Manchmal fällt Drehbuchautoren nichts mehr ein. In diesem Fall bleibt ihnen noch, die Hauptfiguren in ein Auto zu setzen, ihnen eine Aufgabe zu geben und zu gucken, was dabei herauskommt. Das scheint so etwa das Rezept für Julia Beckers Film „Over & Out“ gewesen zu sein. Vor ungefähr einem Jahr hatte Regisseurin Nana Neul mit der Tragikomödie „Töchter“ das gleiche Rezept schon einmal ausprobiert.
Darin düsten zwei Frauen, verkörpert von den Schauspielerinnen Alexandra Maria Lara und Birgit Minichmayr, gemeinsam nach Italien, um dort den letzten Wunsch eines weiteren Beteiligten zu erfüllen (JF 40/21). Auch in der Dublette „Over & Out“ geht es auf große Fahrt. Die Direktorin Becker trat dabei selbst vor die Kamera und spielte die gar nicht so brave Hausfrau Steffie. Außerdem an Bord: Die drei Co-Darstellerinnen Jessica Schwarz als Unternehmensberaterin Lea, Petra Schmidt-Schaller als Nina-Hagen-Imitat Toni und Nora Tschirner als Fahrgast Maja.
Beerdigung statt Hochzeit
Wie üblich und erwartbar geraten die Damen, die sich selten wie Damen benehmen, auf ihrer Reise gen Süden in allerlei Turbulenzen. Bereits zu Beginn wartet der Film mit einem Schockmoment auf: Maja Nummer vier der vier „Muskeltiere“, wie sich die Frauen zu Schulzeiten nannten, hat ihre Freundinnen eigentlich zu ihrer Hochzeit nach Italien eingeladen. Stattdessen erwartet die drei Frauen dort aber eine Trauerfeier. Maja ist an Krebs gestorben und hatte vorab ihre Beerdigung geplant.
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Damit sie nicht im vermaledeiten schleswig-holsteinischen Niendorf zur ewigen Ruhe gebettet wird, der sterbenslangweiligen Heimat, der sie immer entfliehen wollte, braucht sie die Hilfe ihrer Freundinnen. Majas Idee ist jedoch genauso blöd wie der ganze Film: Sie möchte lieber aufgebahrt wie ein Wikinger auf einem Holzbrett ins Meer gestoßen und sodann von einem Feuerpfeil in Brand gesetzt werden, um so in Rufnähe des malerischen italienischen Küstenorts Gioia del Mezzo in die ewigen Jagdgründe eingehen zu können.
Tote Freundin sitzt mit Sonnenbrille auf dem Rücksitz
Ehe es so weit ist, reiht Julia Becker gekonnt Klischee an Klischee und Peinlichkeit an Peinlichkeit. Wie immer mit dabei: Schlagerhören im Auto, ein Bar-Besäufnis, ein gemeinsamer Bühnenauftritt mit Gesang und Tanz, Riesenkrach und das große „Sich-wieder-zusammenraufen“. Besonders makaber: Majas Leichnam transportieren die Frauen nicht etwa in einem Sarg. Die tote Freundin setzen sie einfach mit Sonnenbrille auf die Rückbank. Die Idee ist nicht neu, sondern abgekupfert von „Immer Ärger mit Bernie“ (1989).
Für die wohlfeile spirituelle Kalenderweisheit sorgt eine nackte Nonne mit afrikanischen Wurzeln: „Bei uns steht die Gemeinschaft im Vordergrund, nicht das Ego.“ Sie leitet über zur Enttarnung der herkömmlichen Lebenslügen rund um das Thema Kind oder Karriere, und im Nu stehen alle blank da. Daß infolge der so initiierten nachdenklichen Gespräche nicht auf einmal das Niveau abhebt, dafür sorgen zwischendurch ein paar platte Vibrator-Witzchen und andere Albernheiten. Immerhin: Nora Tschirner, bis 2021 als gesprächige „Tatort“-Kommissarin Kira Dorn im Einsatz, überzeugt auch als Leiche.