BERLIN. Das Verwaltungsgericht Berlin hat im Eilverfahren entschieden, daß die Bundesregierung einer Afghanin und deren 13 Familienangehörigen Visa zur Einreise nach Deutschland erteilen muß. Grundlage der Entscheidung sind bestandskräftige Aufnahmezusagen im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms für besonders gefährdete Afghanen.
Nach Auffassung der Achten Kammer binden die erteilten Bescheide die Bundesregierung rechtlich. Von dieser freiwillig eingegangenen Verpflichtung könne sich der Staat nicht lösen, betonten die Richter. Die Afghanen-Familie lebt derzeit in Pakistan und droht dort abgeschoben zu werden.
Das Gericht hielt die Gefährdungslage in Afghanistan für glaubhaft und sah keine Sicherheitsbedenken gegen die Antragsteller. Die Entscheidung verpflichtet das Auswärtige Amt zu sofortigem Handeln. Ob die Behörde Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegt, ist offen – dies könnte das Verfahren verzögern.
Afghanen-Einreise darf grundsätzlich beendet werden
Zugleich stellte das Gericht klar, daß die Bundesregierung das Aufnahmeprogramm für Afghanen jederzeit beenden oder modifizieren könne. Neue Zusagen dürften also ausbleiben. Doch im konkreten Fall könnten sich die Betroffenen auf bereits erfolgte Bescheide berufen.
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 waren verschiedene Aufnahmeprogramme aufgelegt worden. Diese stellte die neue Bundesregierung aus SPD und Union Anfang Mai ein. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes vom 20. Juni warten derzeit rund 2.400 Personen mit Aufnahmezusage in Pakistan auf Visa. Die Organisation „Kabul Luftbrücke“ will indes mit Klagen die Fortsetzung der Aufnahme erzwingen. Sprecherin Eva Beyer verwies auf das Vertrauen der Betroffenen in deutsche Versprechen. Bisher wurden rund 40 Fälle als Eilanträge oder Klagen in Berlin eingereicht – mit unterschiedlichen Sachverhalten. Ob weitere Kammern die Auffassung der Achten Kammer teilen, ist derzeit offen.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat vor wenigen Wochen auch entschieden, daß Zurückweisungen von Personen, die sich bei Grenzkontrollen auf deutschem Staatsgebiet befinden und ein Asylgesuch äußern, rechtswidrig sind. In mehreren Eilverfahren gaben die Richter im Juni drei somalischen Antragstellern recht, die von der Bundespolizei nach ihrer Einreise aus Polen zurückgewiesen worden waren. (rr)