KÖLN. Zwei Wochen vor den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen wächst die Kritik am Kölner „Fairneß-Abkommen“. Der Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt sagte im Sender Welt TV, die CDU befinde sich nun in einer Lage, „in der sie von anderen Parteien erpreßt werden kann“. Mit der Unterzeichnung habe sie sich selbst verwundbar gemacht.
Auch die AfD wertet die Vereinbarung als gezielte Ausgrenzung. Kreissprecher Christer Cremer sagte der JUNGEN FREIHEIT, die Partei lasse sich keine Selbstzensur auferlegen. „Gerade im Wahlkampf müssen alle Themen offen und direkt angesprochen werden dürfen.“
Das Abkommen hatten CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke, Volt und Die Partei Ende Juli unterzeichnet. Es verpflichtet die Unterzeichner, im Wahlkampf keine Schuldzuweisungen gegenüber Migranten vorzunehmen. Über die Einhaltung wachen Ombudsleute der evangelischen und katholischen Kirche. Die AfD wurde ausdrücklich ausgeschlossen.
Fairneß-Abkommen nutzt der AfD, prognostiziert Patzelt
Patzelt kritisierte die Grundannahme hinter der Vereinbarung. „Wir haben in Deutschland kein Problem mit Zuwanderung. Das einzige Problem ist, daß Deutsche nicht hinlänglich die Willkommenskultur praktizieren und ihrerseits Anlaß geben, daß Migranten ärgerlich werden.“
In der Weltanschauung dieser Parteien gebe es keine Probleme, „wenn Deutsche sich zurückhalten, wenn Migration nicht länger kritisiert, sondern einfach hingekommen oder wertgeschätzt wird“. Diese Haltung werde den etablierten Parteien nicht nutzen, betonte der Politologe. „Wenn man das Migrationsthema allein der AfD überläßt, darf man dreimal raten, zu wessen Nutzen das ausgehen wird.“
CDU beuge sich der „linksgrünen Stadtgesellschaft“
Unterdessen geriet bereits die CDU selbst in die Kritik. Hintergrund war ein Flugblatt der Partei gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft im Kölner Agnesviertel. Eine klare Herabwürdigung von Flüchtlingen stellten die Ombudsleute zwar nicht fest, sie mahnten jedoch „mißverständliche Formulierungen“ an und forderten mehr Transparenz.
Die CDU wies die Vorwürfe zurück. „Wir werden keine dieser Aussagen zurückziehen“, sagte die Kreisvorsitzende Serap Güler gegenüber RTL. „Diese Flüchtlingsunterkunft von ungefähr 500 Personen gehört nicht an diesen Platz, wo es eh schon genug Herausforderungen und Probleme gibt. Insofern ist es keine Hilfe für die Menschen.“
Cremer sieht darin eine Bestätigung seiner Kritik. Die CDU beuge sich der „linksgrünen Stadtgesellschaft“, werde aber trotzdem an den Pranger gestellt, wenn sie abweiche. „Es gibt mit uns keine Selbstzensur“, betonte er im JF-Interview. (sv)