Alexander Kluge, 71, dem am 25. Oktober der mit 40.000 Euro dotierte diesjährige Georg-Büchner-Preis der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung überreicht wird, ist berühmt geworden durch die genialen Titel seiner Filme und Bücher. Kluge ist im deutschen Geistesleben der unangefochtene „König der Titel“. Jeder seiner Titel hat sich dem Publikum dauerhaft eingeprägt, von seinem ersten Film („Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“) bis zu seinem vorläufig letzten, soeben erschienenen Suhrkamp-Buch („Die Lücke, die der Teufel läßt“). Anzugeben, was sich unter dem jeweiligen Titel jeweils entfaltet, fällt auch den klügsten Freunden Kluges schwer, die alles von ihm gesehen bzw. gelesen haben und ihn gerne loben. Es ist eine Art unendliches Tagebuch, dessen einzelne, knappe Eintragungen alle eine gewisse (keineswegs immer gelungene) Pointe haben, ein Farben-Puzzle, das kaum je zu klaren Gestalten führt, aber stets irgendwie bedeutungsschwer wirkt und zum Zitieren einlädt. Man könnte sagen: Unter dem Generaltitel verbergen sich tausend weitere Titel, Kluges Werk besteht aus lauter Titeln. Ist der Mann am Ende selber ein Titel? Nun, der bekennende Adorno-Schüler ist mittlerweile ein sehr soignierter Herr mit feinem Sprachtimbre, der von der SPD einst die Lizenz verliehen bekam, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen für die Kultur zu sorgen, und darüber ein mächtiger Medienherr geworden ist. Doch wofür der bereits vielfach Ausgezeichnete (unter anderem mit dem Kleist-, Lessing-, Böll-, Ricarda-Huch- und Schiller-Gedächtnis-Preis) seine Macht einsetzt, ist nicht ganz klar. Zu den groben Zeitgeistverwaltern und Aufpassern gehört er nicht. „Die Kunst, Unterschiede zu machen“, heißt nicht zufällig einer seiner Titel. König der Titel bedeutet eben auch „König der Lücken“, der Ankündigungen und Andeutungen. Es muß nicht immer unbedingt der Teufel sein, der Lücken läßt.