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Bundeswehr: Neuer Wehrdienst, alte Streitereien

Bundeswehr: Neuer Wehrdienst, alte Streitereien

Bundeswehr: Neuer Wehrdienst, alte Streitereien

Ein Gelöbnis Berliner Soldaten: Mit dem neuen Wehrdienst will Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mehr junge Leute dafür gewinnen. (Themenbild)
Ein Gelöbnis Berliner Soldaten: Mit dem neuen Wehrdienst will Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mehr junge Leute dafür gewinnen. (Themenbild)
Ein Gelöbnis Berliner Soldaten: Mit dem neuen Wehrdienst will Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mehr junge Leute dafür gewinnen. Foto: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka
Bundeswehr
 

Neuer Wehrdienst, alte Streitereien

Nur nicht der Pflicht genügen: Nach der Sommerpause droht wieder Streit um den Neuen Wehrdienst – und einige AfD-Politiker wollen mit einem eigenen Antrag Schwarz-Rot in die Enge treiben.
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Vom „Leben in der Lage“ ist in der Bundeswehr oft und gern die Rede. Theoretisch beschreibt die Formulierung jene unabdingbare Notwendigkeit, daß sich der Soldat jederzeit den Umständen um ihn herum anpassen können und auch mit Widrigkeiten klarkommen muß. Häufig dienen die vier Worte jedoch – gern auch augenzwinkend – als Ausrede, wenn es mal wieder nicht so klappt wie ursprünglich geplant.  

Insofern ist in der deutschen Verteidigungspolitik „Leben in der Lage“ ein Dauerzustand. Fehlen tut es an fast allem: Material, Infrastruktur, Soldaten. Gelindert wurde durch Sondervermögen und teilweise Aussetzung der Schuldenbremse zumindest der Geldmangel. Aber selbst wenn nun die Tausenden neuen Panzer bestellt und produziert werden, bleibt die Frage, wer sie fahren und wer ihre Rohre laden soll.

Zentraler Punkt des Neuen Wehrdiensts ist ein Fragebogen

Wie zuerst der Spiegel berichtete, hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) jetzt einen ersten Referentenentwurf für sein neues Wehrdienstmodell vorliegen. Vorgesehen ist, wie seit längerem im Gespräch, als Basis zunächst die Freiwilligkeit, enthalten seien aber auch „mit der für Männer verpflichtenden Bereitschaftserklärung und der Wiedereinführung der Musterung von vornherein aber auch verpflichtende Elemente“. 

Zudem soll der Bundesregierung die Möglichkeit eingeräumt werden, mit Zustimmung des Deutschen Bundestages die verpflichtende Heranziehung von Wehrpflichtigen zu veranlassen, wenn die verteidigungspolitische Lage dies erfordert“ und Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Wehrdienstes nicht rechtzeitig zu genügend freiwilligen Bewerbungen führen.

Konkret heißt es: Eine Einberufung soll möglich sein, wenn die verteidigungspolitische Lage „einen kurzfristigen Aufwuchs der Streitkräfte zwingend erfordert, der auf freiwilliger Grundlage nicht erreichbar ist“. Bisher könnte dies nur erreicht werden, wenn etwa der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit mindestens den Spannungsfall – eine Art Vorstufe des Verteidigungsfalls – ausruft; dann würde die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht automatisch wieder gelten.

Dem geplanten Gesetz zufolge sollen alle Jugendlichen, die nach dem 31. Dezember 2007 geboren sind, den Fragebogen erhalten. Männer müssen ihn ausfüllen, Frauen können dies freiwillig tun. Die Bundeswehr rechnet mit etwa 300.000 jungen Männern, die pro Jahr dieser neuen Pflicht unterliegen. Mit ersten Musterungen der willigen und für geeignet befundendenen Kandidaten solle dann 2027 begonnen werden.

Anders als früher soll dabei nicht unbedingt eine ärztliche Untersuchung erfolgen. Auch ein ziviler Ersatzdienst soll vorgesehen sein. Die Dauer des Wehrdienstes wird zunächst mit sechs Monaten veranschlagt. Mehr als 100.000 Freiwillige sollen so bis 2029 gewonnen werden.

„Wehrpflicht light“ geht der Union nicht weit genug

Während in Pistorius’ SPD dem linken Flügel schon die theoretische Möglichkeit, auf Pflicht umzuschalten, zu weit geht, murrt man in der Union über „Nichts Ganzes und nichts Halbes“. Vor allem aber fühlten sich vergangene Woche die CDU/CSU-Verteidigungspolitiker düpiert, weil zwar dem Spiegel der Referentenentwurf in Gänze vorlag, ihnen aber nicht.  

Auf einen eklatanten Widerspruch im Pistorius-Plan der „Wehrpflicht light“ machte Unionsfraktionsvize Norbert Röttgen aufmerksam: „Die Vorschläge von Pistorius für den neuen Wehrdienst werden seiner eigenen sicherheitspolitischen Bedrohungsanalyse nicht gerecht“, sagte er der FAZ. Tatsächlich werden die Fachleute im Verteidigungsministerium nicht müde, davor zu warnen, daß man Rußland ab 2029 einen Angriff auf einen Nato-Mitgliedsstaat zutraut.

Wenn allerdings erst 2027 mit den Musterungen begonnen wird, verstreicht wertvolle Zeit, um festzustellen, ob man auf diese Weise genug Nachwuchs für die Truppe gewinnt oder nicht. Daher, so Röttgen, müsse jetzt „ein Zeitpunkt festgelegt werden, wann im Falle der Nichterreichung der Ziele der im Koalitionsvertrag vereinbarte Übergang von der Freiwilligkeit zur Wehrpflicht stattfindet“, sagte der CDU-Politiker.

AfD plant eigenen Antrag zur Wehrpflicht

Unterdessen plant die AfD im Bundestag, nach der nun beginnenden parlamentarischen Sommerpause einen eigenen Antrag auf Wiedereinsetzung der Wehrpflicht einzubringen. Der JUNGEN FREIHEIT liegt der Entwurf des zuständigen Arbeitskreises Verteidigung mit dem Titel „Verteidigungsfähigkeit Deutschlands sichern – Wehrpflicht reaktivieren“ vor.

Inhaltlich machen es die Fachpolitiker der AfD kurz: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die gesetzgeberischen Maßnahmen zu veranlassen, die die im Jahr 2011 gem. Paragraph 2 Wehrpflichtgesetz beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht im Frieden zurücknimmt und den gesetzgeberischen Stand vor Aussetzung der Wehrpflicht wiederherstellt.“

Begründet wird das mit dem Hinweis, daß die Streitkräfte seit der Aussetzung der Wehrpflicht nicht in der Lage seien, „ihren Personalbedarf durch Freiwillige zu decken“. Die „zwingend erforderliche Aufwuchsfähigkeit“ – also die Vergrößerung der Streitkräfte – im Falle einer Krise oder der existentiellen Bedrohung eines Krieges sei „nicht gewährleistet“. Sämtliche Versuche, „die Personalprobleme der Bundeswehr zu lösen (Bundeswehrattraktivitätssteigerungsgesetz, Trendwende Personal, Dein Jahr für Deutschland – Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz, Task Force Personal usw.), sind offenkundig gescheitert“.

Chrupalla lehnt die Rückkehr der Wehrpflicht ab

Bemerkenswert an dem Antrag ist dabei weniger sein Inhalt, sondern die interne Begründung. Auf drei Seiten führen die Verteidigungspolitiker aus, warum der Antrag denn angesichts der ohnehin klaren Beschlußlage im Partei- und Wahlprogramm der AfD auch tatsächlich eingebracht werden sollte. Denn insbesondere Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla, aber auch Teile der Ostverbände meldeten immer wieder Zweifel daran an, die eigentlich unstrittige Forderung nach Wiedereinsetzung der Wehrpflicht wirklich im Plenum einzubringen.

„Ich persönlich bin aktuell gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht“, hatte Chrupalla etwa im Juli vergangenen Jahres noch geäußert. Gerade mit Blick auf den Krieg in der Ukraine sei nun der falsche Zeitpunkt, so ein häufig zu vernehmendes Argument.  

Die AfD-Verteidigungspolitiker wollen das nicht gelten lassen. Ausführlich verwiesen sie etwa darauf, daß die „Forderung nach der Reaktivierung der Wehrpflicht“ zur „DNA“ der Partei gehöre. Hinzu kommt: In keiner Fraktion sitzen anteilig so viele Wehrdienstleister wie in der AfD. Zumal die Forderung „Teil aller Partei- und Wahlprogramme“ sei. Damit die anderen Abgeordneten das auch selbst noch nachlesen können, schrieb der zuständige Referent auch penibel jede Seitenzahl aus den Programmen auf.

Die Union wird wohl dem Pistorius-Plan zustimmen

Ohnehin hätten sich 72 Prozent der teilnehmenden AfD-Mitglieder bei einer internen Umfrage im Dezember 2024 ebenfalls eine Rückkehr zum Dienst an der Waffe für junge Menschen gewünscht. Verwiesen wird intern auch auf einen Antrag aus dem Jahr 2020, in dem die AfD bereits die Reaktivierung der Wehrpflicht gefordert hatte. „Der Antrag ist bewußt kurz gehalten und verzichtet auf alle ‘Nebendebatten’ rund um die Wehrpflicht, wie Wehrgerechtigkeit, allgemeine Dienstpflicht, Frauen et cetera.“ Dazu brauche es „innerhalb der AfD noch Klärung“. Die aber sei „jetzt weder nötig noch umsetzbar“. Heißt: Es soll jetzt schnell gehen.

Ins Visier nimmt man dabei vor allem die Union. „Die Einfachheit des Antrags läßt der CDU/CSU keinen Spielraum für parlamentarische Ausreden, ihre Ankündigung nicht umzusetzen“, hoffen die AfD-Strategen. So könne man einen „Spaltpilz in die Koalition setzen“. 

Tatsächlich werden die zahlreichen Wehrpflicht-Befürworter in der Union nach der Sommerpause dann wohl oder übel mit der Faust in der Tasche für das vielleicht leicht modifizierte Pistorius-Gesetz stimmen müssen. Um des lieben Koalitionsfriedens willen. Denn wie für Soldaten gilt auch für Politiker: „Leben in der Lage“.

Aus der JF-Ausgabe 31/25.

Ein Gelöbnis Berliner Soldaten: Mit dem neuen Wehrdienst will Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mehr junge Leute dafür gewinnen. Foto: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka
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