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Berliner Nachtleben: Zwei Seelen und 53 Geschlechter

Berliner Nachtleben: Zwei Seelen und 53 Geschlechter

Berliner Nachtleben: Zwei Seelen und 53 Geschlechter

Noch vielfältiger als die Farben des Regenbogens sind die möglichen Geschlechteridentitäten für Gäste eines Berliner Clubs (Symbolbild).
Noch vielfältiger als die Farben des Regenbogens sind die möglichen Geschlechteridentitäten für Gäste eines Berliner Clubs (Symbolbild).
Noch vielfältiger als die Farben des Regenbogens sind die möglichen Geschlechteridentitäten für Gäste eines Berliner Clubs (Symbolbild) Foto: picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt
Berliner Nachtleben
 

Zwei Seelen und 53 Geschlechter

Im Berliner Nachtleben geht es nicht nur ums pure Vergnügen. Philosophische Fragen werden im Vorfeld des Tanzvergnügens in einem Hauptstadtclub entschieden. Ob dabei 53 Geschlechtsoptionen helfen, spielt eine entscheidende Rolle. Ein Kommentar von Boris T. Kaiser.
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Wir befinden uns im Jahr 2024 nach Christus. Ganz Deutschland diskutiert darüber, wie viele Geschlechter es denn nun eigentlich gibt. Ganz Deutschland? Nein! Ein Berliner Szene-Club kennt die Antwort auf diese Frage des Lebens bereits ganz genau. Wer sich für die Partys in der Diskothek „Alte Münze“ in Berlin-Mitte Karten im Vorverkauf bestellt, hat bei der Anmeldung für sein englischsprachiges Benutzerprofil die Möglichkeit, aus 53 verschiedenen Geschlechtern auszuwählen.

Neben den beiden Oldschool-Geschlechtern „Female“ und „Male“ kann man dort zum Beispiel „Agender“ angeben. Die Bezeichnung steht dabei nicht etwa, wie man vielleicht vermuten könnte, für jemanden, der aktiv eine ideologische Agenda vorantreiben möchte, sondern für eine Person, die sich selbst keinem Geschlecht zuordnen kann; auch dann nicht, wenn 53 davon zur Auswahl stehen.

Allein für Transpersonen gibt es 26 Geschlechter

Nicht verwechseln sollte man diese „Agender“ mit den „Neutrois“, die sich außerhalb des binären Geschlechtersystems befinden, dem „Pangender“, der sich mehreren oder allen Geschlechtern irgendwie zugehörig fühlt, oder mit jenen, die auf dem Online-Formular „Gender questioning“ anklicken – und damit zum Ausdruck bringen wollen, daß sie ihre sexuelle Orientierung oder ihr Geschlecht hinterfragen. Wer so undicht ist, daß er für alles offen ist, wird sich dagegen vielleicht für Variante „Two Spirits“ entscheiden.

Was für dichtere Geister wie ein hochprozentiger Cocktail klingen mag, steht in dem Club am Molkenmarkt für einen Menschen mit „zwei Seelen“. Was die philosophische Frage aufwirft, warum es denn nur zwei Seelen geben soll, wenn es allein für Transpersonen 26 verschiedene Geschlechter-Kategorien gibt …

Und wer richtig woke ist …

Von „FTM“ („female to male“, also „weiblich zu männlich“) bis MTF – und allem, was „intersexuell“ und „Gender fluid“ so dazwischen liegt oder „Gender nonconforming“ darüber hinausgeht, hat die in einem ehemaligen Münzprägewerk beherbergte Lokalität an Gästen offenbar alles zu bieten, was das woke Partygänger-Herz begehrt. Oder zumindest fast alles. Denn mit ihrer Festlegung auf die läppischen 53 Geschlechter nehmen die Betreiber des vermeintlich so hippen Berliner Szene-Ladens innerhalb ihres eigenen ideologischen Milieus eine fast schon konservative Position ein. Schließlich sprechen andere Verfechter der Idee von der Geschlechter-Identität sogar von bis zu 72 unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten!

Wer bei seiner Anmeldung für die „Alte Münze Berlin“ unter den vorgeschlagenen 53 Gender-Kategorien keine findet, mit der er sich in diesem Moment identifizieren kann, sollte an den offenbar eher reaktionären Einstellungen der Clubbetreiber und ihrer Internetseite aber dennoch nicht gleich komplett verzweifeln. Wer wirklich richtig woke ist, der weiß schließlich, daß das Geschlecht eigentlich sowieso überhaupt keine Rolle spielt und rein gar nichts über eine Person als Mensch aussagt.

Das zumindest sieht man auch in der „Alten Münze“ so, weshalb es für alle potentiellen Besucher auch die Möglichkeit gibt, eine Angabe über das eigene Geschlecht zu verweigern. Einfach in der langen Liste „Don’t want to say“ auswählen – und schon ist man mittendrin im, wenn man Glück hat, zumindest mehr als eingeschlechtlichen Partyvergnügen.

Noch vielfältiger als die Farben des Regenbogens sind die möglichen Geschlechteridentitäten für Gäste eines Berliner Clubs (Symbolbild) Foto: picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt
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