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Vom Heiligen Geist geleitet

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Die Wahl zum Bischof von Rom und damit auch zum Stellvertreter Christi auf Erden ist nach katholischer Tradition nicht einfach nur Menschenwerk. Wenn die Kardinäle sich in das Konklave zurückziehen, werden sie miteinander so lange verhandeln, bis sie einen unter sich zum Papst erwählt haben. Dabei werden sie vom Heiligen Geist geleitet werden, denn Gott würde nicht zulassen, daß jemand Unwürdiges seiner Kirche vorsteht. Daher sind alle Spekulationen über die Chancen einzelner Kardinäle, über ihre jeweilige Machtbasis und ihre Einflüsse eher untergeordneter Natur. Letztlich wird wohl jemand erwählt sein, mit dem die wenigsten gerechnet haben.

Völlig nebensächlich ist die Frage nach dessen Herkunft. Zwar haben sich im Laufe der Jahrhunderte klassische "Papstdiözesen" entwickelt – eine solche ist zum Beispiel Venedig mit dem zukünftigen Kardinal Angelo Scola -, aber inzwischen sind auch auf den anderen Kontinenten viele Geistliche von Format herangewachsen.

Für die in rein materiellen Kategorien Denkenden wäre ein schwarzer Papst die großartigste Lösung, bekäme doch damit die "positive Diskriminierung" ihre höchsten Weihen. Kardinal Ratzinger brachte schon im April 2002 einen afrikanischen papabile ins Gespräch. Als schwarzer Favorit gilt seit Jahren der nigerianische Kurienkardinal Francis Arinze, zuständig für den Dialog mit Vertretern anderer Religionen.

Aber nicht die Hautfarbe zählt, sondern die Rechtgläubigkeit. Insofern wäre wohl jeder Erzbischof in Afrika besser geeignet für das Petrusamt als die in theologischer Beliebigkeit schwelgenden Westeuropäer. Man stelle sich etwa Kardinal Kasper als obersten Glaubenshüter vor! Jeder Häresie und jeder Sekte wären Tor und Tür geöffnet, wenn sie nur "soziale Gerechtigkeit" wollten. Aus dem deutschen Sprachraum werden einzig einem Österreicher Chancen auf das höchste Amt eingeräumt: Christoph Graf Schönborn, Erzbischof von Wien. Der mit 53 Jahren noch junge Purpurträger arbeitete als Professor in Freiburg und wurde dann Sekretär im Redaktionskomitee für den Weltkatechismus.

Angeblich sind auch zwei Belgier auf der Liste der Favoriten. Godfried Danneels, Erzbischof von Mechelen-Brüssel, gehört zu denen, die einen "gemäßigten Reformkurs" vertreten würden. Jan Pieter Schotte wirkte lange Zeit als Generalsekretär der Bischofssynode, beherrscht sechs Sprachen, ist also eher der Managertyp. Seelsorgerische Fähigkeiten konnte er bisher nicht unter Beweis stellen. Als unbekannte Größe ist auch der Erzbischof von Paris, Jean-Marie Lustiger, im Gespräch. Lustiger, der mit 14 Jahren vom jüdischen Glauben zum Katholizismus konvertierte, gehört zum liberalen Flügel des hohen Klerus und wird von Johannes Paul II. sehr geschätzt.

In der Kirche hat sich inzwischen eine ungeheure theologische Spannung aufgebaut. Die revolutionären Kräfte schreien nach Demokratisierung, Frauenpriestertum, Abschaffung des Zölibats – um nur die markantesten Forderungen zu nennen. Sie bauen an einer humanistischen Religion, die mit der Stiftung Christi nichts mehr gemein hat; fast die gesamte deutsche Bischofskonferenz zählt zu dieser liberalen Fraktion.

Ihnen stehen jene gegenüber, die sich mit dem Staus quo zufriedengeben und sich allenfalls einige behutsame Retuschen wünschen. Die wildesten Triebe des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) sollen gestutzt werden, ohne dessen Errungenschaften zu gefährden. Weniger Sit-in mit Gitarre vor dem Altar, wieder etwas mehr Würde für den "Gemeindevorsteher", ab und zu auch mal ein lateinischer Vers. Man kann sie als neokonservativ bezeichnen. Im deutschen Episkopat gehören zu dieser Fraktion die Kardinäle Ratzinger, Meisner und Scheffczyk. Ihre treuesten "Putztruppen" sind die Leute vom Opus Dei.

Obwohl Ratzinger inzwischen einer der "mächtigsten Männer im Vatikan" sein soll, werden ihm geringe Chancen im Konklave eingeräumt. Angeblich will er gar nicht antreten. Gleichwohl wird er ein gewichtiges Wort gesprochen haben, wenn die aufsteigende Rauchwolke das Ende der geheimen Wahlrunde signalisiert. Ratzingers Gegenspieler ist der Italiener Carlo Maria Martini, emeritierter Erzbischof von Mailand. Er selbst will auch nicht kandidieren, aber um ihn scharen sich die "progressiven" Kräfte, die nach dem Zweiten Vatikanum in der Kurie das Sagen haben. Ein fauler Kompromiß muß nicht das Ergebnis des Konklaves sein, denn nach dem von Johannes Paul II. eingeführten Verfahren reicht nach 33 erfolglosen Wahlgängen die einfache Mehrheit für einen Kandidaten. Bisher waren zwei Drittel erforderlich.

Trotz aller Unwägbarkeiten kann man mit Sicherheit eines behaupten: Der nächste Pontifex wird kein Nordamerikaner sein. Dazu haben vor allem die verheerenden Sex-Skandale der Diözese Boston beigetragen. Außerdem sollen die "toleranten" US-Seminare nicht gerade Horte der Sittlichkeit sein. Daß Nordamerika in Rom nichts mehr zu melden hat, konnte man auch an den jüngsten Kardinalserhebungen ablesen. Unter den 31 Neuen, die am 21. Oktober kreiert werden, wird nur ein einziger US-Amerikaner sein: Justin Francis Rigali (Philadelphia). Die Benennung neuer Kardinäle wurde notwendig, weil aus Altergründen weniger als 120 wahlberechtigt waren. Ende Oktober werden es wieder 135 Kirchenfürsten sein, unter ihnen besonders viele aus Italien.

Im Gegensatz zu ihren nördlichen Nachbarn werden den Lateinamerikanern gute Chancen eingeräumt. Schon allein aus quantitativen Gründen, denn die Hälfte aller Katholiken lebt in dieser Region. Auf der neokonservativen Seite stehen vor allem zwei Kolumbianer, die für die in jener Gegend beliebte marxistische "Befreiungstheologie" nichts übrig haben: Dario Castrillon Hoyos und Alfonso López Trujillo. Hoyos, Präfekt der Kleruskongregation, gilt als gewiefter Taktiker mit Sympathien zur katholischen Tradition. Im Mai zelebrierte er in Rom eine Messe nach tridentinischem Ritus, was vor allem als eine Geste in Richtung der offiziell verpönten "Traditionalisten" der Priesterbruderschaft St. Pius X. zu verstehen war. Aber auch Trujillo, Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, könnte in der Ewigen Stadt reüssieren.

Die neokonservativen Patres aus dem spanischen Sprachraum haben einen nicht zu unterschätzenden Bündnispartner in der gesamten katholischen Hierarchie: das Opus Dei. Von dem inzwischen heiliggesprochenen Spanier Josefmaria Escrivá gegründet, hat das "Werk Gottes" inzwischen Mitglieder an einflußreichen Stellen positioniert. Unter den 31 zukünftigen Kardinälen ist mit Julian Herranz vom obersten kirchenrechtlichen Berufungsgericht erneut ein OD-Mitglied ganz nach oben gekommen; und auch Johannes Pauls II. einflußreicher Sekretär, Stanislaw Dziwisz, gehört dem "Werk " an.

Alle Ränkespiele um die Nachfolge von Johannes Paul II. sind trotzdem vergeblich, denn alle Macht – auch die kirchliche – kommt von ganz oben. Und das ist sehr beruhigend.

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