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Woher soll das Geld kommen?: Vom Bürgergeld zur Schuldenfalle – „Der Bund lebt über seine Verhältnisse“

Woher soll das Geld kommen?: Vom Bürgergeld zur Schuldenfalle – „Der Bund lebt über seine Verhältnisse“

Woher soll das Geld kommen?: Vom Bürgergeld zur Schuldenfalle – „Der Bund lebt über seine Verhältnisse“

Man sieht den Eingang des Jobcenters in Berlin-Mitte, eine Frau in roter Kleidung geht hinein – Symboldbild für Schuldenfalle und Bürgergeld
Man sieht den Eingang des Jobcenters in Berlin-Mitte, eine Frau in roter Kleidung geht hinein – Symboldbild für Schuldenfalle und Bürgergeld
Menschen betreten eine Stelle des Arbeitsamts in Berlin-Mitte (Archivbild). Foto: picture alliance/dpa | Jens Kalaene
Woher soll das Geld kommen?
 

Vom Bürgergeld zur Schuldenfalle – „Der Bund lebt über seine Verhältnisse“

Neuer Name, altes Problem: Aus Hartz IV wurde Bürgergeld, jetzt Grundsicherung – doch billiger wird es nicht. Die Sozialausgaben haben sich in 30 Jahren verdoppelt, während die Investitionen schrumpfen. Die neue IW-Studie zeigt: Der Staat lebt längst auf Pump.
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Umbenennungen sollen suggerieren, daß alles besser wird: Aus Hartz IV wurde das Bürgergeld und nun die Grundsicherung. Die Bundesregierung verspricht Sanktionen für alle Drückeberger. Anwälte und NGOs dürften viel Arbeit bekommen. Daher dürften die Sozialausgaben weiter steigen, denn die Asylzuwanderung bleibt hoch (JF berichtete) und die Zahl der Abschiebungen niedrig.

Und trotz der Einschnitte der „Agenda 2010“ haben sich die Sozialausgaben in den vergangenen drei Jahrzehnten pro Kopf nahezu verdoppelt. Das rechnet eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft vor.

Die Investitionen sind dagegen zurückgegangen.  Betrugen die Aufwendungen für Soziales 1992 inflationsbereinigt je Bürger 1.464 Euro für Soziales, so waren es voriges Jahr 2.665 Euro. Mehr als verdoppelt haben sich die Pro-Kopf-Sozialausgaben: von 755 auf 1.644 Euro. Arbeitsmarkthilfen wie das Bürgergeld stiegen von 187 auf 625 Euro. Die Zuschüsse zur Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) machen 23,1 Prozent der Bundesausgaben aus, was 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. Pro Einwohner sind das 1.286 Euro – allerdings steigt auch die Zahl der Senioren, die auf ihre Rente Steuern zahlen müssen. Allein in Sachsen stieg deren Zahl von nur 1.100 (2017) auf 142.000 (2022). 2024 waren es schon 634.445.

2021 floß weniger als ein Prozent des Haushalts in den Schuldendienst

Elf Prozent gehen für Bürgergeld & Co., gut drei Prozent für die Krankenversicherung sowie zehn Prozent für sonstige Sozialleistungen und ihre Verwaltungskosten drauf. Gleichzeitig stiegen auch die staatlichen Ausgaben für Bildungswesen, Wissenschaft, Forschung oder kulturelle Angelegenheiten inflationsbereinigt von 204 auf 357 Euro pro Einwohner (75 Prozent) an. Beim Verkehrs- und Nachrichtenwesen stiegen die Ausgaben von 269 auf 435 Euro (62 Prozent), bei Umwelt, Sport und Erholung 19 auf 73 Euro und im Bereich Wohnungswesen, Raumordnung und kommunale Gemeinschaftsdienste nur von 46 auf 49 Euro.

Gesunken sind dagegen in den vergangenen dreißig Jahren die staatlichen Investitionen und zwar von 15 Prozent 1992 auf 12,2 Prozent. Ihren Tiefpunkt hatten sie 2011 bei neun Prozent. Daß sie wieder stiegen, liegt an den Corona-Ausgaben und den kreditfinanzierten „Sondervermögen“.

Immerhin sind auf Bundesebene die Personalkosten inflationsbereinigt stabil blieben – dank Privatisierungen und Personalabbau bei der Bundeswehr. 2021 floß weniger als ein Prozent des Haushalts in den Schuldendienst, heute sind es wegen steigender Zinsen und Kreditaufnahmen fast acht Prozent. Wegen der Aufrüstung und weiteren „Sondervermögen“ dürfte dieser Anteil weiter anwachsen.

Am Sozialbudget soll angesetzt werden

Lag 1992 der Anteil der Bundesausgaben in der Kategorie „Soziale Sicherung, Familie und Jugend, Arbeitsmarktpolitik“ noch bei 35 Prozent, so sind es aktuell 48 Prozent. Welchen Anteil die Massenzuwanderung daran hat, verrät die IW-Studie nicht. Prinzipiell wird so getan, als hätten die Arbeitnehmer über ihre Verhältnisse gelebt. So wird die wachsende Zahl der Rentner und die sinkende der Beitragszahler beklagt, aber daß ein Großteil der Asylzuwanderer und der „Aufstocker“ mit EU-Paß netto gerechnet nicht in die Steuer- und Sozialkassen „einzahlt“ ebensowenig thematisiert.

Das Fazit des IW-Reports lautet: „Wenn die Politik Haushaltslöcher schließen will, sollte sie am Sozialbudget ansetzen und nicht das Sondervermögen für die Infrastruktur zweckentfremden“, warnt IW-Haushaltsexperte Tobias Hentze. Für 2027 bis 2029 beträgt die Deckungslücke laut Bundesregierung schon 172 Milliarden Euro.

Eine alternde Bevölkerung dürfte die Spielräume darüber hinaus weiter verringern. „Solange die Bundesregierung keinen Mut für Strukturreformen entwickelt, drohen die Sozialausgaben uns politisch zu lähmen“, konstatiert der IW-Ökonom. Steuersenkungen seien aufgrund der Entwicklung kaum realisierbar.

Steigende Ausgaben sind nicht durch den Bund gedeckt

Klare Worte kommen auch vom Bundesrechnungshof (BRH). „Wer plant, im Jahr 2026 fast jeden dritten Euro auf Pump zu finanzieren, ist von einer soliden Finanzwirtschaft weit entfernt“, kritisiert die Behörde und wirft SPD-Finanzminister Lars Klingbeil vor, den Bund in eine Schuldenspirale zu treiben. Staatliche Kernaufgaben könnten dauerhaft nicht mehr aus den Einnahmen finanziert werden, heißt es in einem BRH-Gutachten zum Etatentwurf 2026: „Der Bund lebt strukturell über seine Verhältnisse.“

Steigende Bundesausgaben seien nicht von einer im gleichen Ausmaß wachsenden Leistungsfähigkeit des Bundes gedeckt. Geplant sind Ausgaben von 520 Milliarden Euro, finanziert mit rund 174 Milliarden Euro an neuen Schulden.

Die Staatsfinanzen seien nicht tragfähig, warnt auch der Mathematiker Andreas Beck: „Wir haben ein System aufgebaut, in dem jeder irgendeine Förderung bekommt, selbst jemand mit einer Villa im Wert von fünf Millionen Euro bekommt einen Zuschuß, wenn er sich eine Wärmepumpe einbaut“, so der Gründer des Münchner Instituts für Vermögensaufbau im Focus. Dazu komme ein „komplexer bürokratischer Apparat“.

Ist eine Neuverschuldung die erste Wahl?

Es sei Zeit, sich auf jene Jahre zurückzubesinnen, in denen es trotz Kaltem Krieg ohne Verschuldungsorgien ging: „Wir sind bis zu den siebziger Jahren in Deutschland ohne eine relevante Staatsverschuldung ausgekommen, und auch die Abgabenbelastung war deutlich niedriger.“ Die heutigen Politiker müßten sich endlich fragen, warum das damals gut funktioniert habe.

Warum Einsparungen schwerfallen, zeigt der IW-Bericht: Einmal beschlossene Ausgaben würden eine Verharrungstendenz zeigen. Selbst Gerhard Schröders Einsparmaßnahme „Agenda 2010“ ging zunächst mit einem Anstieg der Sozialausgaben einher, da die Zahl der Hartz-IV-Anspruchsberechtigten zunahm. Die These, daß einmal gewährte Ausgaben nie wieder abgeschafft werden, lasse sich mit der „Prospect Theory“ begründen, wonach Verluste stärker wahrgenommen werden als Zugewinne. Für die steigenden Verteidigungsausgaben sei daher die Neuverschuldung das Mittel erster Wahl – auch wenn sich im 3.000seitigen Haushaltsplan des Bundes viele fragwürdige Ausgaben finden.

Aus der JF-Ausgabe 43/25.

Menschen betreten eine Stelle des Arbeitsamts in Berlin-Mitte (Archivbild). Foto: picture alliance/dpa | Jens Kalaene
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