Bäuerliche Höfe waren vor dem Zweiten Weltkrieg meist noch Viehwirtschaften, die im ge-schlossenen Kreislauf arbeiteten. Das änderte sich nach dem Krieg schlagartig. Denn der technische Fortschritt erfaßte die Landwirtschaft rasant. Rationalisierung hieß das Zauberwort, das das Wirtschaftswunder versprach. Die Produktionssteigerungen schienen augenfällig für diesen Weg zu sprechen. Wie ein gallisches Dorf im Römischen Reich nahm sich da in Schleswig-Holstein der Hof Springe von Baldur Springmann aus, der sich allen Moden widersetzte und 1954 auf eine biologisch-dynamische Wirtschaftsweise umstellte. Demeter und die Anthroposophen gab es bereits, so daß der Hof hier Aufnahme finden konnte. Ein Herr von der schleswig-holsteinischen Landwirtschaftskammer sagte zu diesem Unterfangen nur: „Das doppelsinnige Doppelwort ‚biologisch-dynamisch‘ genügt mir, um Ihnen das folgende dazu zu sagen: Jeder muß in unserem freiheitlichen Staat selbst entscheiden dürfen, wie er sich am besten ruiniert.“ Springmann galt als spinnert, im Tone der Überzeugung alles in den Wind zu schreiben: Mineraldünger, Pestizide und den Zukauf von Futtermitteln. „Der stumme Frühling“ Rachel Carsons war noch Zukunftsmusik. Springmann war sich aber schon lange sicher, daß die Menschen ihre Zukunft zerstören, wenn sie sich von der Natur entfernen. Er schrieb in den sechziger Jahren nieder: „Von der Sonne, da kommt alles Leben, / und sie macht auch den Wind. / Wind und Sonne, die können uns geben / Kraft für Mann, Frau und Kind. / Laßt das dumme Kokeln mit der Kernkraft sein, haltet für die Enkel unsre Erde rein!“ Das war die Zeit, als bereits Atomkraftwerke gebaut wurden, diese aber in der allgemeinen Technikbegeisterung lediglich als landschaftlich weniger schön angesehen wurden. Springmann hingegen engagierte sich über seinen Hof hinaus im Weltbund zum Schutz des Lebens, der gegen den Bau eines AKW in Brunsbüttel klagte. In den siebziger Jahren schossen dann Bürgerinitiativen gegen Atomkraft wie Pilze aus dem Boden. Die Gründung einer Partei war nur noch eine Frage der Zeit, weil sich unter den etablierten Kräften niemand des Themas annahm. Zunächst entstanden grüne Listen auf Landesebene. Springmann wurde zum führenden Kopf bei der Grünen Liste Schleswig-Holstein (GLSH). Wie in keinem anderen Bundesland sorgte der dynamische Bio-Bauer dafür, daß Kommunisten und Spontis draußenbleiben mußten. Das brachte zwar tumultartige Zustände mit sich, schaffte aber erst einmal klare Verhältnisse. Auf Bundesebene kam Springmann mit Herbert Gruhl, der ebenfalls bäuerlich geprägt war, zusammen; sie repräsentierten dort den antikommunistischen Flügel. Der „rot-grüne Salat“ begann aber zu wuchern, wie sich Springmann erinnert. Dagegen war kein Kraut gewachsen. Die Fernsehkameras liebten Baldur Springmann als grünes Urgewächs, mußten bald aber auf ihn verzichten. Da halfen auch die wohlwollenden Worte von Otto Schily und Petra Kelly nichts, die Springmann umstimmen sollten. Alle anderen maßgeblichen Grünen, mutmaßte Springmann rückblickend, dürften eher froh gewesen sein, diesen eigenwilligen Politiker losgeworden zu sein, hatte er doch so lautstark gegen eine Doppelmitgliedschaft von Kommunisten in der Partei Die Grünen opponiert. Springmann zog sich mit Herbert Gruhl aus dem Vorstand der Grünen zurück, um 1982 noch als stellvertretender Vorsitzender der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) zur Verfügung zu stehen, die grün sein wollte, ohne rot zu werden. Doch die Begeisterung für die Parteipolitik war bald dahin. Er zog sich 1984 lautlos zurück. Zu wenig konnte Springmann seine religiöse Ader in Gruhls nüchterne Parteiprogrammatik einbringen. Springmann und Gruhl waren wie Herz und Verstand: beides grundverschiedene Charaktere, aber doch auch verwandt genug, um zusammenzugehören. Bei den Unabhängigen Ökologen Deutschlands fanden beide Grünen-Mitbegründer Jahre später noch einmal zusammen. Nicht nur mit seinem Hof Springe lebte Springmann einen ökologischen Lebensstil vor, sondern auch mit seinen Sonnengesängen. Er war nicht nur mit seiner Scholle eng verbunden, sondern auch mit seiner Heimat, mit Deutschland. Die Freude über die geglückte Wiedervereinigung des Landes sollte in Berlin in einem Freudenmal zum Ausdruck kommen; das war Springmanns Vision, für die er sich zuletzt noch in der Aktionsgemeinschaft der Deutschlandliebenden stark machte. Noch im Juli 2003 war Springmann, der mehrfach für die JF zur Feder gegriffen hatte, in Berlin zugegen, um auf einer Demonstration für seine Idee zu werben. Zu den 150 Demonstranten gesellten sich 50 Gegendemonstranten, die „Ihr seid Deutsche!“ schimpften. Den angriffslustigen Antideutschen und Holocaust-Mahnmal-Protagonisten stellen die Deutschlandliebenden in Springmanns Worten „Rückbesinnung ohne Aggression“ entgegen (die JF 29/03 berichtete). Auch seinen Rückzug aus der Parteipolitik markierte Springmann mit dem Wort „Liebe“, nicht zuletzt gegenüber dem Nächsten. Springmann lebte seine Spiritualität offenherzig und war damit dem „geistesblinden Materialismus“ ein Widersacher. Dieser Materialismus konnte kapitalistisch oder bolschewistisch daherkommen, Springmann war immun dagegen. Seine geistige und körperliche Vitalität verdankte Springmann nicht zuletzt seiner Naturreligiosität. Sie eröffnete ihm den Weg in eine Transzendenz, die vielen Großstädtern verschlossen bleibt, so daß sie um so leichter modischen Irrlehren anheimfallen. „Was man zum Glücklichsein braucht, ist nicht jene Art von Glück, sieben Richtige im Lotto zu haben. Glücklicherweise gibt es ja viel mehr glückliche Menschen als Lottogewinner. Was man zum Glücklichsein aber unbedingt braucht, ist Heimat.“ Ohne Heimat ist der Mensch wie ein Blatt im Wind. „Drum kann es nur Unglück bringen, wenn wir uns von fremdartigen Ideologien nomadische Verhaltensweisen aufschwatzen lassen.“ So denkt jedenfalls ein „Bauer mit Leib und Seele“. All jene, die sich an den am 24. Oktober 2003 im Alter von 91 Jahren verstorbenen Bio-Bauern und Heimatschützer Baldur Springmann erinnern, könnten ihm keine größere Freude machen, als standhaft zu bleiben und fröhlich Deutschland und der Natur treu zu bleiben. Fotos: Deutsches Freudenmal: „Rückbesinnung ohne Aggression“ / Baldur Springmann: Zum Glücklichsein braucht man Heimat Baldur Springmann: Bauer mit Leib und Seele. 2 Bd., Koblenz: S. Bublies, 1995, 29,80 Euro.
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