OTTAWA. Bei den Parlamentswahlen in Kanada liegen die Liberalen des amtierenden Ministerpräsidenten Mark Carney vorn. Laut den Fernsehsendern CTV und CBC stehen sie als Sieger fest. Demnach haben sie bisher 139 Wahlbezirke gewonnen oder liegen dort in Führung. Die Konservativen kommen bisher nur auf 107 der insgesamt 343 Sitze im Unterhaus.
Für eine absolute Mehrheit sind 172 Mandate notwendig. Daß die Konservativen noch vorbeiziehen, halten die Wahlforscher für ausgeschlossen. Dabei sah nach diversen Skandalen und dem Rücktritt des früheren Ministerpräsidenten Justin Trudeau alles danach aus, daß es nach drei Wahlsiegen der Liberalen einen Machtwechsel geben würde. Anders als in Europa oder Argentinien stehen die Liberalen in Nordamerika für linke Politik.
Nach derzeitigem Stand ist noch unklar, ob Trudeaus Nachfolger Carney eine Mehrheitsregierung bilden kann oder mit einer kleineren Partei koalieren muß. Es wäre die vierte Regierungszeit der Liberalen nacheinander.
Kanadas Wahlkampf von Trump überlagert
Der Wahlkampf im nördlichen Nachbarland der USA war zunächst von der Rhetorik des neuen Präsidenten Donald Trump überlagert, Kanada in die USA eingliedern zu wollen. Mehrfach nannte er den früheren Ministerpräsidenten „Gouverneur Trudeau“. Dann kam auch noch der Zollstreit hinzu, den Trump verursacht hatte. Dies hat in Kanada eine Welle des Patriotismus ausgelöst.
Profitiert haben davon die Liberalen von Carney, die sich in den Augen der Wähler glaubwürdiger gegen das Vorgehen der USA stemmen als die Konservativen, die Trumps Republikanern nahestehen. Als Trudeau im Januar zurücktrat und die politische Führung an Carney übergab, hatten Umfragen den Liberalen noch eine historische Niederlage vorausgesagt.
Wirtschaftskrise rückt in den Hintergrund
Die bemerkenswerte Aufholjagd verdanken die Liberalen allen Wahlforschern zufolge Carneys Versprechen, sich massiv gegen die Vereinigten Staaten zu stellen. Der amtierende Ministerpräsident Carney hatte im Wahlkampf betont, er sei aufgrund seiner Erfahrung als früherer Gouverneur der Bank of Canada und der Bank of England am besten qualifiziert, mit Trump klarzukommen.
Der Vorsitzende und Ministerpräsidenten-Kandidat der Konservativen, Pierre Poilievre, hatte vor allem die Sorgen der Wähler über die Lebenshaltungskosten, die steigende Kriminalität und die Wohnungskrise angesprochen. Doch mit den innenpolitischen Problemen, die bis in den Januar hinein die Kanadier dominierten, drang er bei der Großwetterlage nicht durch. (fh)