Die Anschläge auf die Meinungsfreiheit prasseln hageldicht nieder wie vor 80 Jahren die Granaten aus den legendären „Stalinorgeln“. Die Hausdurchsuchungen, Strafbefehle und Prozesse, die der Rentner Stefan Niehoff, die freie Journalistin Anabel Schunke und zuletzt David Bendels, der Chefredakteur des Deutschland-Kuriers, wegen Meinungsdelikten über sich ergehen lassen mußten, bilden bloß die sichtbare Spitze des Eisberges. Politik, Justiz, Polizei, Medien und diverse Meldestellen maßen sich an, den Bürger als Objekt zu malträtieren, das der Erziehung, Kontrolle und Bestrafung bedarf. Es gelte nämlich, die „Grenzen des Sagbaren“ zu verteidigen, andernfalls drohe ein neues „1933“.
Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Um der Qualität des Politikbetriebs gerecht zu werden, muß man ignorieren, was der „demokratische Diskurs“ als erlaubt oder verboten vorschreibt. Längst ist er zum Blendwerk aus Halbwahrheiten, Lügen, Drohungen und hohltönenden Phrasen verkommen und darauf angelegt, die erfahrbare Wirklichkeit dem Blick und dem Urteil des Common Sense, des gesunden Menschenverstandes, zu entziehen.
Ein freier Bürger hat alles Recht der Welt, diesen „Diskurs“ analytisch, satirisch oder alltagssprachlich-derb zu zerlegen und durch eine realitätsnahe Sprache zu ersetzen. Heute läuft er Gefahr, deswegen polizeilich, juristisch und geheimdienstlich belangt zu werden: wegen Volksverhetzung (Paragraph 130 Strafgesetzbuch), wegen Politikerbeleidigung (Paragraph 188), wegen „verfassungsschutzrelevanter Delegitimierung“ des Staates.
Mit Meinungsfreiheit gegen die Herrschaft des Pöbels
Man müsse der „Verrohung der Kommunikation“ entgegenwirken und Taten sanktionieren, die „geeignet“ seien, das öffentliche Wirken von Politikern erheblich zu erschweren, heißt es zur Begründung, denn das „Allgemeininteresse an der Funktionsfähigkeit unseres politischen Betriebs“ stehe auf dem Spiel.
Papperlapapp! Das ultimative Instrument kommunikativer Verrohung ist die Nazi-Keule. Im Allgemeininteresse liegt es, Politikern, die Schaden anrichten, in den Arm zu fallen – verbal, mit Argumenten, versteht sich. Und was die „Funktionsfähigkeit“ des Politikbetriebs betrifft: Dort „haben sich Figuren breitgemacht, die in keiner Weise den Anforderungen der heutigen Zeit genügen. Politiker ohne Bildung und ohne Ausbildung, Politiker, die noch nie in ihrem Leben wertschöpfend gearbeitet haben, Politiker, die ihre Lebensläufe eigenhändig gestalten und dabei der Phantasie freien Lauf lassen“, urteilt der frühere CDU-Politiker Peter-Michael Diestel.
Es ist legal und legitim, es ist ein Akt der Selbstachtung und der geistigen Hygiene, sich von ochlokratischer Vormundschaft freizumachen.