des Kaliforniers, GSM sei minderwertig, ebenfalls zurück. Issa hatte in diesem Zusammenhang sogar behauptet, daß der Einsatz des GSM-Standards in anderen Staaten der US-Regierung nur deshalb vorteilhaft erscheine, weil der CIA diesen Standard besser abhören könne. Rob Conway, der Vorsitzende der GSM-Association, äußerte sich sehr konziliant angesichts der von seinem Landsmann verdrehten Tatsachen: „Der Zeitpunkt, an dem über die richtige Technologie debattiert wird, ist erst dann, wenn der Konflikt vorüber ist. Dann sollten wir uns den Fakten zuwenden, nicht den laienhaften Ansichten eines Abgeordneten.“ Widerstand haben die Pläne Issas auch in der Heimat zu befürchten. Moderate Kräfte in Washington sehen langfristige volkswirtschaftliche Schäden in der CDMA-Einführung im Irak. Auf der Internetseite openpolitics.com wurde der Gesetzesentwurf HR1441 verspottet. Analog zur patriotischen Umbenennung der „French Fries“ (für Pommes Frites) in „Freedom Fries“ wurde der Issa-Vorschlag als „Freedom Phones für den Irak“ tituliert.

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