WIEN. Der intensive Familiennachzug, vor allem syrischer Kinder, hat sich ab Anfang 2023 deutlich auf die Zusammensetzung der Deutschförderklassen und -kurse in Wien ausgewirkt. Laut der Bildungsdirektion sind von den rund 19.700 als „außerordentlich“ eingestuften Kindern und Jugendlichen in Wiens Pflichtschulen ein Drittel arabischsprachig. Unter den Schulanfängern liegt dieser Anteil bei 26 Prozent. Geht man von 30 Schülern pro Klasse aus, sind also allein in Wien 656 Klassenzimmer voll mit Schülern besetzt, die nicht Deutsch verstehen.
Was bedeutet „außerordentlich“?
Kinder werden als „außerordentlich“ eingestuft, wenn sie zwar die geistige Reife für ihre Schulstufe besitzen, aber aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse dem Unterricht nicht folgen können. In diesen Fällen erfolgt keine Benotung in Fächern, in denen sie wegen der Sprachbarriere noch keine positive Leistung erbringen können – maximal zwei Jahre lang.
Seit dem Schuljahr 2018/19 erhalten solche Schüler bis zu 20 Stunden Deutschunterricht in separaten Deutschförderklassen oder, bei fortgeschritteneren Kenntnissen, sechs Stunden im Deutschförderkurs. Trotzdem setzt laut einer Umfrage ein Drittel der Schulleitungen weiterhin auf die traditionelle Deutschförderung innerhalb der regulären Klassen.
Orientierungsklassen für syrische Kinder
Während des eineinhalbjährigen Familiennachzugs kamen monatlich rund 300 Kinder neu an Wiens Schulen. Diese Gruppe bestand größtenteils aus syrischen Kindern und Jugendlichen, die oft jahrelang in türkischen Flüchtlingslagern ohne Schulbildung lebten.
Um diesen besonderen Bedürfnissen gerecht zu werden, hat Wien im Frühjahr Orientierungsklassen eingeführt. Hier lernen die Kinder in den ersten zwei Monaten Deutsch, begleitet von Lehrkräften, die sowohl die Herkunftssprache als auch Deutsch als Zweitsprache beherrschen. Auch die Eltern erhalten währenddessen Informationen zum österreichischen Schulbetrieb.
Vielfalt der Erstsprachen
13 Prozent der außerordentlichen Schüler in Wien sprechen Türkisch als Erstsprache. Unter den Schulanfängern sind es 16 Prozent. Serbisch wird von sieben Prozent der Deutschförderklassenschüler gesprochen, gefolgt von Rumänisch (fünf Prozent) und Albanisch (zwei bis drei Prozent).
Besonders brisant: Rund 45 Prozent der Schulanfänger in Wien hatten zu Beginn des Schuljahres einen „außerordentlichen“ Status, obwohl die Mehrheit dieser Kinder laut Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr in Österreich geboren wurde und durchschnittlich mehr als zwei Jahre im Kindergarten war. Kritikern zufolge zeigt der Status nicht zwingend mangelnde Deutschkenntnisse, da der Mika-D-Test dies gar nicht eindeutig mißt.
Die Bildungsdirektion betont die Bedeutung der Herkunftssprachen. An fast 200 Schulen wird Erstsprachenunterricht in 24 Sprachen angeboten, der rund 18.000 Schüler erreicht. Dieses Angebot trägt dazu bei, die Mehrsprachigkeit der Kinder zu fördern und gleichzeitig ihre Integration in das Bildungssystem zu unterstützen.(rr)