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Von rechts gelesen: Literatur-Star Nelio Biedermann: Märchen für heute

Von rechts gelesen: Literatur-Star Nelio Biedermann: Märchen für heute

Von rechts gelesen: Literatur-Star Nelio Biedermann: Märchen für heute

Schweizer Schriftsteller, Literat, Romancier, Autor Nelio Biedermann („Lazar“) in Frankfurt/Main, Hessen, Deutschland, 19.10.2025: Frankfurter Buchmesse.
Schweizer Schriftsteller, Literat, Romancier, Autor Nelio Biedermann („Lazar“) in Frankfurt/Main, Hessen, Deutschland, 19.10.2025: Frankfurter Buchmesse.
Wunderkind Biedermann: Redet wie die Linken, doch schreibt wie die Rechten. Foto: Imago / dts
Von rechts gelesen
 

Literatur-Star Nelio Biedermann: Märchen für heute

Nelio Biedermann heißt der neue Superstar der Literatur. Eigentlich ist der überraschende Nachwuchsromancier viel zu jung, um die alteuropäische Romantradition aufs Papier zu bringen – trotzdem tut er es.
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Inzwischen ragt rauher Ziegel hervor, wo einst gemusterte Seidentapete die Wände zierte – Nelio Biedermann sieht sich alles genau an. Er will sich einprägen, was seiner Familie vor der Enteignung durch die Kommunisten gehörte. Das Holz splittert, manche Scheibe fehlt im Schloß nahe Budapest, doch für den 23 Jahre jungen Schriftsteller steht alles noch in alter Pracht.

„Lázár“ heißt sein Roman, der dieser Phantasie entsprungen ist und seither für Furore sorgt. In ihm hält Biedermann den Niedergang seiner ungarisch-jüdischen Familie vom Adelsstand in der k.u.k. Monarchie bis zur Flucht nach dem Volksaufstand 1956 in die Schweiz fest. Fast schüchtern spricht er über sein Schaffen. „Wie träumen“ sei Schreiben für ihn, der seine Sätze händisch zu Papier bringt, sagt er der Zeit.

Nelio Biedermann irritiert

Der Sprößling des Geschlechts von Túrony aus der warmen Baranya im Süden Ungarns wird vom Feuilleton förmlich mit Lob belästigt. Das Wochenblatt aus Hamburg adelt den Adeligen in seiner Rezension gleichsam ein zweites Mal als „neuen Zauberer“: „Nein, das ist etwas anderes, das ist ein im besten Sinne größenwahnsinniges Buch, ein praller, an den Werken von Thomas Mann und Joseph Roth geschulter und doch völlig zeitgemäßer Familienroman.“

Tatsächlich beherrscht Biedermann Sprachmagie, siedelt die Geschichte irgendwo zwischen bürgerlicher Erzähltradition und Mythos an. „Manchmal ist es auch für mich schwierig aufzudröseln, was wirklich so war und was ich mir ausgedacht habe“, gesteht der Zürcher Germanistikstudent, den Blick von dichten Brauen gerahmt.

Sein frühes Werk wurde früh angestoßen. Als Junge lief er fasziniert durch Großmutters Wohnung, die der Welt eine unscheinbare Fassade zuwandte, in ihrem Innern aber gedrechselte Möbel, Ahnenportraits und Silberbesteck beherbergte. Später lauschte er seiner Oma im Altersheim, wie sie von damals erzählte. Bei ihr kippte Wirklichkeit ins Märchen, Nelio machte daraus einen Stil.

Schon die Matura an der Kantonsschule Enge in Zürich – ein seelenloser Bau, in den Fünfzigern errichtet – hat er mit einem Romanmanuskript unterm Arm gemacht. „Verwischte Welt“ hieß 2021 der Erstling, ein Jugendabenteuer aus Kurzgeschichten. Zwei Jahre später das nächste Buch. Titel: „Anton will bleiben“, die Geschichte eines todkranken Mannes. Nun also das Dritte: „Lázár“.

Biedermann spricht wie die Linken, doch schreibt wie die Rechten

In mehr als zwanzig Sprachen soll es laut Rowohlt-Verlag erscheinen. Im Klappentext lobt Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“) den Autor, auf Instagram schüttelt Christian Kracht ihm die Hand. In den Schreiber wird viel hineingelesen, der Hype soll sich lohnen. Nicht nur in ökonomischer Hinsicht. Ob er die Lebensläufe seiner Familie im Dritten Reich aufgearbeitet habe, will der Kollege von der Zeit auf der Frankfurter Buchmesse wissen. Sicher! beteuert Biedermann und stellt seinen Roman als Beitrag zum Feminismus hin. Das rechte Feuilleton schmäht ihn deshalb als „Müslischwuchtel“.

 

Doch der zur Schau gestellte Zeitgeist täuscht. Schon Biedermanns Auskunft, wie er für seinen Roman recherchiert habe – durch Lesen der Klassiker – zeigt, daß es ihm nicht um Aufarbeitung oder Aufklärung geht, sondern um das Schaffen von Typen, in denen Rausch auf Ewigkeit trifft. Wenn das nicht rechts ist, was dann?

Aus der JF-Ausgabe 46/25.

Wunderkind Biedermann: Redet wie die Linken, doch schreibt wie die Rechten. Foto: Imago / dts
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