Was sich nicht wenige Bürgerliche, Konservative und Rechte schon länger erhoffen, könnte tatsächlich kommen: Dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser ihr Amt niederlegt. Nicht aber, weil ihr doch noch ihre löchrige Grenzziehung zum Linksextremismus auf die Füße fallen würde, sondern weil Faeser in nicht allzu ferner Zukunft ein Ticket zurück nach Hessen buchen könnte.
Dort stehen im Herbst 2023 Landtagswahlen an. Daß Faeser das Amt der Ministerpräsidentin anstreben und sich auch nicht von ihrem Job in Berlin davon abhalten lassen könnte, war schon lange im Gespräch. Aufhorchen hatte bereits lassen, daß die 51jährige in einem Spiegel-Interview kurz nach ihrer Amtseinführung im Dezember die Ambitionen nicht dementierte, sondern vielmehr ihre erneute Kandidatur für den SPD-Landesvorsitz im Mai ankündigte.
Implizite Bewerbung um Spitzenkandidatur
Diese Kandidatur fand nun am Wochenende beim Landesparteitag der Sozialdemokraten im hessischen Marburg statt. Faeser erhielt nicht nur satte 94,3 Prozent, sondern auch rhythmischen Applaus, zustimmende Pfiffe und stehende Ovationen. Ihre Rede hatte staatsmännisch mit Verweisen auf Ukraine und Weltkriegsende begonnen, dann aber den Bogen zur Landespolitik geschlagen und scharfe Angriffe auf CDU und Grüne, die die derzeitige Regierung stellen, gefahren.
Faeser spickte ihren Auftritt mit zahlreichen Wahlkampfparolen und ließ ihn auf das persönliche Bekenntnis zulaufen, daß trotz ihres Amtes im Bund „sich doch nichts geändert“ habe: „Mein Herz ist in Hessen.“ Sie wolle handeln, „damit Hessen wieder rot wird“. An dieser Stelle wurde die Ministerin am längsten durch Applaus unterbrochen. Auch wenn Faeser später in eine Kamera sagte, sie habe „ja gar nicht gesagt, daß ich antreten werde“, so hatte die Partei ihre Rede doch natürlich als implizite Ankündigung der Spitzenkandidatur verstanden.
Ohne zu diesem Zeitpunkt ernsthafte Prognosen abgeben zu können, läßt sich doch sagen, daß Faeser im Wahlkampf jedenfalls echte Chancen hätte: Die Hessen-CDU befindet sich in einer Umbruchphase und wird nicht mehr mit Volker Bouffier ins Rennen gehen. Auch wenn dessen Nachfolger Boris Rhein bereits Ende Mai in der Staatskanzlei als neuer Regierungschef inthronisiert werden soll, wird der Amtsbonus für die Christdemokraten dieses Mal allenfalls eingeschränkt Wirkung entfalten.
Faeser könnte auch als Kandidatin Ministerin bleiben
Offiziell auf die Spitzenkandidatur festlegen wollen sich die Sozialdemokraten erst im kommenden Jahr. So kann Faeser Fragen nach der Vereinbarkeit eines führenden Kabinettspostens und einer Spitzenkandidatur im Land noch einige Zeit aus dem Weg gehen. Ob die Ministerin ihr Amt dann niederlegt oder zweigleisig fährt und sich den Job im Bund als Auffangnetz im Falle eines Scheiterns in Hessen offenhält, bleibt abzuwarten.
Beispiele für dieses Vorgehens finden sich in der Vergangenheit: 1995 etwa kandidierte mit Manfred Kanther ein Amtsvorgänger Faesers im Bundesinnenministerium während seiner dortigen Amtszeit für den Posten des Landesvaters in Hessen. Kanther schaffte es nicht, ging dann jedoch nicht in die Opposition nach Wiesbaden, sondern blieb auf seinem Sessel im Ministerium sitzen. Dem wichtigen Ressort der Innenpolitik würde Faeser wohl kaum gerecht, wenn sie sich an diesem Vorbild orientieren sollte.