Wenn Sie die Innenpolitik-Meldungen durchlesen, liebe Leser, werden Sie feststellen, es gab schon aufregendere Zeiten in Deutschland. Viel ist momentan nicht los. Langsam kehrt die Sommerruhe ein, auch wenn im Nahen Osten und in der Ukraine gerade der Punk abgeht. Und das merken wir seit Jahrzehnten daran, daß plötzlich wilde Tiere die Schlagzeilen beherrschen, die hier nicht heimisch, dafür aber wahnsinnig gefährlich sind.
Bis gestern herrschte große Unruhe im niedersächsischen Vechta, nachdem ein Video einen Alligator im Regenrückhaltebecken zeigte. Obwohl jeder erfahrene Journalist ahnte, daß jetzt der Zeitpunkt erreicht ist, an dem das Sommerloch beginnt, nahm die Stadt das Filmchen sehr ernst: Sie sperrte das 2,5 Hektar große Gelände rund um den mutmaßlichen Aufenthaltsort, schickte Drohnen los und baute eine Lebendfalle mit einer Ratte als Köder auf einer Insel im Becken auf. Allerdings wollte das Reptil partout nicht das angebotene Nagetier futtern.
Das Beste an der Nummer: Wie schon bei der vermeintlichen Löwin von Kleinmachnow bei Berlin vor zwei Jahren befanden die Behörden das Handyvideo des Zeugen, das das gefährliche Tier zeigte, „nach intensiver Prüfung“ für echt. Es gebe keine Hinweise auf Fälschungen. Nun ist klar, was jeder vernünftige Mensch wußte: Das Video stammt nicht aus Vechta, war doch gefälscht. Die Stadt zog ihren Alarm mit ihren kostspieligen Maßnahmen zurück.
Jetzt streift der Puma durchs Sommerloch
Kaum wissen wir also, daß im Regenrückhaltebecken kein Menschenfresser lauerte, da kommt die nächste Horrormeldung: Durch die Wiesen von Braunsbedra in Sachsen-Anhalt bei Leipzig schleicht eine gefräßige Großkatze. Auch hier ist der Beweis ein Handy-Video. Und auch hier reagieren die Behörden hektisch: Sie rufen Raubtieralarm am Geiseltalsee aus – zwar mit einigen Tagen Verspätung. Aber immerhin: Jeder Anwohner bekam über die NINA-Warn-App des Bundesamtes für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz eine angsteinflößende Nachricht.
Anwohner und Touristen sollen es unbedingt vermeiden, sich im Gebiet am See, in Wiesen und Wäldern aufzuhalten, und niemand solle sich dem Tier, bei dem es sich wahrscheinlich um einen Puma handele, nähern. Die Polizei überwacht das Gebiet jetzt großräumig und setzte am Montagabend bereits einen Hubschrauber ein. Alle sind aufgerufen, die 112 anzurufen, sobald sie die gefährliche Raubkatze sichten – und natürlich noch bevor sie von ihr vertilgt worden sind.
Wieder schwören die Verantwortlichen Stein und Bein, daß es sich nicht um einen Fake handele. Die Ordnungsdezernentin des Saalekreises, Sabine Faulstich, sagte der Mitteldeutschen Zeitung, daß das Video echt sei und aus einer glaubhaften Quelle komme.
So ist das mit den Quellen: Sie sind genauso zuverlässig, wie der Umstand, daß solche Meldungen seit Jahrzehnten immer genau dann die Runde machen, wenn das Sommerloch beginnt. Freuen wir uns darüber: Alligatoren, Löwen und Pumas sind lustiger und unverkrampfter, als das, was uns die Politik zumutet, wenn die meiste Zeit des Jahres kein Sommerloch herrscht.