MÜNCHEN. Die Abschaffung des Religionsunterrichts als Pflichtfach hat in Deutschland zu einem Rückgang der Religiosität bei Heranwachsenden geführt. „Nach der Einführung des Ethikunterrichts wurden traditionelle Einstellungen zur Aufgabenteilung der Geschlechter und zur Notwendigkeit der Ehe zurückgedrängt“, erläuterte der Wirtschaftswissenschaftler Benjamin Arold eine am Dienstag veröffentlichten Studie des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung.
Die Abschaffung des verbindlichen Religionsunterrichts habe zu einem signifikanten Rückgang der Religiosität bei Schülern geführt, heißt es in der wissenschaftlichen Arbeit von Arold und seinen Kollegen Ludger Woessman und Larissa Zierow.
Abschaffung des Religionsunterrichts hat auch Geburtenrate gesenkt
Die Aufhebung des obligatorischen Religionsunterrichts habe aber auch das Familienwachstum beeinflußt. So habe die Einführung alternativer Schulfächer wie etwa Ethik niedrigere Heirats- und Geburtenraten herbeigeführt. „Unsere Ergebnisse sind Grund zu der Annahme, daß Veränderungen im Schulunterricht Geschlechternormen verändern können und daß sich diese also auch außerhalb des Familienlebens formen lassen.“
Außerdem habe sich die Reform des Religionsunterrichts auch auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt – durch steigende Beschäftigung und höhere Einkommen. Der Glaubensschwund habe die materialistischen Neigungen der Schüler möglicherweise noch verstärkt, versuchen die Wissenschaftler die Daten zu erklären. Die Schulreform sei insofern auch ein ökonomischer Faktor gewesen.
Grundlage der Studie waren Umfragen unter mehr als 58.000 Erwachsenen, die zwischen 1950 und 2004 in Westdeutschland eingeschult wurden.
Vor der Reform wurde mehr Religion als Physik unterrichtet
Die alten Bundesländer ersetzten den verpflichtenden Religionsunterricht seit den 70 Jahren schrittweise durch Wahlpflichtmodelle mit traditionellem Religions- und alternativem Ethikunterricht. Vor der Reform war die jeweils katholische oder evangelische Variante des Religionsunterrichts im Leben der Schüler prominent vertreten.
Während der gesamten Schulzeit umfaßte er ungefähr 1.000 Unterrichtsstunden, etwa viermal so viel wie der damalige Physikunterricht. (fw)