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Türkenbelagerung 1683: Wien im Würgegriff der Osmanen

Türkenbelagerung 1683: Wien im Würgegriff der Osmanen

Türkenbelagerung 1683: Wien im Würgegriff der Osmanen

Wiener verteidigen ihre Stadt gegen die angreifenden Osmanen.
Wiener verteidigen ihre Stadt gegen die angreifenden Osmanen.
Wiener verteidigen ihre Stadt gegen die angreifenden Osmanen Foto: picture-alliance / brandstaetter images/Austrian Archives (S) | Anonym
Türkenbelagerung 1683
 

Wien im Würgegriff der Osmanen

Die Türkenbelagerung 1683 ist nicht nur für Wien von großer historischer Bedeutung. Auf dem Schlachtfeld vor der Donaumetropole traf ein europäisches Heer auf die Osmanen. Der Ausgang des Kampfes hatte weitreichende Folgen.
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Die Gier nach dem Apfel der Erkenntnis bescherte dem Menschen laut Bibel die Verbannung aus dem Paradies und führte ihn ins irdische Jammertal. Für die Osmanen bedeutete der Griff nach dem Goldenen Apfel Wien 1683 den Anfang vom Ende ihrer Herrschaft über Teile Südosteuropas.

Zuvor hatten sich die Vorfahren der Türken über den Balkan immer weiter ausgebreitet. Unter anderem Bosnien, Serbien und Teile Ungarns standen unter ihrer Kontrolle und waren tributpflichtige Vasallen geworden. Aber Sultan Mehmet IV. wollte mehr, und sein Blick fiel auf Wien. Die Residenzstadt war durch ihre Lage zwischen Alpen und Karpaten das Einfallstor nach Europa. Belegt mit dem aus der osmanisch-türkischen Mythologie stammenden Begriff des Goldenen Apfels sollte Wien das nächste Ziel werden.

Ein zuvor zwischen dem Heiligen Römischen Reich und den Osmanen geschlossener Friedensvertrag war 1682 nach 20 Jahren ausgelaufen. Da keine Verlängerung zustande kam, zog der Sultan ab März 1683 bei Adrianopel, dem heutigen Edirne in der Türkei, seine Truppen zusammen. Den historischen Quellen zufolge zählte das Heer 168.000 Mann. Die Kriegserklärung an das Reich und das verbündete Polen drohte den Christen bereits Tod und Folter. Die Zeichen standen auf Sturm, und die Türkenarmee zog los.

Tataren und Osmanen wüten unter Zivilbevölkerung

Papst Innozenz XI. gelang es noch, den deutschen Kaiser Leopold I. und den polnischen König Johann III. Sobieski zu einem Defensivbündnis gegen die Gefahr aus dem Morgenland zu vereinen. Daß die Zeit drängte, zeigte sich bald, da die Türken am 4. Juli die österreichische Grenze erreichten und überschritten. Ein Aufeinandertreffen der mit den Osmanen verbündeten Krimtataren mit den Savoyen-Dragonern der christlichen Verteidiger am 7. Juli bei Petronell in Niederösterreich endete mit einem Sieg der Österreicher. Zugleich verdeutlichte das, wie nah der Feind schon war.

Der Kaiser zog sich mit seiner Familie aus Wien zurück, um die Aufstellung des Entsatzheeres für die erwartete Belagerung Wiens zu organisieren. Mit ihm verließen rund 80.000 Einwohner die Donaumetropole. Währenddessen wüteten im Umland bereits die Tataren und Osmanen unter den Einheimischen, töteten und verschleppten sie; brannten die Ortschaften nieder.

Die verbliebenen Wiener bereiteten sich unter dem erfahrenen Kommandanten Ernst Rüdiger von Starhemberg auf die Verteidigung vor. Dazu gehörte auch das Niederbrennen der Vorstädte, um ein möglichst freies Schußfeld ohne Deckung für die Osmanen zu haben. Nach dem Dreißigjährigen Krieg waren die Stadtmauern verstärkt und auf den neuesten Stand der Technik gebracht worden. Basteien und Forts sollten jeden Feind aufhalten. Mehr als 130 Kartaunen und Doppelkartaunen (Vorderladerkanonen) mit einem Kaliber von 40 Kilogramm und noch schwerere Geschütze warteten außerdem in ihren Stellungen auf die moslemischen Angreifer. Zur Verteidigung standen Starhemberg rund 11.000 Soldaten sowie 5.000 Bürger und Freiwillige zur Verfügung.

Osmanen setzen auf den Minenkrieg

Das schien angesichts der knapp 170.000 Türken nicht viel. Doch deren Befehlshaber Kara Mustafa hatte auf die Mitnahme schwerer Artillerie verzichtet und stattdessen nur insgesamt 300 leichtere Geschütze und Mörser mitgenommen. Daher war er gezwungen, zur Überwindung der Mauern auf den Minenkrieg zu setzen.

Dabei gruben sich die Mineure genannten Soldaten unterirdisch an die Verteidigungsanlagen heran. Dort deponierten sie mit Schwarzpulver gefüllte Minen und brachten sie aus sicherer Entfernung zur Detonation. Die Explosion brachte die darüber liegenden Mauern zum Einsturz. Dabei fungierten die Trümmer idealerweise als Rampe für den Sturmangriff.

Bevor es so weit war, umschlossen die Osmanen Wien am 14. Juli mit ihrem Belagerungsring. Durch den gleich einsetzenden Beschuß kam es in der Stadt immer wieder zu Bränden. Parallel dazu legten die Angreifer Laufgräben an, um sich den Verteidigungsanlagen zu nähern. Die Wiener unternahmen immer wieder Ausfälle, um das zu unterbinden. Doch am 23. Juli konnten die Türken ihre erste unterirdische Mine zur Explosion bringen.

Wiener legen Knochenkammern an

Das war gewissermaßen der Auftakt zum Minenkrieg. Um zu wissen, wo unter ihrer Stadt der Feind am Werke war, mußte jedes Haus einen Mann abstellen, der im Keller nach verdächtigen Geräuschen lauschte. Als Gegenmaßnahme gruben die Verteidiger ihrerseits Gänge zu den osmanischen Mineuren. Trafen sich die Gänge, entbrannte ein Kampf der menschlichen Maulwürfe.

Während Hunderte Kilometer entfernt Leopold I. und Sobieski ihre Krieger zu den Fahnen riefen, verschlechterte sich die Versorgungslage in Wien von Woche zu Woche. Schwindende Vorräte waren ein Problem, die Lagerung der zahlreicher werdenden Leichen ein anderes. Da die Friedhöfe außerhalb der Stadtmauern lagen, mußten die sterblichen Überreste in Knochenkammern gelagert werden. Die Rote Ruhr setzte den Männern um Starhemberg außerdem zu.

Doch auch im Lager der Osmanen litten die Soldaten unter Nahrungsmangel. Nun rächten sich die Verwüstungen ihrer Hilfstruppen im Umland. So mußte die Verpflegung über große Entfernungen herangeführt werden. Das zeigt wieder, wie wichtig Logistik im Krieg ist.

Kommt das Entsatzheer rechtzeitig?

Militärisch ging es zumindest langsam in die gewünschte Richtung für Kara Mustafas Truppen. Nach mehreren Minensprengungen hatten sie sich bis unmittelbar an die Stadtmauer herangearbeitet. An der Löwelbastei tobten die Kämpfe auf kurze Distanz erbittert. Dort setzten sich die Osmanen fest. Ihre ersten Sturmangriffe scheiterten jedoch. Das trübte zunehmend die Stimmung unter den Kriegern des Islam.

Nach knapp zwei Monaten gingen Anfang September die Vorräte auf beiden Seiten zur Neige. Weil die Osmanen wußten, daß ein Entsatzheer auf dem Weg nach Wien war, verstärkten sie noch einmal ihre Angriffsbemühungen. In der angespannten Situation verhängte Starhemberg in Wien drakonische Strafen für Deserteure; jeder Mann wurde gebraucht.

Denn am 4. September stürmten die osmanischen Eliteeinheiten der Janitscharen bereits die Bastei. Nur ein beherzter Gegenangriff der Verteidiger konnte sie am Folgetag noch einmal zurückwerfen. Zu dem Zeitpunkt verfügte Starhemberg nur noch über rund 5.000 einsatzfähige Männer. Aber durch Kundschafter, die verkleidet den lebensgefährlichen Weg durch das Lager der Türken auf sich nahmen, wußte er, daß die Rettung nahte – aber nicht, ob sie rechtzeitig eintreffen würde.

Sobieski führt seine Reiter ins Schlachtgetümmel

Als am frühen Morgen des 12. September 1683 Signalfeuer auf dem Kahlenberg bei Wien aufloderten, wurde das Bangen zur Gewißheit: Entsatz war da. Dort hatten sich die knapp 60.000 Soldaten aus Polen, Venedig, Bayern, Franken, Schwaben, Baden und Oberhessen versammelt. Nach einer Feldmesse ließ der Oberbefehlshaber, der polnische König Sobieski, antreten. Dem christlichen Heer gab er mit auf den Weg: „Nicht für König und Kaiser, für Gott gehen wir in die Schlacht.“

Nun war auch Kara Mustafa und seinen Offizieren klar, daß eine Entscheidung fallen würde. Doch sie waren sich uneinig, wie die Aufteilung ihrer Einheiten in der anstehenden Zweifrontenschlacht aussehen sollte. So konnten die anstürmenden Reichstruppen die ersten osmanischen Linien zurückdrängen. Als der Kampf schon Stunden wogte, griff schließlich Sobieski an der Spitze seiner gepanzerten Reiterei ins Geschehen ein. Inspiriert vom Angriff des Entsatzheeres, befahl auch Starhemberg seinen abgekämpften Verteidigern einen finalen Ausfall, um den Druck von der anderen Seite auf den Feind zu erhöhen.

Sieg vor Wien ist Wendepunkt

So in die Zange genommen, machte sich unter den Belagerern erst Unruhe und dann Panik breit. Kopflos wandten sich die Osmanen zur Flucht und verließen ihre Stellungen. Erst nach rund zehn Kilometern gelang es, sich erneut zu sammeln. Doch für Kara Mustafa war der erfolglose Griff nach dem Goldenen Apfel gleichbedeutend mit dem Verlust seines Lebens. Auf Befehl von Mehmet IV. wurde er wegen seiner Niederlage vor den Toren Wiens erdrosselt. Wien hatte den Türken stand gehalten, wie schon 1529.

Starhemberg wurde wegen des heroischen Aushaltens als Wiener Stadtkommandant in Österreich als Held verehrt. Nach der Ernennung zum Präsidenten des Hofkriegsrates modernisierte er in der Folgezeit das Heer. Für Österreich war die erfolgreiche Abwehr der Osmanen zugleich Auftakt zum Großen Türkenkrieg (1683–1699). Am Ende stand der Aufstieg zur Großmacht in Europa.

Wiener verteidigen ihre Stadt gegen die angreifenden Osmanen Foto: picture-alliance / brandstaetter images/Austrian Archives (S) | Anonym
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