Woher kommt die innere Schwäche Deutschlands? Warum werden wir immer wieder zum Spielball fremder Interessen? Wieso ist Deutschland nicht souveräne Triebfeder eines nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch und militärisch starken Europas?
Die Gründe reichen weit zurück. Zersplitterung, Kleinstaaterei, Durchmarschgebiet vieler Kriegsheere, schließlich rascher Aufstieg im Reich Bismarcks. Zweimaliger Zusammenbruch und totale Niederlage.
Worauf soll sich ein positives Selbstverständnis stützen? Der neuralgische mentale Punkt ist die Katastrophe des Dritten Reiches. War es die finale Bestätigung eines genuin deutschen Irrweges – oder Bruch in der Geschichte einer ansonsten normalen Nation? Die Waage neigt sich immer wieder zu Selbstverneinung und Abschied von der Nation oder Flucht in andere Identitäten.
„Es lebe das heilige Deutschland!“
Die JUNGE FREIHEIT rückt die Erinnerung an den 20. Juli 1944 alljährlich deshalb ins Zentrum, weil hier ein Beispiel gegeben und eine Brücke geschlagen wird zu einer Tradition, die ein positives Nationalbewußtsein begründen kann. Schließlich stellt sich immer die Frage: Was hält ein Volk, eine Nation zusammen? Wofür wären wir bereit, unser Leben zu geben, das Äußerste zu wagen?
Für den schwer kriegsversehrten Claus Schenk Graf von Stauffenberg war es als Kopf der Erhebung klar, daß dem verbrecherischen „Führer“ in den Arm gefallen werden mußte – auch wenn man sich im Falle des Scheiterns bewußt sein müsse, als Verräter in die deutsche Geschichte einzugehen: „Unterläßt er jedoch die Tat, dann wird er ein Verräter an seinem Gewissen.“
Stauffenberg und den Männern des Widerstandes stand nichts ferner als die destruktive Parole „Nie wieder Deutschland“, sondern ihr Motiv war „die Rettung des Reiches“ und der von Stauffenberg vor dem Erschießungskommando in der Nacht zum 21. Juli 1944 ausgerufene Imperativ: „Es lebe das heilige Deutschland!“
Erinnerung an Widerstand macht Werteverfall bewußt
Diese unbeugsame Vaterlandsliebe ist wesentlicher Grund, weshalb das offizielle Deutschland nur verhalten an die Helden des Widerstands erinnert. Ihrem Beispiel an Pflichterfüllung, Dienst, Treue, aber auch Unbeugsamkeit gegenüber Tyrannei und Unrecht sind viele nicht gewachsen.
Die Autorin Marita Lanfer hat in einem aktuellen Werk bei über drei Dutzend Widerstandsbiographien das Gewicht herausgearbeitet, das elterliche Erziehung in intakten Familien, humanistische Bildung, fester christlicher Glaube, Leistungswille und Disziplin daran haben, sich gegen opportunistische Versuchung zu wappnen und zu widerstehen.
Angesichts dessen werden uns die gesellschaftlichen Folgen der systematischen Aushöhlung dieser Werte und Institutionen um so schmerzlicher bewußt.
JF 29/22