Künstliche Intelligenz (KI) ist ein schnell wachsendes und vielseitiges Technologiefeld, das den Berufsalltag vieler Bürger in Deutschland in Zukunft verändern könnte. Obwohl KI das Potenzial hat, viele Routineaufgaben zu automatisieren und somit die Arbeitsbelastung zu verringern, gibt es auch Bedenken hinsichtlich möglicher Jobverluste und der Überlegenheit der Technologie gegenüber Menschen. Doch sind die berechtigt?
Allein die Tatsache, daß auch diese Einleitung durch eine KI verfaßt wurde, läßt die Frage klar mit „ja“ beantworten. Möglich ist das mit dem Chatbot Chat GPT, mit dessen Hilfe sich nicht nur Aufsätze, Gedichte und anscheinend auch journalistische Texte schreiben lassen, sondern auch Programmiercodes. Um das Tool zu benutzen, braucht es nicht einmal Vorkenntnisse. Das gewünschte Ergebnis läßt sich bequem und in verschiedenen Sprachen per Chatanfrage generieren.
„Kannst du mir einen Text für eine konservative Wochenzeitung schreiben, die über eine künstliche Intelligenz berichtet, die in Zukunft den Berufsalltag unzähliger Bürger in Deutschland verändern könnte“, lautete die Aufgabenstellung im obigen Beispiel. Der Bot ist damit nicht nur kinderleicht bedienbar, sondern seit Ende November auch für Jedermann verfügbar – bisher sogar kostenlos. Zur Benutzung benötigt es lediglich eine Mailregistrierung und die Eingabe eines kurzen Bestätigungscodes per Smartphone.
Künstliche Intelligenz versucht sich als Dichter
Entwickelt wurde Chat GPT von Open AI, ein kalifornisches Unternehmen, das 2015 unter anderem von Elon Musk gegründet wurde. Seither erforscht es Künstliche Intelligenz und hat vor drei Monaten ebenso den Bildgenerator DALL-E für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Programm ermöglicht es, Bilder anhand von Textbefehlen zu generieren. Möglich ist das aufgrund von Datentraining. Durch das Füttern mit unzähligen Textdaten aus Büchern, sozialen Medien oder journalistischen Inhalten ist auch Chat GPT in der Lage, konkrete Antworten auf detaillierte Fragen zu liefern. Damit hat der „Generative Pre-trained Transformer“, so der volle Name des Bots, einen entscheidenden Vorteil gegenüber Suchmaschinen wie Google: Er liefert nicht nur Einzelinformationen, sondern kann verschiedenen Inhalte miteinander verknüpfen und sich sogar an vorangegangene Chatinhalte erinnern.
Welchen Nutzen das haben kann, präsentiert die KI selbst: „Ich wurde entwickelt, um Menschen dabei zu helfen, Antworten auf ihre Fragen zu finden und Probleme zu lösen. Ich bin in der Lage, auf eine Vielzahl von Fragen und Themen zu antworten und kann auf Anfragen in verschiedenen Sprachen eingehen“.
Dabei ist die Künstliche Intelligenz schon jetzt so gut, daß selbst Musk auf Twitter schrieb, Chat GPT sei „erschreckend gut“.
ChatGPT is scary good. We are not far from dangerously strong AI.
— Elon Musk (@elonmusk) December 3, 2022
Konkret kann das für das Tool zum Beispiel bedeuten, ein wenig Kreativität zu zeigen. Nach der Anfrage: „Schreibe ein Gedicht über die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT“, erhalte ich folgendes Ergebnis für die erste Strophe: „Die JUNGE FREIHEIT ist ein Star, sie bringt uns Nachrichten von fern. Sie informiert uns über das Weltgeschehen, von Politik bis hin zu Kultur und Wissenschaft sehen.“
Künstliche Intelligenz könnte ganze Berufssparten ersetzen
Wirklich befriedigend ist das nicht, schöner wäre es mit einem Paarreim in Vers Eins und Zwei. Neue Anfrage: „Kannst du Vers Eins und Zwei noch einmal neu dichten, damit sich ein Paarreim ergibt?“. Auch das zweite Ergebnis ist ziemlich ernüchternd: „Die JUNGE FREIHEIT ist eine Zeitschrift, die uns die Welt in all ihren Facetten zeigt. Sie bringt uns Nachrichten von hier und dort, von Politik bis hin zu Kultur und Wissenschaft fort.“
Auch, wenn das Ergebnis weder an Goethe und Schiller heranreicht noch die zweite Anfrage perfekt umsetzen konnte, bedeutet das Resultat zumindest eines: Die KI geht auf veränderte Bedingungen ein. Die Lern- und Verbesserungsfähigkeit erlaubt es sogar, fehlerhafte HTML-Codes, die vorher generiert wurden, noch einmal zu überprüfen und die Fehlerquellen auszumerzen.
Für die Gesellschaft der Zukunft könnten sich durch intelligente Programme wie Chat GPT große Veränderungen ergeben (die KI hat es in der Einleitung bereits angekündigt). Vor allem auf dem Arbeitsmarkt: So stellt sich die Frage, ob es den Beruf des Programmierers auch in Zukunft noch geben kann, wenn Bots schon jetzt ganze Websites per Chatanfrage generieren können. Auch unter den Journalisten beginnt bereits das Zittern. Schafft es das Programm in Zukunft, auch komplexere Einordnungen, Werbetexte, Romane oder Gedichte zu schreiben und so den gesamten schreibenden Berufszweig abzulösen?
Wohl eher nicht. Zwar kann Chat GPT zum Beispiel für Programmierer eine nützliche Ergänzung sein, mit der Fehler korrigiert werden können. Komplizierte Programmieranforderungen wird aber wohl auch in Zukunft der Fachmann lösen müssen. Für die schreibende Zunft sind die Aussichten ebenfalls nicht so düster, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Denn: Wie sich in der Anfrage bereits gezeigt hat, ist das System fehleranfällig.
Chatbot stellt Lehrer vor Probleme
Dadurch, daß der Chatbot mit sehr unterschiedlichen Textarten gefüttert wurde, kann auch das Ergebnis dementsprechend variabel sein. So können sich gefährliche Falschinformationen in das Ergebnis schleichen, die vom Verfasser der Anfrage nicht beabsichtigt wurden. Was die Nutzung des Tools zur Berichterstattung bereits deutlich erschwert, ist aber noch nicht der größte Hoffnungsschimmer für ängstliche Medienmacher. Transparente Quellenarbeit liefert Chat GPT nicht, ein Hauptaugenmerk journalistischer Qualitätsmerkmale. Es ist nicht klar, woher die Informationen stammen. Bekannt ist nur, daß die gesammelte Datenmenge bis ins Jahr 2021 reicht. Das Programm befindet sich zwar noch in seinen Kinderschuhen, den echten Menschen kann es vorerst allerdings nicht ersetzen.
Branchen, die stark beeinflußt werden könnten, gibt es trotzdem. So rechnet etwa der Chefentwickler des Videospiels „Assasin´s Creed Hexe“, Clint Hooking, mit großen Veränderungen für die Gaming-Branche durch KI-Programme. Schon in zehn Jahren solle es für Spieler möglich sein, sich die Spiele selbst zu programmieren, so Hooking gegenüber der amerikanischen Gaming-Website „Polygon“. Zwar sind damit wohl keine komplexen Spiele gemeint, eine Revolution für die Branche wäre es trotzdem.
Auf das Bildungssystem hat Chat GPT bereits jetzt Einfluß. In Schülerkreisen hat sich längst herumgesprochen, daß sich mit dem Programm Aufsätze innerhalb von wenigen Sekunden generieren lassen. Für simple Fragestellungen sind die Ergebnisse zufriedenstellend genug, um sie als Hausaufgabe zu tarnen. Für Lehrer wird es dadurch nicht leichter, sind die Inhalte doch „menschenähnlich“.
Die bisher erdachten Hindernisse können sich jedoch ebenso gut als Chancen herausstellen: Zur Inspiration für die sprachliche Gestaltung von Texten, zur Verbesserung von Programmcodes oder auch, um Spiele zu personalisieren. Während wir uns an Sprachassistenten wie Siri oder Alexa schon längst gewöhnt haben, mag sich die Benutzung des Sprachprogramms für viele Bürger noch wie der Erstkontakt mit Künstlicher Intelligenz anfühlen. Entscheidend ist dann, wie die Technik gesehen wird: als Chance oder Hindernis.